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Schon seit vielen Jahren ist die Pflicht zur Publikation von Erläuterungen zu Verordnungen des Bundesrates ein Thema. Bereits im Zusammenhang mit den Arbeiten am Öffentlichkeitsgesetz (SR 152.3) vor rund 20 Jahren wurde da und dort die Erwartung geäussert, dass die Erläuterungen zu Verordnungen des Bundesrates nun umfassend zugänglich werden sollten.
Im Jahr 2011 forderten die Geschäftsprüfungskommissionen aufgrund einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle über die Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (BBl 2012 2361), dass die Ergebnisse der Vernehmlassungen und Anhörungsverfahren transparenter kommuniziert werden sollen. In der Botschaft zur Änderung des Vernehmlassungsgesetzes (VlG; SR 172.061) führte der Bundesrat in der Folge aus, dass in Umsetzung dieser Empfehlung und mit Blick auf die damals geplante Revision des Publikationsrechts die Möglichkeit geschaffen werden solle, künftig die Erläuterungen zu Bundesratsverordnungen an zentraler Stelle zu publizieren (BBl 2013 8875, 8892). Im Vordergrund stand damals und steht weiterhin das Anliegen, bei den Verordnungen im Wesentlichen die gleichen Informationen öffentlich verfügbar zu machen, wie sie nach Artikel 141 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) in den Botschaften des Bundesrates figurieren müssen. Zum einen soll die Funktion der Erläuterungen als Materialien für die Auslegung gestärkt werden, zum anderen soll mehr Transparenz geschaffen werden, insbesondere über die Auswirkungen dieser Rechtsetzungsvorhaben und über den Umgang mit den Ergebnissen von Vernehmlassungen zu Verordnungen.
In der fast gleichzeitig verabschiedeten Botschaft zur Revision des Publikationsgesetzes (PublG; SR 170.512) wurde die Thematik ebenfalls aufgenommen (BBl 2013 7057, 7085). Der – fast unverändert verabschiedete – Entwurf sah vor, dass Erläuterungen zu wichtigen Verordnungen in einem separaten Publikationsgefäss veröffentlicht werden sollen;1 dies unter dem Vorbehalt der Schaffung der technischen Voraussetzungen im Rahmen der damals laufenden Modernisierung des durch die Bundeskanzlei betriebenen Publikationssystems. Zur Frage der Veröffentlichungssprache wurde vorgesehen, dass der Bundesrat in der Verordnung Ausnahmen vom Grundsatz der Veröffentlichung in allen drei Amtssprachen festlegen kann (Art. 14 Abs. 2 PublG). Diese und weitere Bestimmungen konnten bisher noch nicht in Kraft treten, weil die technischen Voraussetzungen (insb. diejenigen für eine Publikation der Erläuterungstexte) bis im laufenden Jahr noch nicht gegeben waren.
Ebenfalls ein Thema waren Publikationsfragen im Rahmen der parlamentarischen Initiative 14.422 Aeschi «Einführung des Verordnungsvetos»: Die entsprechende Vorlage sah vor, dass die Verordnungen und die Erläuterungen dazu nach Beschluss durch den Bundesrat publiziert werden müssen. Der Ständerat ist jedoch auf den vom Nationalrat verabschiedeten Entwurf nicht eingetreten.2
Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats hat das Thema der Publikation der Erläuterungen in den letzten Jahren mehrfach wieder aufgegriffen und dazu wiederholt schriftliche Fragen zum Stand der Arbeiten an die Bundeskanzlei gerichtet.
Durch die Publikation von Erläuterungen zu wichtigen Verordnungen soll nicht nur den Forderungen seitens des Parlaments, sondern auch einem Bedürfnis aus der Praxis Rechnung getragen werden. Schon heute werden teilweise die Erläuterungen auf den jeweiligen Webseiten der Ämter publiziert. Es gibt jedoch keine einheitliche Praxis, ob, wann und wo die Erläuterungen publiziert werden.
Die Bedeutung der Publikation von Erläuterungen zu Verordnungen ist namentlich im Zusammenhang mit den Covid-19-Verordnungen besonders aktuell geworden, da der Bundesrat in hoher Kadenz komplexe Verordnungswerke verabschiedete und änderte. Der Bundesrat verpflichtete daher mit Beschluss vom 8. April 2020 die zuständigen Stellen, zu allen Covid-19-Verordnungen Erläuterungen zu publizieren, um den Adressatinnen und Adressaten Hinweise für die praktische Handhabung dieser Rechtstexte zur Verfügung zu stellen.
Aus Sicht des Parlaments, so wurde immer wieder in Diskussionen in den Kommissionen, aber auch aus Vorstössen deutlich, sollen sich die Erläuterungen den Botschaften des Bundesrates zu Gesetzesentwürfen annähern. Sie sollen sich inhaltlich an Artikel 141 ParlG orientieren und vor allem auch Informationen über die Berücksichtigung der in der Vernehmlassung erfolgten Stellungnahmen sowie zu den Auswirkungen und Kostenfolgen von Verordnungen erhalten (parlamentarische Initiative 16.500 Knecht «Verbindliche Qualitätschecks von Regulierungen bereits im Vernehmlassungsbericht»).
Im Zuge der Revision des Vernehmlassungsrechts wurde 2015 denn auch ausdrücklich in Artikel 8 Absatz 5 der Vernehmlassungsverordnung (SR 172.061.1) festgehalten, dass für die erläuternden Berichte zu Vernehmlassungsentwürfen – und damit auch zu Verordnungen, bei denen eine Vernehmlassungspflicht besteht (vgl. insb. Art. 3 Abs. 1 Bst. d und e VlG) – die Vorgaben für Inhalt und Gliederung von Botschaften des Bundesrates3 sinngemäss gelten. Inzwischen wurde dieser Grundsatz im Rahmen einer Revision des ParlG auch noch in Art. 6a VlG festgeschrieben.
Im Zuge der Revision des Publikationsgesetzes 2015 wurden Rechtsgrundlagen für die Umsetzung der Publikationspflicht für Erläuterungen zu Verordnungen geschaffen, wie oben geschildert (vgl. Ziff. 1). Zu diesem Zeitpunkt war die Publikationsplattform für das Bundesrecht technisch jedoch nicht in der Lage, eine entsprechende Erweiterung zu integrieren. Daher musste die Umsetzung aufgeschoben werden. Aufgrund von Schwierigkeiten im weiteren Projektverlauf ist es erst seit dem laufenden Jahr technisch möglich, die Erläuterungen auf der Bundesrechtsplattform4 zu publizieren.
Eine gegenwärtig noch laufende Revision der Publikationsverordnung (PublV; SR 170.512.1) soll die vorgesehene Pflicht zur Publikation der Erläuterungen zu Verordnungen abbilden (vgl. Ziff. 4). Analog zu den Botschaften zu Gesetzesentwürfen sollen die Erläuterungen zu allen wichtigen Verordnungen auf der Publikationsplattform veröffentlicht werden, wobei zur Beurteilung der «Wichtigkeit» auf die Kriterien des Vernehmlassungsrechts (vgl. Art. 3 Bst. d und e VlG) abgestellt wird. Zudem wird die Möglichkeit geschaffen, zusätzlich Erläuterungen zu Verordnungen auf der Bundesrechtsplattform zu publizieren, für welche nach den Kriterien des Vernehmlassungsrechts keine Vernehmlassungspflicht besteht. In Bezug auf die Pflicht zur Publikation von Erläuterungen zu Verordnungen wurde aus Ressourcengründen bewusst eine Minimalvariante gewählt. Im Rahmen einer Vernehmlassung sind bereits heute Erläuterungen zu erstellen, die im Hinblick auf die Publikationspflicht betreffend die definitive Fassung allenfalls nachzuführen sind, so dass sie den Stand zur Zeit der Beschlussfassung durch den Bundesrat wiedergeben.
Bei der Umsetzung steht namentlich die Frage der Übersetzung und der Qualitätskontrolle der Texte durch die federführenden Behörden im Mittelpunkt. Da es sich bei den Erläuterungen zu Verordnungen nicht um Rechtstexte handelt, sondern – nur, aber immerhin – um Materialien, sollen diese in einem eigenen «Gefäss» auf der Publikationsplattform figurieren. Damit wird namentlich die Auffindbarkeit erleichtert. Es könnten damit die ressourcenintensiven Anforderungen an die Qualitätssicherungsprozesse, die für die «amtlichen Publikationen» im engen Sinn (Amtliche Sammlung des Bundesrechts und Bundesblatt) gelten, reduziert werden. Ebenso sollen in beschränktem Rahmen Ausnahmen für die Übersetzungen vorgesehen werden.
Die anvisierten Lösungen könnten wie folgt aussehen: Die prozedurale Ausgangslage bei Erläuterungen zu Verordnungen unterscheidet sich zu derjenigen bei Botschaften. Während sich Botschaften auf den Entwurf eines Erlasses beziehen, der dem Parlament unterbreitet wird, beziehen sich die Erläuterungen zu Verordnungen auf die verabschiedete Fassung. Wie heute werden die Erläuterungen vom Bundesrat zur Kenntnis genommen. Sie sind entweder im Antrag oder in einer Beilage dazu enthalten und es wird dazu kein formeller Beschluss gefasst. Sie sind als Texte im Zuständigkeitsbereich des Departementes bzw. des Amtes zu betrachten. Die antragstellende Behörde müsste selbstverständlich die Erläuterungen wenn nötig nachführen, damit sie dem Stand nach dem Beschluss durch den Bundesrat entsprechen.
Auch wenn gewisse Verordnungserläuterungen künftig zentral auf der Publikationsplattform veröffentlicht werden, sollen sie somit weiterhin Texte im Zuständigkeitsbereich der federführenden Behörde sein und vom Bundesrat zur Kenntnis genommen, nicht aber verabschiedet werden. Das entspricht auch dem Umgang mit Erläuterungen zu Verordnungen im Zusammenhang mit Covid-19.
Da der Geltungsbereich der Publikationspflicht an diejenigen der Vernehmlassungspflicht anknüpft, bestehen in aller Regel die erläuternden Berichte, welche die Grundlagen der Erläuterungen darstellen, schon in drei Sprachen. Erfährt ein Verordnungsentwurf nach der Vernehmlassung Änderungen, sind entsprechende Anpassungen in allen Sprachen erforderlich, was gegenüber heute einen gewissen Zusatzaufwand bedingt.
Die Änderung der PublV zur Umsetzung der Publikationspflicht für Erläuterungen zu bundesrätlichen Verordnungen ist zurzeit in Erarbeitung. Sie soll dem Bundesrat im Herbst 2021 vorgelegt werden und auf den 1. Juli 2022 in Kraft treten. Mit dieser Änderung der PublV wird die Änderung des PublG von 2015 abschliessend in Kraft gesetzt.
Dr. rer. publ. Stephan C. Brunner, Leiter Sektion Recht der Bundeskanzlei, Bern.
- 1 Vgl. die Erläuterungen zu Art. 13a Abs. 2 in der Botschaft des Bundesrates vom 28. August 2013 zur Änderung des Publikationsgesetzes, BBl 2013 7085.
- 2 AB 2020 S 590 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=49411).
- 3 Vgl. den von der Bundeskanzlei herausgegebenen Botschaftsleitfaden (Stand August 2020): https://www.bk.admin.ch/dam/bk/de/dokumente/sprachdienste/20201021_BOLF_August_2020.pdf.download.pdf/20201021_BOLF_August_2020.pdf.
- 4 www.fedlex.admin.ch.