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In der Bundesverwaltung durchgeführte Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen sorgten in der Vergangenheit immer wieder für Kritik. Die Inspektionen der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) zum Oberfeldarzt der Armee (GPK-N 2018) und zu den Bürgschaften für die schweizerischen Hochseeschiffe (GPK 2018) stellten beispielsweise bei den zu diesen Vorfällen durchgeführten Untersuchungen teils schwerwiegende Verfahrensfehler fest. In der Kritik standen unter anderem die angeordnete Verfahrensart, die Kompetenzen und die Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans sowie die Art der Kommunikation, die teilweise die Interessen der betroffenen Personen zu wenig berücksichtigt habe.
Aufgrund der festgestellten Schwierigkeiten in diesen konkreten Verfahren beauftragten die GPK die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit der Evaluation der Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der gesamten Bundesverwaltung. Der Auftrag umfasste die Prüfung der rechtlichen Vorgaben dieser Untersuchungen sowie die Prüfung von deren Anordnung, Durchführung und Abschluss in der Praxis. Ebenfalls sollte die Abgrenzung dieser formellen Untersuchungen gegenüber den formlosen Untersuchungen aus rechtlicher Sicht bewertet werden. Die PVK gab ein Gutachten zur Bewertung der rechtlichen Grundlagen bei Felix Uhlmann und Jasmina Bukovac vom Zentrum für Rechtsetzungslehre der Universität Zürich (ZfR) in Auftrag.
Die Ergebnisse der Evaluation der PVK flossen gemeinsam mit der Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der GPK über die Hochseeschifffahrts-Bürgschaften (Bundesrat 2018) in den Bericht der GPK des Nationalrates (GPK-N) vom 19. November 2019 ein (GPK-N 2019). Der Bundesrat nahm am 20. Mai 2020 Stellung zu den Empfehlungen der GPK-N (Bundesrat 2020).
Der vorliegende Beitrag stellt die wesentlichen Erkenntnisse aus der Evaluation der PVK zu den Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen und dem zugehörigen Rechtsgutachten dar. Im anschliessenden Abschnitt werden die rechtlichen Grundzüge von Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen sowie von formlosen Untersuchungen vorgestellt. Im dritten Abschnitt werden die Abgrenzung zwischen den Verfahren und der Entscheid über die Verfahrensart diskutiert. Die rechtlichen Auswirkungen einer Verfahrenswahl werden im vierten Abschnitt beurteilt. Ein besonderes Augenmerk wird im fünften bzw. sechsten Abschnitt auf die Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans und die Verjährungsproblematik bei Disziplinaruntersuchungen gelegt. Bei den jeweiligen Abschnitten werden die Erkenntnisse aus dem Rechtsgutachten und der Analyse ausgewählter Fälle durch die PVK vorgestellt. Schliesslich wird dieser Beitrag mit den gezogenen Schlussfolgerungen abgerundet, die auch einen Ausblick auf den rechtlichen und praktischen Anpassungsbedarf erlauben.
Die Administrativuntersuchung wird in den Artikeln 27a–27j RVOV geregelt. Sie dient der Abklärung eines Sachverhalts, der im öffentlichen Interesse ein Einschreiten von Amtes wegen erfordert (Art. 27a Abs. 1 RVOV). Als öffentliches Interesse wird namentlich der gute Gang der Verwaltung betrachtet (Erläuternder Bericht 2004, 2). Dieser kann beispielsweise beeinträchtigt sein, wenn die Rechtmässigkeit von gewissen Abläufen oder Vorkommnissen in der Verwaltungseinheit bezweifelt wird. Die Administrativuntersuchung richtet sich nach der gesetzlichen Bestimmung explizit nicht gegen bestimmte Personen (Art. 27a Abs. 2 RVOV). Ihre Durchführung erfolgt hauptsächlich nach den Grundsätzen des VwVG (Art. 27g RVOV). Die Administrativuntersuchung mündet in einen schriftlichen Bericht, der die Ergebnisse der Untersuchung darstellt und Vorschläge für das weitere Verfahren unterbreitet (Art. 27j Abs. 2 RVOV). Ihre Ergebnisse können Anlass zur Einleitung anderer (personalrechtlicher) Verfahren geben (Abs. 5). Zu denken ist dabei an haftungs- oder strafrechtliche Verfahren oder Disziplinaruntersuchungen (vgl. Brägger 2017, 46 f.; für Verwaltungs- und Disziplinarverfahren siehe Urteil BVGer A-6805/2009 vom 9. September 2010 E. 2.3.1).
Die Disziplinaruntersuchung wird in den Artikeln 25 und 34–36 BPG und in den Artikeln 98–103a BPV geregelt. Mittels dieser Untersuchung kann abgeklärt werden, ob eine Person ihre arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt hat und ob gegen sie gegebenenfalls Disziplinarmassnahmen, beispielsweise eine Verwarnung oder Lohnkürzung, angeordnet werden können (Art. 99 BPV). Das erstinstanzliche Disziplinarverfahren richtet sich nach dem VwVG (Art. 98 Abs. 2 BPV) und endet mit einer Vereinbarung oder Verfügung (Art. 34 Abs. 1 BPG).
Die formlose Untersuchung wird in den Artikeln 16 und 24–26 RVOV geregelt. Sie dient der Aufsicht über die Erfüllung der verfassungsmässigen und gesetzlichen Aufgaben und ist umfassend (Art. 24 Abs. 1 f. RVOV). Eine Abklärung ist folglich weder sachlich noch zeitlich begrenzt (Rüdy 2013, 121). Die Durchführung der formlosen Untersuchung richtet sich nach dem Hierarchieprinzip in der Verwaltung (Art. 8 Abs. 3 RVOG), wonach der vorgesetzten Stelle eine Weisungsbefugnis zusteht (zum Hierarchieprinzip siehe Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 1569 ff. und zur formlosen Untersuchung allg. Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 19 ff.). Sie kann mit einer Massnahme enden, die im Rahmen der Leitungs- und Führungsfunktion angeordnet werden kann (zu den Massnahmen siehe Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 1575 f.).
Eine grosse Herausforderung bildet die korrekte Wahl der Verfahrensart, denn eine klare Abgrenzung der verschiedenen Verfahren ist sowohl aus rechtlicher als auch aus praktischer Sicht schwierig. Nachfolgend soll auf die sich aus den Abgrenzungsschwierigkeiten ergebenden Herausforderungen eingegangen werden.
Eine formlose Untersuchung kann im Rahmen der Verwaltungsaufsicht von der vorgesetzten Stelle durchgeführt werden (Art. 24 ff. RVOV). Diese Aufsichts- und Kontrollfunktion ist der Verwaltungsorganisation, die nach dem Hierarchieprinzip erfolgt, inhärent (vgl. Bundesrat 2020, 4760). Bei Zweifel über administrative Abläufe oder bei der Annahme von arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen kann aber eine formelle Administrativ- bzw. Disziplinaruntersuchung angezeigt sein (zur Signalwirkung einer Administrativuntersuchung siehe Keller 1999, 25 f.; Uster 2017, 55 f.). Die gesetzlichen Grundlagen determinieren keine klare Regelung bezüglich der Wahl der Verfahrensart. Den Behörden wird beim Entscheid über die Verfahrensart daher ein beträchtlicher Ermessensspielraum eingeräumt (Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 24).
Das Gesetz liefert eine vermeintlich klare Abgrenzung zwischen den beiden formalisierten Verfahren: Die Administrativuntersuchung richtet sich, im Vergleich zur Disziplinaruntersuchung, nicht gegen bestimmte Personen (Art. 27a Abs. 2 RVOV). Eine Administrativuntersuchung darf nicht angeordnet werden, um die Verfahrensgarantien des Disziplinarrechts zu umgehen (Erläuternder Bericht 2004, 2). Die traditionelle Differenzierung zwischen Administrativ- und Disziplinaruntersuchung wird in Lehre und Rechtsprechung allerdings kritisiert, da im Rahmen einer Administrativuntersuchung nicht immer eine reine Sachverhaltsabklärung stattfinden kann, sondern vielmehr auch das disziplinarische bzw. strafrechtliche Verhalten bestimmter Personen zu klären ist (Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.8.1, m.V.a. Urteil BVGer A-8073/2015 vom 13. Juli 2016 E. 5.2.3; Rüdy 2013, 120 f.; Spühler 2004, 39 f.; Jost 2004, 83 f.; vgl. aber noch Urteil BGer 1A.137/2004 vom 25. Juni 2004 E. 1; Thurnherr 2013, Rz. 856; Brägger 2017, 46). Diese Ansicht ist vertretbar, denn Fehler werden in der Regel durch Menschen begangen (Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 26). Denkbar ist, dass die Behörden bei der Eröffnung einer Disziplinaruntersuchung Zurückhaltung walten lassen, da diese von den Betroffenen als Vorverurteilung empfunden werden kann (vgl. Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 32). Gleichzeitig könnte die Disziplinaruntersuchung als Druckmittel eingesetzt werden (Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 25). Möglich ist auch, dass erst eine Administrativuntersuchung Hinweise auf das Fehlverhalten von bestimmten Personen gibt (Helbling 2013, Art. 25 Rz. 24), denen im Rahmen einer anschliessenden Disziplinaruntersuchung nachzugehen ist.
Zur Bewertung der Anwendungspraxis hat die PVK die Departemente auf schriftlichem Weg befragt und im Anschluss Fälle basierend auf den Unterlagen der Untersuchung und anhand von Interviews analysiert. Die PVK wählte aufgrund verschiedener Kriterien insgesamt 18 Untersuchungen (6 Administrativ- und 12 Disziplinaruntersuchungen) für Fallstudien aus. In die Auswahl hat die PVK Fälle aus allen Departementen einbezogen, die nach dem 1. Januar 2016 abgeschlossen wurden. Für die PVK waren die Entscheide für das eine oder andere formale Verfahren bei den analysierten Fällen nicht immer nachvollziehbar, wobei insbesondere die Anordnung einzelner Administrativuntersuchungen problematisch erschien (PVK 2019, 1697). So standen bei zwei von sechs Administrativuntersuchungen von Beginn weg Personen im Zentrum. Eine dieser Anordnungen wurde damit begründet, dass bei belastenden Erkenntnissen im Anschluss eine Disziplinaruntersuchung gegen die im Fokus stehende Person durchgeführt werden könne. Eine weitere Anordnung einer Administrativuntersuchung wurde kritisch beurteilt, da die Person, deren Verhalten für die Untersuchung ausschlaggebend war, schon vorher ermahnt und freigestellt worden war. Die Problematik einer auf Personen ausgerichteten Administrativuntersuchung hatte sich auch bereits im «Insieme»-Skandal gezeigt (Rüdy 2013, 121).
Bei den Disziplinaruntersuchungen wurde nur eine Anordnung von der PVK als unangemessen bewertet, da die zentralen Vorkommnisse nur vordergründig eine spezifische Person, aber tatsächlich organisatorische Abläufe betrafen. Zudem war zum Zeitpunkt der Anordnung der Fall bereits verjährt, wodurch keine Disziplinarmassnahmen hätten verfügt werden können (PVK 2019, 1698).
Die drei Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich der Durchführung und dem Abschluss der Untersuchung. Nachfolgend werden die zur Anwendung kommenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen bei den jeweiligen Verfahrensarten besprochen. Darin eingeschlossen ist die Frage des Rechtsschutzes. Ein besonderes Augenmerk wird auf die grundlegenden Verfahrensgarantien (Anspruch auf rechtliches Gehör) gelegt, und es wird auf die Betroffenheit der Personen bei den formalisierten Verfahren eingegangen, die vonnöten ist, um sich auf diesen Anspruch berufen zu können.
Das erstinstanzliche Disziplinarverfahren richtet sich nach dem VwVG (Art. 1 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 34 ff. BPG und Art. 98 ff. BPV). Die Anwendung des VwVG räumt denjenigen Personen Parteistellung ein, deren Rechte und Pflichten durch die Verfügung berührt werden (Art. 6 VwVG; Kommentar VwVG-Häner 2019, Art. 6 Rz. 5, mit Nachweisen). Betroffene Personen nehmen damit an der Sachverhaltsfeststellung teil (Art. 13 VwVG, Mitwirkungspflicht), ihnen wird die Akteneinsicht gewährt (Art. 26 ff. VwVG), und sie haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 ff. VwVG). Eine Disziplinaruntersuchung kann mittels Vereinbarung oder Verfügung abgeschlossen werden (Art. 34 Abs. 1 BPG), womit Massnahmen gegen die verantwortlichen Personen angeordnet werden (können). Die Disziplinarmassnahmen können in einer Verwarnung, Änderung des Aufgabenkreises, Lohnkürzung, Busse, Änderung der Arbeitszeit oder des Arbeitsortes bestehen (Art. 99 BPV). Bei Disziplinarverfahren, die im Erlass einer Verfügung münden, sind die betroffenen Personen davor anzuhören (Art. 30 Abs. 1 VwVG). Das rechtliche Gehör wird auch bei einem einvernehmlichen Abschluss durch die Einigungsbemühungen gewahrt (Bürgi/Bürgi-Schneider 2017, Kapitel 1, § 8 Rz. 247). Die mit Verfügung eröffnete Disziplinarmassnahme kann mit Beschwerde angefochten werden (Art. 36 Abs. 1 BPG; Helbling 2013, Art. 25 Rz. 36; Hänni 2017, Rz. 308), während eine einvernehmlich vereinbarte Massnahme nur wegen Willensmängel anfechtbar ist (Helbling 2013, Art. 25 Rz. 36; Hänni 2017, Fn. 831).
Anders gelagert ist die Stellung der betroffenen Personen hingegen im Rahmen einer formlosen Untersuchung bzw. einer Administrativuntersuchung. Bei formlosen Untersuchungen sind die Prinzipien des rechtsstaatlichen Handelns (Art. 5 BV) ebenfalls einzuhalten (Bundesrat 2020, 4760; Gutachten, VPB 67.100, Rz. 7 f.). Es können Massnahmen zur Behebung jeglicher Fehlentwicklungen administrativer oder persönlicher Art ergriffen werden (Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 1575 f. und Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 23). Wird eine Kündigung oder ein anderer Eingriff in die Rechtstellung der betroffenen Person als Massnahme angeordnet, hat dies in Form einer Verfügung zu erfolgen.
Die Durchführung der Administrativuntersuchung – die grundsätzlich der Aufklärung eines Sachverhalts dient – erfolgt zwar nach den Grundsätzen des VwVG, jedoch stellt sie kein eigentliches Verwaltungsverfahren dar (vgl. Praxiskommentar VwVG-Weissenberger/Hirzel 2016, Art. 14 Rz. 53; siehe auch Urteil BVGer A-8073/2015 vom 13. Juli 2016 E. 5.2.2). Die betroffenen Personen haben im Rahmen ihrer Befragungen lediglich die Stellung von Auskunftspersonen (BGE 129 I 249 E. 5.4 S. 261); sie gelten nicht als Parteien (vgl. Brägger 2017, 45; Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 34). Eine Administrativuntersuchung wird mit einem Bericht abgeschlossen (Art. 27j Abs. 1 f. RVOV). Diesem kommt gegenüber den Betroffenen grundlegend keine direkte rechtliche Wirkung zu (Urteil BGer 1A.137/2004 vom 25. Juni 2004 E. 1; Urteil BVGer A-6805/2009 vom 9. September 2010 E. 2.3.1; Bacher 1999, 11; Brägger 2017, 45; Thurnherr 2013, Rz. 160). Der Abschluss einer Administrativuntersuchung kann allerdings wesentliche Konsequenzen für die betroffenen Personen haben (Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 35). Die Ergebnisse einer Administrativuntersuchung können nämlich Anlass zur Einleitung anderer, insbesondere personalrechtlicher Verfahren geben (Art. 27j Abs. 5 RVOV).
Der Abschlussbericht der Administrativuntersuchung stellt ein öffentliches Dokument i.S.v. Art. 5 BGÖ dar (Urteil BVGer A-8073/2015 vom 13. Juli 2016 E. 5.3), wodurch es der Öffentlichkeit zugänglich ist (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 BGÖ). Betroffene Personen müssen bei einer Veröffentlichung daher nicht zuletzt mit der Gefahr einer Rufschädigung und der öffentlichen Vorverurteilung rechnen. Es stellt sich folglich die berechtigte Frage, ob betroffenen Personen im Rahmen einer Administrativuntersuchung Rechtsschutz gewährt wird. «Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht ein Anspruch auf rechtliches Gehör […] immer dann, wenn ein Hoheitsakt unmittelbar die Rechtsstellung eines Einzelnen berührt […], d.h. dieser Partei eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens ist» (BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236, mit Nachweisen). Dies ist unstrittig bei Verfahren, die mittels Verfügung beendet werden (Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.6), wie dies bei der Disziplinaruntersuchung der Fall ist. Eine Administrativuntersuchung wird allerdings nicht mittels Verfügung, sondern mittels eines Berichtes abgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Administrativuntersuchung unlängst als Realakt i.S.v. Artikel 25a VwVG qualifiziert (Zwischenentscheid BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 14. Mai 2018 E. 4.3.4.4, mit Nachweisen). Realakte stellen tatsächliches Verwaltungshandeln dar, das nicht unmittelbar auf eine Rechtswirkung ausgerichtet ist (Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 847) und daher grundsätzlich kein taugliches Anfechtungsobjekt in einem Beschwerdeverfahren bildet (vgl. Art. 31 VGG). Dieses Verwaltungshandeln kann aber mittelbare Rechtswirkungen zeitigen. Der Rechtsschutz gegen Realakte wird dann nur über einen Umweg gewährt (Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 847, 1429 ff.). Nach Artikel 25a VwVG haben die betroffenen Personen «das Recht auf ein eigenständiges, nachgeschaltetes Verwaltungsverfahren […], das in eine Verfügung über den beanstandeten Realakt und entsprechend in ein Verwaltungsverhältnis mündet» (BGE 136 V 156 E. 4.2 S. 160, mit Nachweisen).
In Lehre und Rechtsprechung wird – aus unserer Sicht zutreffend – die Ansicht vertreten, dass den betroffenen Personen nicht erst nach Beendigung der Administrativuntersuchung, sondern gestützt auf Artikel 29 Absatz 2 BV bereits während deren Durchführung ein Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt werden sollte (Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.7 ff., mit Nachweisen für die Lehrmeinungen). Begründet wird diese Ansicht damit, dass ein nachgeschaltetes Verwaltungsverfahren nicht immer einen wirksamen Gehörsanspruch gewährleisten kann (Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.9; Häfelin/Müller/Uhlmann 2020, Rz. 1438, mit Hinweisen). Zudem wird in der Regel bei den Folgeverfahren auf den Sachverhalt abgestellt, wie er im Rahmen einer Administrativuntersuchung festgestellt wurde (Uster 2017, 61). Es ist daher ohnehin angezeigt, dass die Administrativuntersuchung unter Wahrung der Verfahrensgrundsätze des VwVG durchgeführt wird (vgl. Urteil BVGer A-6805/2009 vom 9. September 2010 E. 2.3.1, mit Verweis auf das Gutachten, VPB 67.100; vgl. auch Schmid 2004, 62 ff.). Dies verdeutlichte ein von der PVK analysierter Fall, in dem im Rahmen einer Administrativuntersuchung geführte Gespräche nicht ordentlich protokolliert wurden, was in einer nachgelagerten Disziplinaruntersuchung kritisiert wurde (PVK 2019, 1708).
Werden Personen Parteirechte eingeräumt, hat dies zur Folge, dass ihnen sämtliche Parteirechte (aber auch Parteipflichten) zukommen (Kommentar VwVG-Häner 2019, Art. 6 Rz. 14 ff., mit Nachweisen). Zu den grundlegenden Verfahrensgarantien gehört der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; für das Verwaltungsverfahren Art. 29 ff. VwVG). Unter anderem umfasst es das Recht auf Teilnahme am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheidfindung. Der Gehörsanspruch dient damit in Ergänzung des Untersuchungsgrundsatzes der Sachaufklärung und räumt den Parteien ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht ein (Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.3.1; vgl. auch Praxiskommentar VwVG-Waldmann/Bickel 2016, Art. 29 Rz. 21 ff.).
Von besonderer Bedeutung für die von einer Untersuchung betroffene Person sind die Mitwirkungsrechte bei der Orientierung über das Verfahren, der Akteneinsicht und der Möglichkeit zur Stellungnahme (vgl. zu diesen und weiteren Mitwirkungsrechten Urteil BVGer A-6908/2017 und A-7102/2017 vom 27. August 2019 E. 5.3.1, mit Nachweisen; zur rechtzeitigen Orientierung siehe BGE 139 I 206 E. 3.2 S. 214).
Ein Vergleich zwischen den formalisierten Untersuchungen zeigt wiederum Unterschiede hinsichtlich der Betroffenheit auf, wodurch die Behörden in der Praxis vor weitere Herausforderungen gestellt werden. Während bei einer Disziplinaruntersuchung aufgrund des materiellen Adressaten einer Verfügung (siehe zum Verfügungsadressaten Kommentar VwVG-Häner 2019, Art. 6 Rz. 5, mit Nachweisen) klar ist, wer als betroffene Person qualifiziert ist und die grundlegenden Verfahrensgarantien beanspruchen kann, bedarf es bei der Administrativuntersuchung weiterer Abklärungen. Artikel 27g Absätze 4 und 5 RVOV gewährt den einbezogenen Behörden und Personen Gelegenheit, alle Akten, die sie betreffen, einzusehen und dazu Stellung zu nehmen, sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör. Bezüglich der «Betroffenheit» bleibt aber jeweils offen, ob der Parteibegriff nach Artikel 6 VwVG mindestens sinngemäss herangezogen werden kann oder ob sich ein selbstständiges Verständnis aufdrängt. Bereits bei der Eröffnung der Administrativuntersuchung stellt sich die Frage, welche Beziehungsnähe «die betroffenen Verwaltungsstellen», aber auch die betroffenen Personen haben müssen, damit sie über das Verfahren orientiert werden (vgl. Art. 27f Abs. 1 RVOV; hierzu Uhlmann/Bukovac 2019, Rz. 29).
Während die GPK bei der Administrativuntersuchung zu den Hochseeschifffahrts-Bürgschaften (GPK 2018, 6264) einen zu engen Kreis an befragten Personen monierte, konnten bei der Festlegung des Kreises der betroffenen Personen im Rahmen der von der PVK analysierten Untersuchungen hingegen kaum Probleme festgestellt werden. Die betroffenen Personen und Verwaltungseinheiten wurden immer über die Untersuchungseröffnung orientiert (PVK 2019, 1701 f.). Bei der Hälfte der Administrativuntersuchungen und bei einem Viertel der Disziplinaruntersuchungen fehlte im Ankündigungsschreiben jedoch der explizite Hinweis auf die Rechte der Betroffenen. Die betroffenen Personen mussten diese folglich selbst nachschlagen, was die PVK mit Blick auf den Anspruch auf ein faires Verfahren als unangemessen bewertet. Erst bei einer Anhörung erfolgte in der Regel eine ausführliche Information über die Verfahrensrechte. Dies kann beispielweise den rechtzeitigen Beizug einer Rechtsvertretung erschweren, was eine Untersuchung in die Länge ziehen kann (PVK 2019, 1721). Dies ist speziell bei der Disziplinaruntersuchung mit Blick auf die kurze Verjährungsfrist als kritisch zu bewerten. Bei Administrativuntersuchungen stellt die späte Aufklärung der Betroffenen über ihre Rechte ein Problem dar, weil die Informationen aus Administrativuntersuchungen auch für nachgelagerte Disziplinaruntersuchungen genutzt werden können.
Das Recht auf Akteneinsicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs gewährt einer Partei – so auch im Rahmen einer Disziplinaruntersuchung – grundsätzlich den Anspruch, in alle Akten des Verfahrens Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern (allgemein zum Umfang des Akteneinsichtsrechts siehe Kommentar VwVG-Brunner 2019, Art. 26 Rz. 31 ff. und für den Anspruch auf Akteneinsicht nach dem DSG bzw. BGÖ Rz. 3 ff.). Artikel 27g Absatz 4 RVOV verweist für die Administrativuntersuchung explizit auf die Bestimmungen des VwVG (Kommentar VwVG-Brunner 2019, Art. 26 Rz. 18, mit Hinweisen). Eine Administrativuntersuchung kann eine Komplexität erreichen, die regelmässig nicht den Einbezug betroffener Personen in allen Bereichen ermöglicht, weshalb Betroffene auch nur differenziert einzubeziehen sind (Uhlmann/Bukovac 2020, 362). Es muss stets eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Die Herausforderung besteht darin, das Recht auf Akteneinsicht zu gewähren und möglichst niemandem zu schaden, da die Akteneinsicht auch die Bekanntgabe von Personen sowie von deren zum Teil belastenden Aussagen umfasst (vgl. Kommentar VwVG-Sutter 2019, Art. 30 Rz. 1, mit Nachweisen). Berechtigte Interessen der Behörden (z.B. interner Entscheidprozess) oder Dritter (z.B. Persönlichkeitsschutz) gegen die Akteneinsicht können im Übrigen auch bei einer Disziplinaruntersuchung vorliegen.
Verschiedene Untersuchungsorgane wiesen gegenüber der PVK insbesondere bei Administrativuntersuchungen auf Schwierigkeiten hinsichtlich des Umfangs des Rechts auf Akteneinsicht hin. Tendenziell wird in der Praxis der Umfang der Akteneinsicht von den Untersuchungsorganen auf ein Minimum beschränkt (PVK 2019, 1712 f.). In zwei Verwaltungseinheiten stellte die PVK eine problematische Praxis beim Abschluss von Disziplinaruntersuchungen fest: Die betroffenen Personen wurden zwar über das Verfahren orientiert sowie angehört, und die Untersuchung wurde mit einer Verfügung abgeschlossen, die Untersuchungsberichte wurden den Betroffenen jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Diese dienten nur intern seitens der anordnenden Stelle als Grundlage für die Verfügung. Da die Betroffenen nichts über das Vorliegen eines Berichtes wussten, forderten sie diesen auch nicht zur Einsicht ein. Eine der beiden Verwaltungseinheiten hat gegenüber der PVK klar zum Ausdruck gebracht, dass die Berichte auch auf Anfrage nicht offengelegt werden. Das Zurückhalten dieser Informationen kann dann besonders problematisch sein, wenn die Disziplinarmassnahmen von den Empfehlungen des Berichtes abweichen, wie dies die PVK in einem Fall feststellte.
Die Klärung von Vorkommnissen in einer Verwaltungseinheit ist grundsätzlich die Aufgabe der vorgesetzten Stelle, gleichzeitig stellt die Unabhängigkeit des Untersuchungsorgans ein zentrales Element für die Glaubwürdigkeit der Untersuchungsergebnisse dar. Bei den formalisierten Verfahren finden sich zum Untersuchungsorgan unterschiedliche Vorgaben.
Für die Administrativuntersuchung regelt Artikel 27c RVOV, durch welche Stelle sie angeordnet werden kann. Die anordnende Stelle kann ihre Zuständigkeit an die ihr unterstellten Verwaltungseinheiten delegieren (vgl. Erläuternder Bericht 2004, 3). Mit der Administrativuntersuchung sind Personen zu betrauen, die sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht über die notwendige Unabhängigkeit verfügen und die erforderlichen fachlichen Qualifikationen erfüllen (Art. 27d Abs. 1 RVOV). Die Untersuchung kann Personen ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen werden. Eine solche Person handelt als Beauftragte der anordnenden Stelle (Abs. 2).
Zur Ausführung ihres Auftrages können die Untersuchungsorgane im Rahmen ihres Auftrages Weisungen erlassen. Eine Verfügungskompetenz kommt ihnen aber nicht zu (Art. 27d Abs. 3 RVOV). Artikel 27d Absatz 4 RVOV verweist auf die Bestimmungen über den Ausstand gemäss Artikel 10 VwVG.
Die Durchführung einer Disziplinaruntersuchung kann ebenfalls Personen ausserhalb der Bundesverwaltung übertragen werden (Art. 98 Abs. 1 zweiter Satz BPV). Untersuchungsbeauftragte einer Disziplinaruntersuchung können mangels gesetzlicher Grundlage ebenfalls keine Verfügungen i.S.v. Art. 5 VwVG erlassen (Urteil BVGer A-3612/2019 vom 29. Juli 2019 E. 4.2.7.2, mit Hinweisen; das Bundesgericht trat auf die Beschwerde der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft mangels Beschwerdelegitimation nicht ein [Urteil BGer 8C_551/2019 vom 10. Januar 2020 E. 3]). Das erstinstanzliche Disziplinarverfahren richtet sich nach dem VwVG (Art. 98 Abs. 2 BPV), weshalb auch hier die Bestimmung über den Ausstand zur Anwendung kommt.
Bei der formlosen Untersuchung ist hingegen die Übertragung der Durchführung auf externe Personen nicht vorgesehen (vgl. Rüdy 2013, 121). Mit der Kontrolle als Instrument der Aufsicht sind in der Regel immerhin besondere Stellen befasst, die von der kontrollierten Verwaltungseinheit unabhängig sind (Art. 25 RVOV). Nicht von der Hand zu weisen ist, dass hier die Gefahr der Befangenheit des eigenen Verwaltungspersonals gegeben ist (Bacher 1999, 2 f.). Jedenfalls kann der Bundesrat eine entsprechende Projektorganisation einsetzen (Art. 56 RVOG) oder eine externe Beratung (Art. 57 RVOG) beiziehen (Art. 26 RVOV).
Es stellt sich die Frage, ob sich die betroffenen Personen gegen die Einsetzung eines bestimmten Untersuchungsorgans wehren können, wenn sie es als befangen wahrnehmen. Der Entscheid über die Rüge der Befangenheit stellt in einem Verfügungsverfahren typischerweise eine anfechtbare Zwischenverfügung dar (Art. 45 VwVG). Eine verspätete Rüge der Befangenheit wird als Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben betrachtet (Praxiskommentar VwVG-Breitenmoser/Spori Fedail 2016, Art. 10 Rz. 104, mit Nachweisen) und führt zur Verwirkung des Anfechtungsrechts (Praxiskommentar VwVG-Uhlmann/Wälle-Bär 2016, Art. 45 Rz. 22, mit Nachweisen). Selbstständig eröffnete Zwischenverfügungen über Ausstandsbegehren können später auch nicht mehr angefochten werden (Art. 45 Abs. 2 VwVG). Eine Anfechtungsmöglichkeit besteht bei der Einsetzung eines Untersuchungsorgans bei einer Disziplinaruntersuchung (vgl. Art. 98 Abs. 2 BPV). Wie oben dargelegt, kann die Durchführung einer Administrativuntersuchung schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen haben, was den Bedarf von Rechtsschutz verstärkt. Die Einsetzung eines Untersuchungsorgans stellt nach unserer Ansicht gegenüber Dritten einen Realakt i.S.v. Artikel 25a VwVG dar (Uhlmann/Bukovac 2020, 367). Es sollte daher auch bei einer Administrativuntersuchung und bei einer formlosen Untersuchung möglich sein, ein Ausstandsbegehren zu stellen.
Während die analysierten Administrativuntersuchungen mehrheitlich extern durchgeführt wurden, waren für Disziplinaruntersuchungen meist Personen aus dem internen Rechtsdienst einer Verwaltungseinheit zuständig. Da sich die Aufgabenbereiche der Rechtsdienste mit jenen der betroffenen Personen in den untersuchten Fällen meist nicht überschnitten, war die nötige Unabhängigkeit auf dem Papier gegeben (PVK 2019, 1703). Heikel ist eine solche Konstellation dann, wenn, wie im Falle der Disziplinaruntersuchung gegen den Oberfeldarzt der Armee, das Untersuchungsorgan als Partei im Verfahren wahrgenommen wird (GPK-N 2018, 1286). Eine zu geringe Unabhängigkeit hat die PVK in einem Fall festgestellt, in dem die auslösende Stelle die Würdigung des Sachverhalts des Untersuchungsorgans beeinflusst hat, um danach die aus ihrer Sicht passende Disziplinarmassnahme aussprechen zu können (PVK 2019, 1705).
Auch extern durchgeführte Untersuchungen können Fragen der Unabhängigkeit aufwerfen. Beispielsweise lastete die GPK in ihrer Inspektion der Bürgschaften für die schweizerischen Hochseeschiffe der Eidgenössischen Finanzkontrolle als Untersuchungsorgan eine gewisse Befangenheit an, weil sie in einer früheren Prüfung bei derselben Verwaltungseinheit im untersuchten Themenbereich tätig war (GPK 2018, 6265). Im Rahmen der Evaluation hat die PVK keine ähnlichen Konstellationen und keine Einschränkungen der Unabhängigkeit bei externen Untersuchungsorganen festgestellt (PVK 2019, 1703).
Bei der Disziplinaruntersuchung bringt die relativ kurze Verjährungsfrist weitere Herausforderungen für die anordnenden Stellen und die Untersuchungsorgane mit sich: Sie müssen sich so rasch als möglich für das richtige Verfahren entscheiden und die Untersuchung zügig durchführen, um zu verhindern, dass aufgrund des verjährten Sachverhalts keine Massnahmen mehr verhängt werden können.
Die disziplinarische Verantwortlichkeit verjährt ein Jahr nach Entdeckung der arbeitsrechtlichen Pflichtverletzung und spätestens drei Jahre nach der letzten Verletzung dieser Pflichten (absolute Verjährung, Art. 100 Abs. 1 BPV). Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald ein hinreichend begründeter Verdacht der Verletzung vorhanden ist (so bereits BGE 105 Ib 69 E. 2a S. 71). Diese kurze Frist – die durch das Einleiten einer Disziplinaruntersuchung nicht etwa stillsteht – unterstreicht den disziplinarischen Charakter der Disziplinaruntersuchung und der Massnahmen, wodurch eine Verhaltensänderung erreicht werden soll. Sie erfordert aber auch, dass die betroffenen Personen bereits zu einem frühen Zeitpunkt über ihre Rechte informiert werden. Dadurch kann dem Problem entgegengewirkt werden, dass eine späte Geltendmachung des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Verfahren verzögert und eine Verjährung droht.
Die Verjährung ruht zwar, solange zum gleichen Sachverhalt ein Strafverfahren durchgeführt wird (Art. 100 Abs. 2 BPV), straf- und verwaltungsrechtliche Verfahren können sich aber gegenseitig beeinträchtigen und so zu einem veritablen Patt führen (zur Pattsituation siehe Uhlmann/Bukovac 2020, 370, mit Nachweisen und Beispielen). Es kann in Frage gestellt werden, ob dann der disziplinarische Charakter allfälliger Massnahmen aus einer Disziplinaruntersuchung noch gewahrt ist.
Die meisten von der PVK untersuchten Disziplinaruntersuchungen wurden in einer Zeitspanne von einem bis fünf Monaten abgeschlossen. In zwei Fällen wurden auch nach einer länger als ein Jahr dauernden Untersuchung, d.h. nach Ablauf der Verjährungsfrist, Massnahmen verfügt (PVK 2019, 1718). Begründet wurde die lange Dauer der Untersuchungen mit den umfangreichen Abklärungen, die nötig waren, und mit der Arbeitsbelastung des untersuchungsleitenden Rechtsdienstes, der die Untersuchung nicht immer prioritär behandeln konnte. Mit Blick in die Unterlagen stellte die PVK aber auch längere Pausen in der Untersuchung, respektive einen späten Einbezug der betroffenen Person fest. Rekurriert wurde gegen die Verfügungen – wie auch in weiteren Fällen, die rechtzeitig abgeschlossen wurden – trotzdem nicht. Als Grund gaben die betroffenen Personen an, dass sie das Verhältnis zum Arbeitgeber nicht zusätzlich belasten wollten (PVK 2019, 1717).
Aufgrund der Verjährungsfrist ist bei Disziplinaruntersuchungen somit an das Untersuchungsorgan die Anforderung zu stellen, dass es die Untersuchung prioritär behandelt. Bei knappen internen Ressourcen ist eine Externalisierung der Aufgabe daher prüfenswert.
Die teils groben Verfahrensfehler in einigen publik gewordenen Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen veranlassten die GPK-N, die Thematik systematisch untersuchen zu lassen. Die Evaluation führte zutage, dass es sich dabei nicht um systematische Mängel bei den Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen in der Bundesverwaltung handelt, die Verfahrenswahl und verfahrensrechtliche Aspekte bei den Untersuchungen jedoch eine Herausforderung darstellen.
Eine klare Abgrenzung der verschiedenen Verfahren ist sowohl aus rechtlicher als auch aus praktischer Sicht schwierig. Die gesetzlichen Bestimmungen legen die Voraussetzungen für die Wahl der einen oder anderen Verfahrensart nur bedingt fest, und so wurden Disziplinaruntersuchungen in Fällen angeordnet, in denen eine Administrativuntersuchung angemessener gewesen wäre, und umgekehrt.
Die GPK-N nahm die in der Evaluation festgestellten Probleme bei der Verfahrenswahl zur Kenntnis und empfahl dem Bundesrat, die Zweckmässigkeit der unterschiedlichen Verfahren und deren rechtliche Grundlagen zu prüfen (GPK-N 2019, 1673). Zudem sollte eine mögliche Zusammenlegung der Administrativ- und der Disziplinaruntersuchung in einem formellen Instrument geprüft werden. Der Bundesrat erachtet die Zusammenlegung der beiden formellen Verfahren, insbesondere mit Blick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten, als prüfenswert (Bundesrat 2020, 4762).
Die Wahl der Verfahrensart kann wesentliche Auswirkungen auf die Durchführung bzw. den Abschluss der Untersuchung haben. Während bei einer Disziplinaruntersuchung betroffene Personen Parteistellung zugesprochen erhalten, ist dies bei einer formlosen Untersuchung und bei einer Administrativuntersuchung nicht eindeutig. Wir vertreten die Ansicht, dass die betroffenen Personen im Rahmen einer Administrativuntersuchung ebenfalls Anspruch auf rechtliches Gehör haben. Jedoch ist die Betroffenheit nicht in allen Fällen und von Beginn einer Untersuchung an eindeutig. Die Mitwirkungsrechte gilt es sowohl bei einer Disziplinaruntersuchung als auch bei einer Administrativuntersuchung oder formlosen Untersuchung in jedem Einzelfall zu eruieren. In der Evaluation der PVK zeigten sich zudem Defizite bei der Orientierung der betroffenen Personen über ihre Rechte. Allgemein ist auch die Akteneinsicht für die Untersuchungsorgane oftmals herausfordernd.
Die Bestimmungen zur Unabhängigkeit der Untersuchungsorgane und die Verjährung stellen unserer Ansicht nach aus rechtlicher Sicht grundsätzlich keine Schwierigkeiten dar. In der Praxis wurde hingegen festgestellt, dass diesen rechtlichen Vorgaben bei Disziplinaruntersuchungen nicht immer die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. So wurden beispielsweise disziplinarische Massnahmen trotz allfälliger Verjährung verfügt, was rechtlich fragwürdig ist.
Aufgrund der erwähnten Herausforderungen – als Resultat der rechtlich teilweise unklaren Regelungen – und der darauf zurückzuführenden unrechtmässig gewählten Vorgehensweisen kam die PVK zum Ergebnis, dass verschiedentlich das nötige Wissen über die Verfahren nur begrenzt vorhanden ist (PVK 2019, 1722). Bestätigt wird dies auch durch den nur sehr beschränkten Austausch zwischen den Verwaltungseinheiten und Departementen zu diesen Verfahren wie auch dem geringen Stellenwert der Thematik in der Weiterbildung für Führungskräfte und HR-Fachleute (PVK 2019, 1710 f.).
Die GPK-N forderte den Bundesrat in einer Motion (Motion GPK-N [19.4390]) auf, entsprechende Anlaufstellen zu bezeichnen, die über die erforderlichen Kenntnisse bezüglich Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen verfügen, Rechtsauskünfte erteilen und die Verwaltungsstellen beraten können (GPK-N 2019, 1676). Daneben formulierte die Kommission eine Empfehlung an den Bundesrat zur Verbesserung der Wissensgrundlagen, insbesondere durch zusätzliche Hilfsmittel und die Ausbildung der relevanten Personen (GPK-N 2019, 1678). Der Bundesrat beantragte am 12. Februar 2020 Annahme der Motion und stellte in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-N in Aussicht, die Erarbeitung von Hilfsmitteln zu prüfen. Aufgrund der möglichen Anpassung oder Zusammenlegung der Verfahren verzichtet er zum jetzigen Zeitpunkt jedoch auf einen Ausbau der Aus- und Weiterbildung zur Thematik (Bundesrat 2020, 4763 ff.). Es wird somit zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen sein, inwiefern die rechtlichen und praktischen Herausforderungen im Umgang mit Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen gelöst wurden.
Jasmina Bukovac, MLaw, RA, Assistentin Lehrstuhl Uhlmann, Universität Zürich, E-Mail: jasmina.bukovac@rwi.uzh.ch.
Felix Strebel, Dr. phil., Stv. Leiter Parlamentarische Verwaltungskontrolle, E-Mail: felix.strebel@parl.admin.ch.
Felix Uhlmann, Prof. Dr. iur., Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre, Universität Zürich, E-Mail: felix.uhlmann@rwi.uzh.ch.
Der vorliegende wissenschaftliche Beitrag gibt die Einschätzungen der Autorenschaft wieder und entspricht nicht zwingend derjenigen der Geschäftsprüfungskommissionen des Nationalrates als Auftraggeberin der Evaluation. Dieser Beitrag beruht auf dem zitierten Gutachten und dem Beitrag im Zentralblatt sowie auf der Evaluation der PVK.
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