Contributi scientifici del Convegno SSL DOI: 10.38023/629cb5bb-fe20-4887-92bd-dc338eed9d3f

Das Verständlichkeitsgebot im Unternehmensentlastungsgesetz

Stefan Höfler
Stefan Höfler

Citazione: Stefan Höfler, Das Verständlichkeitsgebot im Unternehmensentlastungsgesetz, in: LeGes 36 (2025) 1

La Loi sur l’allégement des coûts de la réglementation pour les entreprises (LACRE) du 29 septembre 2023 prescrit que les actes législatifs du Conseil fédéral doivent être formulés de manière adéquate, claire et accessible aux citoyens (art. 1, let. f LACRE). Une telle obligation découle déjà du principe général de compréhensibilité prévu par la Loi sur les langues (art. 7, al. 1 LL). Toutefois, la disposition de la LACRE apporte deux précisions importantes : d'une part, l'obligation de compréhensibilité s'applique de manière renforcée à l'activité normative ; d'autre part, des actes législatifs rédigés de manière compréhensible doivent être recherchés notamment parce qu’ils permettent de réduire les coûts de la réglementation. Le présent article retrace l’historique de cette disposition, analyse l’interprétation des termes centraux et montre quels organes spécifiquement créés à cet effet sont compétents, au sein de la procédure législative fédérale, pour veiller à sa mise en œuvre.


Indice

1. Einleitung

[1]

Am 29. September 2023 hat die Bundesversammlung ein neues Bundesgesetz über die Entlastung der Unternehmen von Regulierungskosten (Unternehmensentlastungsgesetz, UEG; SR 930.31) beschlossen; es ist am 1. Oktober 2024 abschliessend in Kraft getreten. Das Gesetz «verfolgt das Ziel, administrative Belastungen und Regulierungskosten für Unternehmen abzubauen» (Bundesrat 2022, S. 2). Es sieht unter anderem Regeln für die Ausarbeitung, den Vollzug und die Evaluation der rechtsetzenden Erlasse des Bundes vor, die sicherstellen sollen, dass den Unternehmen durch die Regulierungstätigkeit des Bundes möglichst wenig Kosten entstehen.1 Eine dieser Regeln verpflichtet den Bund, darauf zu achten, dass seine rechtsetzenden Erlasse sachgerecht, klar und bürgerfreundlich formuliert sind (Art. 1 Bst. f UEG):

Art. 1 Rechtsetzung

Der Bund wirkt bei seinen rechtssetzenden Erlassen darauf hin, dass die Regulierung volkswirtschaftlich effizient ist und die Unternehmen wenig belastet. Er beachtet dabei insbesondere die folgenden Grundsätze:

          f.    Die Erlasse werden sachgerecht, klar und bürgerfreundlich formuliert.

[2]

Streng genommen hat die Verabschiedung dieser Bestimmung zu keiner Änderung der Rechtslage geführt (vgl. Gerne 2023, Rz. 26). Eine Verpflichtung, die Erlasse des Bundes sachgerecht, klar und bürgerfreundlich zu formulieren, ergibt sich bereits aus Artikel 7 Absatz 1 des Sprachengesetzes (SpG; SR 441.1). Dieser hält fest, dass sich die Bundesbehörden um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen haben. Die Bestimmung im UEG nimmt aber gegenüber dem bisherigen Recht zwei wichtige Präzisierungen vor. Zum einen klärt sie den Geltungsbereich des sprachenrechtlichen Verständlichkeitsgebots: Sie hält fest, dass es auch und in besonderem Masse für die Rechtsetzung gilt. Zum andern stellt sie das sprachenrechtliche Verständlichkeitsgebot in einen neuen Kontext: Sie stellt klar, dass verständlich formulierte Erlasse insbesondere auch deshalb anzustreben sind, weil sie zu geringeren Regulierungskosten führen. Der vorliegende Beitrag zeichnet die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung nach (Ziff. 2), bespricht die Auslegung seiner zentralen Begriffe (Ziff. 3) und zeigt auf, welche Gremien im Rechtsetzungsverfahren des Bundes speziell für seine Umsetzung zuständig sind (Ziff. 4).

2. Entstehungsgeschichte

[3]

Das Verständlichkeitsgebot in Artikel 1 Buchstabe f UEG stellt keine revolutionäre Neuerung dar, sondern greift Bestehendes auf und giesst es in eine neue Form. Es gründet in einer langen Tradition der «volkstümlichen» Redaktion von Erlassen und konkretisiert ein allgemeineres Gebot im geltenden Sprachenrecht. Neu ist allerdings der volkswirtschaftliche Kontext, in den dieses Gebot mit dem UEG gestellt wird. Damit wird ein Anliegen aufgegriffen, das im Rahmen von zwei sog. Bürokratiestopp-Initiativen bereits zu einem früheren Zeitpunkt formuliert worden war. Diese verschiedenen historischen und rechtlichen Bezüge des Verständlichkeitsgebots im UEG sollen im Folgenden nachgezeichnet werden.

2.1. Tradition der «volkstümlichen» Erlassredaktion

[4]

Das Bemühen, Erlasse in einer verständlichen Sprache zu formulieren, hat in der Schweiz Tradition. Als Kronzeuge für diese Tradition wird regelmässig Eugen Huber angeführt, der in seinen Erläuterungen zum Vorentwurf des Schweizerischen Zivilgesetzbuches die Figur der «volkstümlichen» Redaktion von Erlassen geprägt hat (vgl. Nussbaumer 2008b und 2013):

Man mag noch so sehr von der Notwendigkeit der juristischen Ausbildung der Beamten überzeugt sein, die zur Anwendung der Gesetze berufen sind, so enthält das Gesetz nach unserem heutigen Rechte doch niemals nur eine Anweisung an die Beamten, wie sie gegebenen Falles zu verfahren hätten. Es will sich an alle wenden, die ihm unterworfen sind. Die Gebote des Gesetzgebers müssen daher, soweit dies mit dem speziellen Stoff verträglich ist, für jedermann oder doch für die Personen, die nach den gesetzlich geordneten Beziehungen in einem Berufe tätig sind, verstanden werden können. Ihre Sätze müssen auch für die nicht fachmännisch ausgebildeten Personen einen Sinn haben, wenngleich der Fachmann jederzeit mehr daraus wird entnehmen können als die andern. Das ist es vornehmlich, was man die volkstümliche Redaktion eines Gesetzes zu nennen pflegt. (Huber 1902, S. 12)

[5]

Auch heute noch sind schweizerische Erlasse in einer leichter zugänglichen Sprache formuliert als etwa die Erlasse der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union. Durch die Übernahme des Rechts der Europäischen Union gerät allerdings auch die schweizerische Erlasssprache zunehmend unter Druck (vgl. Grüter/Nussbaumer 2020, S. 106; Oesch 2020, Rz. 351 ff.; Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 588 und 592–595).

[6]

Die schweizerische Tradition der «volkstümlichen» Redaktion von Erlassen mag dem eher basisdemokratischen Staatsverständnis der Schweiz geschuldet sein: Gesetzesvorlagen sind in der Schweiz regelmässig Gegenstand von Volksabstimmungen und müssen deshalb vom Volk verstanden werden können (vgl. Lötscher 1995, S. 110; Klein 2004; Nussbaumer 2008a, S. 305; Höfler 2024, S. 20 f.). Teilweise mag sie auch mit der Mehrsprachigkeit des schweizerischen Bundesrechts zusammenhängen: Einfacher formulierte Erlasse sind auch einfacher zu übersetzen. Das Ansinnen, Erlasse in einer verständlichen Sprache zu formulieren, ist aber seit jeher vor allem auch rechtsstaatlich motiviert. Eugen Huber bringt dies etwa zum Ausdruck, wenn er die volkstümliche Redaktion von Erlassen damit begründet, dass das Gesetz sich an alle wenden wolle, die ihm unterworfen sind (Huber 1902, S. 12). Nach dieser Argumentation sind verständlich formulierte Erlasse die Voraussetzung dafür, dass die Rechtsunterworfenen ihre Rechte und Pflichten überhaupt kennen und das Verhalten des Staates richtig einschätzen können. Das Bemühen um eine verständliche Erlasssprache dient demnach vor allem auch der Rechtssicherheit, der Voraussehbarkeit des Verwaltungshandelns und der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsanwendung (vgl. Lötscher 1995, S. 109 f.; Nussbaumer 2008a, S. 305; Müller 2014, S. 81; Höfler 2024, S. 21 f.).

[7]

In Deutschland wurden Sinn und Unsinn einer verständlichen Formulierung von Erlassen bis vor Kurzem noch vergleichsweise kontrovers diskutiert (vgl. Lerch 2004; Eichhoff-Cyrus/Antos 2008). In der Schweiz war das Anliegen dagegen immer weitgehend unbestritten. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Erfahrung der schweizerischen Rechtsetzung zeigt, dass es in durchaus zufriedenstellender Weise erfüllt werden kann, solange dabei nur einigermassen pragmatisch vorgegangen wird (vgl. Nussbaumer 2004 und 2007; Lötscher 2016; Höfler/Hörth 2020).

2.2. Sprachengesetz

[8]

Die Forderung nach verständlichen Erlassen musste lange direkt aus den erwähnten Verfassungsgrundsätzen hergeleitet werden. Erst mit dem Sprachengesetz vom 5. Oktober 2007 (SpG; SR 441.1) wurde sie auch ausdrücklich im Gesetz verankert. Artikel 7 Absatz 1 des Sprachengesetzes verpflichtet die Bundesbehörden unter der Sachüberschrift «Verständlichkeit» dazu, sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen und auf geschlechtergerechte Formulierungen zu achten (vgl. Höfler 2024, S. 26–29):

Art. 7 Verständlichkeit

Die Bundesbehörden bemühen sich um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache und achten auf geschlechtergerechte Formulierungen.

Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen; er sorgt insbesondere für die Aus- und Weiterbildung des Personals und für die nötigen Hilfsmittel.

[9]

Das Sprachengesetz gibt also bereits allgemein vor, was im Unternehmensentlastungsgesetz neu noch besonders geregelt wird: dass Texte der Bundesbehörden, – und dazu gehören natürlich insbesondere auch die rechtsetzenden Erlasse – in einer verständlichen, d. h. sachgerechten, klaren und bürgerfreundlichen Sprache zu formulieren sind. Die vorberatende Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates erwähnte in ihrem Bericht zum Entwurf des Sprachengesetzes die Gesetzgebung denn auch als ersten Anwendungsbereich dieser Bestimmung:

Für die Kommission steht fest, dass die Art und Weise, wie die Bundesbehörden die Sprachen in der Gesetzgebung, in Bekanntmachungen, in Informationsschriften usw. gebrauchen, für die Kommunikation im Staat von grosser Bedeutung ist. Deshalb legt Artikel 7 Absatz 1 Anforderungen an die sprachliche Qualität der Texte fest, die von den Bundesbehörden verfasst sind. Diese müssen sich bemühen, ihren Sprachgebrauch den konkreten Verhältnissen anzupassen und für die Bevölkerung verständlich zu kommunizieren. (Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates, S. 9005)

[10]

Motiviert wird die Bestimmung von der Kommission allerdings in erster Linie mit staatspolitischen Überlegungen: Sie weist darauf hin, dass es für die Kommunikation im Staat von grosser Bedeutung sei, dass die Bundesbehörden eine Sprache verwenden, die für die Bevölkerung verständlich ist. Wenn die Kommission auf die «Kommunikation im Staat» verweist, scheint es ihr nicht nur um die oben erwähnten rechtsstaatlichen Anliegen der Rechtssicherheit und der Voraussehbarkeit des Verwaltungshandelns zu gehen, sondern vielmehr um das Funktionieren des Staates an sich und um die Akzeptanz staatlichen Handelns bei der Bevölkerung. So kann das Recht seine Wirkung letztlich nur entfalten, wenn es von der Bevölkerung akzeptiert wird. Und das setzt wiederum voraus, dass die Rechtsunterworfenen «die Gesetze verstehen oder zumindest daran glauben, dass sie grundsätzlich verstehbar und eben keine Geheimwissenschaft sind» (Nussbaumer 2008a, S. 3005; vgl. dazu auch Kindermann 1986).

2.3. Bürokratiestopp-Initiativen

[11]

Der nächste Schritt auf dem Weg zum heutigen Verständlichkeitsgebot des UEG erfolgte im Jahr 2010, als die FDP/Die Liberalen eine eidgenössische Volksinitiative mit dem Titel «Bürokratie-Stopp!» lancierte (BBl 2010 6633). Die Initiative hatte unter anderem zum Ziel, die Bundesverfassung (BV) um ein Grundrecht auf unbürokratischen Gesetzesvollzug zu ergänzen, nach dem jede Person Anspruch verständliche Gesetze gehabt hätte. Die Initiative hatte den folgenden Wortlaut:

Eidgenössische Volksinitiative «Bürokratie-Stopp!»

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

Art. 9a (neu)      Unbürokratischer Gesetzesvollzug

Jede Person hat Anspruch darauf, dass:

  1. Gesetze verständlich sind und einfach, unbürokratisch und effizient angewandt werden;
  2. Verwaltungen und Gerichte ihre Angelegenheiten schnell, einfach und unbürokratisch behandeln.

Art. 94 Abs. 3 zweiter Satz (neu)

[Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft.] Dazu treffen sie Massnahmen, um die Regelungsdichte und die administrative Belastung für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten; sie berücksichtigen dabei insbesondere die Anliegen der Kleinst- bis mittelgrossen Unternehmen.

[12]

Die Initiative kann insofern als Vorläuferin der Bestimmung im UEG angesehen werden, als sie das Anliegen der Verständlichkeit von Erlassen zum ersten Mal nicht nur rechtsstaatlich begründet, sondern auch in einen volkswirtschaftlichen Zusammenhang stellt. Zwar hätte der neue Artikel 9a BV an den bisherigen Artikel 9 BV angeschlossen, bei dem es um den Schutz von Willkür und die Wahrung von Treu und Glauben geht. Insofern wäre das neue Grundrecht auf unbürokratischen Gesetzesvollzug unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zu lesen gewesen. Die Initiative wollte aber auch Artikel 94 BV, der die Grundsätze der Wirtschaftsordnung festlegt, um eine zusätzliche Bestimmung ergänzen. Diese hätte den Bund und die Kantone dazu verpflichtet, die Regelungsdichte und die administrative Belastung für die Wirtschaft so gering wie möglich zu halten. Dadurch hätte das neue Grundrecht auf unbürokratischen Gesetzesvollzug zusätzlich auch eine volkswirtschaftliche Begründung erhalten: Es wäre zum Ausdruck gekommen, dass verständlich formulierte Erlasse zu einer geringeren administrativen Belastung und damit zu weniger Kosten für die Wirtschaft führen.

[13]

Den Initiantinnen und Initianten gelang es allerdings nicht, in der durch die Bundesverfassung vorgegebenen Frist die erforderlichen 100'000 Unterschriften zu sammeln. Die eidgenössische Volksinitiative «Bürokratie-Stopp!» kam nicht zustande (BBl 2012 7757).

[14]

Derselbe Text war aber am 17. Dezember 2010 vom damaligen Nationalrat Joseph Zisyadis auch als parlamentarische Initiative eingereicht worden (Pa. Iv. 10.537 «Bürokratiestopp!»). Die Bundesversammlung musste sich also dennoch mit der Initiative befassen. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates anerkannte in ihrem Bericht zur parlamentarischen Initiative Zisyadis ausdrücklich, dass eine klare und verständliche Gesetzgebung notwendig sei, «damit diese von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird». Sie wies jedoch auch darauf hin, dass es das Parlament selbst in der Hand habe, bei seiner Gesetzgebungstätigkeit die Verständlichkeit der Erlasse zu überprüfen (Staatspolitische Kommission des Ständerates 2012, S. 2 f.). Ausserdem gab sie zu bedenken, dass die Schaffung eines Grundrechts auf unbürokratischen Gesetzesvollzug schwierig umzusetzen wäre:

Grundrechte sind einklagbar. Wer also gemäss dem vorgeschlagenen Verfassungstext den Eindruck gehabt hätte, ein bestimmtes Gesetz sei nicht verständlich formuliert oder es werde nicht einfach angewandt, hätte beim Bundesgericht klagen können. Für das Bundesgericht wäre es eine kaum lösbare Aufgabe gewesen, eine Praxis für die Auslegung der Begriffe «verständlich» oder «einfach» zu entwickeln. Komplizierte gerichtliche Verfahren verbunden mit viel Bürokratie wären die Folge gewesen (Staatspolitische Kommission des Ständerates 2012, S. 3).

[15]

Im Gegensatz zum Nationalrat lehnte der Ständerat die parlamentarischen Initiative Zisyadis dann auch ab. Damit war auch dieses Unterfangen gescheitert.

2.4. Unternehmensentlastungsgesetz

[16]

Das Verständlichkeitsgebot in Artikel 1 Buchstabe f UEG steht also in der schweizerischen Tradition der volkstümlichen Redaktion von Erlassen, konkretisiert den Geltungsbereich des allgemeinen Verständlichkeitsgebots in Artikel 7 Absatz 1 SpG und stellt dieses – wie es bereits die beiden Bürokratiestopp-Initiativen versucht haben – in einen volkswirtschaftlichen Zusammenhang. Es stellt klar, dass verständlich formulierte Erlasse nicht nur die Rechtssicherheit und die Akzeptanz des Rechts in der Bevölkerung fördern, sondern auch die Wirtschaft auch von unnötigen Regulierungskosten entlasten. Der Bundesrat hat das Zusammenspiel zwischen SpG und UEG wie folgt zusammengefasst:

[Artikel 1 Buchstabe f UEG] legt den Grundsatz für eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Formulierung von Erlassen fest. Die Erlasse sollen für die Adressanten möglichst ohne zusätzlichen Aufwand oder externe Unterstützung zu verstehen und umzusetzen sein. Der Grundsatz basiert auf der Idee von Artikel 7 des Sprachengesetzes vom 5. Oktober 2007, in dem dieselben Kriterien für Texte des Bundes im Allgemeinen festgehalten sind. Hier werden die Kriterien im Kontext der administrativen Entlastung aufgeführt. (Bundesrat 2023, S. 25)

[17]

Auch in der Lehre wurde deshalb verschiedentlich auf die volkswirtschaftliche Bedeutung verständlich formulierter Erlasse hingewiesen: Schwer verständlich formulierte Erlasse generieren unnötige Kosten, weil es aufwendiger ist, sie auszulegen und richtig anzuwenden. Das betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatpersonen, die eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen müssen, und den Staat, der eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten und Beschwerdeverfahren durchzuführen hat:

Das Problem besteht darin, dass unverständliches Gesetzesdeutsch hohen Aufwand und damit hohe Kosten verursacht: Kosten für private Haushalte, für die Unternehmen und für den Staat. Bürger und Unternehmen, aber auch die Verwaltungen müssen unnötig Zeit investieren, um Gesetzestexte zu verstehen. [...] Gegebenenfalls werden teure Experten zum Entschlüsseln des Amtsdeutschs beschäftigt. Je komplizierter die Rechtstexte sind, desto mehr Kosten verursacht die Rechtsberatung. (Schröder/Würdemann 2008, S. 326 f.; vgl. auch Müller 2014, S. 81; Höfler 2024, S. 25 f.)

[18]

Im Gegensatz zu den beiden Bürokratiestopp-Initiativen konstituiert das UEG aber kein einklagbares Recht auf verständliche Erlasse, sondern es beauftragt die Bundesbehörden, für solche zu sorgen. Das können sie aber nur, wenn geklärt ist, wie die drei Kriterien der Sachgerechtigkeit, Klarheit und Bürgerfreundlichkeit auszulegen sind und wer im Rechtsetzungsverfahren des Bundes für ihre Einhaltung zuständig ist. Diesen beiden Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.

3. Auslegung

[19]

Die drei Kriterien der Sachgerechtigkeit, Klarheit und Bürgerfreundlichkeit mögen auf den ersten Blick teilweise redundant wirken. Dennoch erfüllen sie je einen anderen Zweck, denn sie beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte der Arbeit an der Verständlichkeit von Erlassen.

3.1. Sachgerechtigkeit

[20]

Die Anforderung der Sachgerechtigkeit bedeutet, dass rechtsetzende Erlasse so zu formulieren sind, dass sie ihren Zweck erfüllen können. Dazu gehört insbesondere, dass sie (1.) normativ und generell-abstrakt, (2.) kohärent und den gesetzestechnischen Konventionen entsprechend sowie (3.) vollständig und genügend bestimmt formuliert werden müssen. Das Kriterium der Sachgerechtigkeit zeigt damit auch die Grenze der Arbeit an der Verständlichkeit von Erlasstexten auf: Sie darf nicht auf Kosten der Zweckmässigkeit gehen.

3.1.1. Normativität und Abstraktion

[21]

Rechtsetzung dient in erster Linie der Ordnung und Stabilisierung des Verhaltens und der Steuerung der gesellschaftlichen Entwicklung; sie kann aber auch zur Legitimierung und Integration beitragen und ein Instrument der politischen Auseinandersetzung und Konsensfindung sein (vgl. Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 17 ff.). Als rechtsetzend gelten dabei «Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen» (Art. 22 Abs. 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002, ParlG, SR 171.10). Nicht sachgerecht formuliert sind Erlasse demnach insbesondere dann, wenn nicht klar ist, inwiefern sie verbindlich sind, weil sie statt zu normieren lediglich appellieren oder informieren, wenn sie Einzelfälle regeln statt generell-abstrakte Anordnungen zu treffen oder wenn aus ihnen nicht genügend deutlich hervorgeht, wer welche Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten hat (vgl. Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 291–301).

3.1.2. Kohärenz und Konventionalität

[22]

Rechtsetzende Erlasse müssen sich zudem in die bestehende Rechtsordnung einfügen und die Konventionen einhalten, die für die Textsorte «Erlass» gelten. Erlasstexte sind immer Teil eines grösseren Ganzen: Sie beziehen sich auf über- und nebengeordnetes Recht. Ausserdem erfüllen sie im Rechtswesen eine ganz bestimmte Funktion: Sie sind Ausgangspunkt der Rechtsauslegung und Grundlage der Rechtsanwendung (vgl. Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 281 und 302; Höfler 2024, S. 361 ff.). Nicht sachgerecht formuliert sind Erlasse demnach auch dann, wenn sie sich systematisch oder terminologisch nicht in die bestehende Rechtsordnung einfügen oder gesetzestechnische Konventionen verletzen, die sich herausgebildet haben, um eine effiziente Rechtsanwendung zu ermöglichen.

3.1.3. Vollständigkeit und Bestimmtheit

[23]

Schliesslich erfordert die Anforderung der Sachgerechtigkeit auch, dass rechtsetzende Erlasse ihren Regelungsgegenstand vollständig und hinlänglich bestimmt beschreiben. Denn nur so kann wirksam reguliert werden. Es sollen also keine inhaltlichen Vereinfachungen vorgenommen werden dürfen. Der betroffene Gegenstand muss in der ihm innewohnenden Komplexität generell-abstrakt geregelt werden; inhaltliche Verkürzungen sind in den meisten Fällen nicht zweckdienlich (vgl. Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 289 f.).

3.2. Klarheit

[24]

Die Anforderung der Klarheit bedeutet, dass Erlasse so zu formulieren sind, dass man ihre Inhalte möglichst leicht erfassen kann: Man soll möglichst unmittelbar, d. h. mit möglichst geringem kognitivem Aufwand erkennen können, welche Regelungen in einem Erlass getroffen werden. Die sprachwissenschaftliche Verständlichkeitsforschung hat gezeigt, dass dieses Ziel insbesondere durch einen logischen und nachvollziehbaren Textaufbau, knappe und prägnante Formulierungen sowie eine einfache, anschauliche Sprache erreicht werden kann (vgl. Groeben 1982; Göpferich 2002; Langer et al. 2019).2 In Erlassen kann das umgesetzt werden, indem der Textaufbau möglichst dem Regelungsgegenstand nachempfunden (vgl. Lötscher 1995, S. 125 f. und 2013, Rz. 59–62) und mit textstrukturierenden Mitteln wie Überschriften sichtbar gemacht wird. Zudem sollte sorgfältig geprüft werden, was explizit gesagt werden muss und was als bekannt vorausgesetzt werden kann. Die Dinge sollten «beim Namen genannt» und nicht hinter ausweichenden oder unnötig komplizierten Formulierungen versteckt werden, Widersprüche und Mehrdeutigkeiten sollten vermieden werden (vgl. dazu ausführlich Höfler 2024, S. 53 ff.)

3.3. Bürgerfreundlichkeit

[25]

Die Anforderung der Bürgerfreundlichkeit zielt auf die Adressatinnen und Adressaten von Erlassen ab: Sie bedeutet zunächst, dass sich rechtsetzende Erlasse grundsätzlich auch an die Allgemeinheit richten und nicht etwa nur an das juristische Fachpersonal. Hier hat der Gesetzgeber also die schweizerische Tradition der «volkstümlichen» Redaktion von Erlassen verankert. Erlasse sollen demnach soweit möglich in allgemeinverständlicher Sprache verfasst werden und nicht in juristischer Fachsprache (vgl. Höfler 2024, S. 55 f.; Müller/Uhlmann/Höfler 2024, Rz. 367 f.).

[26]

Mit dem Begriff der «bürgerfreundlichen Sprache» wird auch auf jüngere Bemühungen verwiesen, in der Behördenkommunikation den klassischen Kanzleistil, das sog. Beamtendeutsch, zurückzudrängen und durch eine stärker am Alltag der Bevölkerung orientierte Sprachform zu ersetzen. In der Schweiz spricht man dabei eher von «bürgerfreundlicher», in Deutschland eher von «bürgernaher» Sprache (vgl. Eichhoff-Cyrus/Antos 2008, S. 230 und 295).3 Bürgerfreundliche Sprache unterscheidet sich also insbesondere von den Fachsprachen der Verwaltung und des Rechts. Im Gegensatz zu diesen versucht sie, möglichst allgemeinverständliche Begriffe zu verwenden, allzu komplexe Satzstrukturen zu vermeiden und wo immer möglich den Wissenshorizont von interessierten, durchschnittlich gebildeten Laiinnen und Laien vorauszusetzen (vgl. z. B. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration 2001; Bundesverwaltungsamt 2002).

[27]

Bürgerfreundliche Sprache ist weniger komplex als Fachsprache, aber komplexer als sog. Einfache Sprache und Leichte Sprache (vgl. Bock/Pappert 2023). Der Schwierigkeitsgrad der vier Sprachformen unterscheidet sich entsprechend ihrem Zielpublikum. Fachsprache richtet sich an Fachpersonen eines bestimmten Bereichs; sie läuft manchmal Gefahr, in Jargon überzugehen.4 Bürgerfreundliche Sprache hat demgegenüber die Allgemeinheit im Blick und versucht Fachterminologie wo möglich zu vermeiden. Einfache Sprache richtet sich an Personen mit geringen Sprachkenntnissen (z. B. Migrantinnen und Migranten). Dabei wird u. a. darauf geachtet, dass nur einfache Wörter und kurze Sätze verwendet werden und nur wenig Vorwissen vorausgesetzt wird. Leichte Sprache hat zum Ziel, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen den Zugang zu Informationen zu erleichtern (vgl. z. B. Bredel/Maass 2016). Sie stellt die am stärksten vereinfachte Sprachform dar und verwendet nur einfachste Wörter und stark verkürzte Sätze. Im Gegensatz zur bürgerfreundlichen und zur Einfachen Sprache geht Leichte Sprache immer auch mit einer Vereinfachung der Inhalte einher: Gewisse Sachverhalte müssen einfacher dargestellt werden, als sie eigentlich sind, während bei anderen Sachverhalten zusätzliche Erklärungen erforderlich sind. Leichte Sprache eignet sich deshalb nicht für die Formulierung von Erlassen (vgl. Nussbaumer 2017).

[28]

Die Anforderung der Bürgerfreundlichkeit gibt also auch vor, welcher sprachliche Schwierigkeitsgrad bei der Formulierung von rechtsetzenden Erlasstexten anzustreben ist: weder eine nur für Expertinnen und Experten zugängliche Fachsprache noch die an Personen mit geringen Sprachkenntnissen oder kognitiven Beeinträchtigungen gerichtete Einfache oder Leichte Sprache, sondern eine für die Mehrheit der Bevölkerung oder zumindest für die betroffenen Rechtsunterworfenen verständliche Allgemeinsprache. Die Anforderung der Bürgerfreundlichkeit knüpft damit an Hubers oben zitierten Grundsatz an, dass es nötig ist, dass die Gebote des Gesetzgebers, «soweit dies mit dem speziellen Stoff verträglich ist, für jedermann oder doch für die Personen, die nach den gesetzlich geordneten Beziehungen in einem Berufe tätig sind, verstanden werden können» (Huber 1902, S. 12).

4. Umsetzung

[29]

Die Umsetzung des Verständlichkeitsgebots in Artikel 1 Buchstabe f UEG ist bereits heute geklärt und die entsprechenden Verfahren sind etabliert. Verantwortlich sind (1.) die bei der Ausarbeitung eines Erlassentwurfs federführenden Verwaltungseinheiten, (2.) die verwaltungsinterne Redaktionskommission sowie, im Falle von Entwürfen zu Bundesgesetzen, (3.) die Redaktionskommission der Bundesversammlung.

4.1. Federführende Verwaltungseinheiten

[30]

Artikel 2 der Sprachenverordnung vom 4. Juni 2010 (SpV; SR 441.11) führt das Verständlichkeitsgebot nach Artikel 7 des Sprachengesetzes weiter aus. In Absatz 2 werden die Einheiten der Bundesverwaltung verpflichtet, die organisatorischen Massnahmen zu treffen, die notwendig sind, damit die redaktionelle und formelle Qualität der Texte gewährleistet ist. Die Bundeskanzlei wird beauftragt, die redaktionellen und formalen Qualitätsstandards in Weisungen festzulegen (vgl. Ziff. 2 der Sprachweisungen vom 3. April 2023, BBl 2023 936).

[31]

Die Verantwortung dafür, dass Entwürfe zu rechtsetzenden Erlassen des Bundes in einer sachgerechten, klaren und bürgerfreundlichen Sprache formuliert sind, liegt also zunächst einmal bei den Verwaltungseinheiten, die beim entsprechenden Rechtsetzungsprojekt federführend sind. Dieselben Stellen, die die Entwürfe verfassen, müssen also auch dafür sorgen, dass diese verständlich sind. Das hat gegenüber Systemen, in denen Erlassentwürfe von einer zentralen Verwaltungseinheit verfasst werden, den Vorteil, dass die Personen, die die Entwürfe schreiben, sich in der Materie auskennen und mit der Rechtsanwendung im entsprechenden Bereich vertraut sind. Es hat aber auch den Nachteil, dass diese Personen weniger mit sprachlichen Fragen befasst sind als hauptberufliche Gesetzesredaktorinnen und Gesetzesredaktoren (vgl. Höfler/Nussbaumer/Xanthaki 2017, S. 153). Aus diesem Grund hat der Bund den federführenden Verwaltungseinheiten mit der verwaltungsinternen Redaktionskommission ein Gremium von Spezialistinnen und Spezialisten zur Seite gestellt, das sie dabei unterstützt, ihre Erlassentwürfe sachgerecht, klar und bürgerfreundlich zu formulieren.

4.2. Verwaltungsinterne Redaktionskommission

[32]

Die verwaltungsinterne Redaktionskommission (VIRK) wurde 1976 auf Wunsch der Redaktionskommission der Bundesversammlung (s. anschliessend Ziff. 4.3) eingerichtet (zur VIRK vgl. Nussbaumer 2008a; Höfler 2024, S. 19 ff.). Die VIRK besteht aus Sprachspezialistinnen und Sprachspezialisten der Bundeskanzlei und Juristinnen und Juristen des Bundesamtes Justiz. Sie vereinigt also sprachliche und juristische Expertise.

[33]

Die VIRK hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die rechtsetzenden Erlasse des Bundes verständlich formuliert sind. In Artikel 2 Absatz 1 des Reglements über die verwaltungsinterne Redaktionskommission vom 1. November 20075 wird diese Aufgabe wie folgt umschrieben:

Art. 2 Aufgabe

Die VIRK sorgt dafür, dass die rechtsetzenden Erlasse des Bundes für die Bürgerinnen und Bürger verständlich sind. Dabei achtet sie insbesondere:

  1. auf logischen, sach- und adressatengerechten Aufbau;
  2. auf die Beseitigung von Unklarheiten, Widersprüchen und Lücken im Text;
  3. auf einfache und knappe, klare, kohärente und geschlechtergerechte Formulierung;
  4. im Falle der Koredaktion auf die Übereinstimmung des Textes in der deutschen und der französischen Fassung;
  5. auf sprachliche Richtigkeit.

Sie bearbeitet die Entwürfe zu Verfassungsbestimmungen und Gesetzen sowie zu Bundesrats-, Departements- und Amtsverordnungen.

3 Sie bearbeitet nebst den Entwürfen aus der Verwaltung auch Entwürfe aus dem Parlament und aus den eidgenössischen Gerichten.

[34]

Sämtliche in der Verwaltung ausgearbeiteten Entwürfe zu rechtsetzenden Erlassen des Bundes müssen der VIRK im Rahmen der Ämterkonsultationen zur Prüfung vorgelegt werden. Die VIRK prüft die Entwürfe also relativ früh und mehrmals im Verfahren. Sie wird aber auch ausserhalb der Ämterkonsultationen aktiv, z. B. im Rahmen von Vorkonsultationen oder wenn eine Parlamentskommission die VIRK zu einem Erlassentwurf konsultiert, der im Zusammenhang mit einer parlamentarischen Initiative ausgearbeitet wird. Auch die eidgenössischen Gerichte konsultieren die VIRK regelmässig zu ihren Erlassentwürfen.

[35]

Die VIRK prüft die Entwürfe in eigens zusammengestellten Arbeitsgruppen, die jeweils aus mindestens einer Sprachspezialistin oder einem Sprachspezialisten und einer Juristin oder einem Juristen bestehen. Entwürfe zu Verfassungsbestimmungen bearbeitet die VIRK gleichzeitig auf Deutsch, Französisch und Italienisch, solche zu Bundesgesetzen auf Deutsch und Französisch (Koredaktion); Entwürfe zu Verordnungen werden in der Regel nur in einer Sprache bearbeitet (Redaktion).

[36]

Die VIRK verfasst eine eigene Stellungnahme und bespricht diese anschliessend mit der federführenden Verwaltungseinheit. In ihrer Stellungnahme schlägt die VIRK wo nötig Umformulierungen vor. Versteht sie eine Bestimmung zu wenig gut, um eine sinnvolle Umformulierung vorzuschlagen, fragt sie nach und lässt sich die Bestimmung im Rahmen der Besprechung von der federführenden Verwaltungseinheit erklären. Sie sucht dann gemeinsam mit dieser nach einer geeigneten Umformulierung.

[37]

Es kommt der VIRK zugute, dass sie als interdepartementales Gremium unabhängig von den Partikularinteressen der Departemente und Ämter agieren kann. Sie verfolgt keine eigenen materiellen Interessen, sondern ist allein der Aufgabe verpflichtet, die Verständlichkeit der rechtsetzenden Erlasse des Bundes zu fördern. Mit der VIRK hat das Anliegen der Verständlichkeit in der Bundesverwaltung eine institutionalisierte Fürsprecherin, der auch international regelmässig Vorbildcharakter attestiert wird (vgl. Schröder/Würdemann 2008, S. 331 f.; Thieme 2008, S. 239).

4.3. Redaktionskommission der Bundesversammlung

[38]

Entwürfe zu Verfassungsbestimmungen und Bundesgesetzen werden vor der Schlussabstimmung im Parlament zusätzlich von der Redaktionskommission der Bundesversammlung (RedK) auf ihre Verständlichkeit überprüft. Die RedK ist eine gemeinsame Kommission von National- und Ständerat und besteht aus je einer Subkommission für die deutsche, französische und italienische Sprache. Ihre Aufgaben und Verfahren sind in Artikel 57 ParlG wie folgt umschrieben:

Art. 57 Aufgaben und Verfahren

Die Redaktionskommission überprüft den Wortlaut der Erlasse und legt deren endgültige Fassung für die Schlussabstimmung fest.

1bis Sie ist zudem zuständig für redaktionelle Berichtigungen in Erlassen, welche nicht der Schlussabstimmung unterstehen.

Sie sorgt dafür, dass die Texte verständlich und knapp formuliert sind. Sie prüft, ob sie den Willen der Bundesversammlung wiedergeben, und achtet darauf, dass die Fassungen in den drei Amtssprachen übereinstimmen.

Der Redaktionskommission stehen keine materiellen Änderungen zu. Stösst sie auf materielle Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche, so benachrichtigt sie die Ratspräsidentinnen oder Ratspräsidenten.

[39]

Die Sprachspezialistinnen und Sprachspezialisten der Bundeskanzlei nehmen in der Regel als Sachverständige an den Sitzungen der RedK teil (siehe Art. 4 der Verordnung der Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 über die Redaktionskommission, SR 171.105).

[40]

Die RedK nimmt im parlamentarischen Verfahren also eine ähnliche Aufgabe wahr wie die VIRK im verwaltungsinternen Verfahren. Die beiden Gremien sind jeweils dafür verantwortlich, dass die rechtsetzenden Erlasse des Bundes, wie in Artikel 7 Absatz 1 SpG und Artikel 1 Buchstabe f UEG vorgesehen, sachgerecht, klar und bürgerfreundlich formuliert werden.

5. Fazit

[41]

Auf den ersten Blick könnte man dem Verständlichkeitsgebot im UEG den Vorwurf machen, dass es rein symbolisch und deshalb eher unnötig sei (vgl. Gerne 2023, Rz. 26). Diese Einschätzung griffe aber in mehrerlei Hinsicht zu kurz. Artikel 1 Buchstabe f UEG bekräftigt nämlich nicht nur, was in Artikel 7 Absatz 1 SpG bereits geregelt ist, nämlich dass sich die Bundesbehörden um eine sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen haben. Er stellt zudem auch klar, dass dieses Verständlichkeitsgebot auch und in besonderem Masse für die Redaktion der rechtsetzenden Erlasse gilt. Natürlich konnte dies bereits dem Bericht der zuständigen Parlamentskommission zum Entwurf des Sprachengesetzes entnommen werden. Dadurch, dass neu ausdrücklich im Gesetz verankert ist, dass das Verständlichkeitsgebot auch für die Rechtsetzung gilt, erhält dieses aber zusätzliches Gewicht.

[42]

Artikel 1 Buchstabe f UEG stellt das Verständlichkeitsgebot für die Rechtsetzung zudem in einen neuen Kontext: Es wird nicht mehr nur demokratiepolitisch und rechtsstaatlich begründet, sondern neu auch volkswirtschaftlich motiviert. Seine Verankerung in einem Gesetz, das zum Ziel hat, die Unternehmen von Regulierungskosten zu entlasten, zeigt auf, dass neben verschiedenen theoretischen Überlegungen auch ein ganz praktischer Grund dafür spricht, dass Erlasse möglichst verständlich formuliert werden sollten: Man spart damit Geld. Die an der Rechtsetzung beteiligten Stellen und Organe erhalten den Auftrag, bei der Arbeit an der Verständlichkeit von Erlassen neu auch diesen Aspekt zu berücksichtigen.

[43]

Mit der verwaltungsinternen Redaktionskommission und der Redaktionskommission der Bundesversammlung sind bereits zwei geeignete Instrumente vorhanden, um sicherzustellen, dass die rechtsetzenden Erlasse des Bundes weiterhin – und künftig vielleicht noch vermehrt – sachgerecht, klar und bürgerfreundlich formuliert werden. Letztlich gilt aber auch hier: Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es!


PD Dr. Stefan Höfler, Leiter der Zentralen Sprachdienste, Sektion Deutsch der Bundeskanzlei, Leiter der verwaltungsinternen Redaktionskommission des Bundes und Privatdozent für Rechtsetzungslehre und Rechtslinguistik an der Universität Zürich.


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  1. 1 Ausführungen zum UEG finden sich insbesondere bei Gerne 2023; Flückiger 2024; Anthamatten/Küttel 2024; Hiltbrunner/Wallart 2024; Rüefli 2024; Glaser 2024.
  2. 2 Eine vierte in der Verständlichkeitsforschung genannte Massnahme, das Hinzufügen stimulierender Elemente (z. B. einer provokativen Frage), die das Interesse der Lesenden wecken sollen, spielt bei Erlasstexten keine Rolle.
  3. 3 Im englischen Sprachraum spricht man dabei von «Plain Language» (vgl. Xanthaki 2014, S. 108–131).
  4. 4 Während Fachsprache dazu da ist, spezifische fachliche Konzepte genügend präzise zu benennen, zeichnet sich Jargon einzig und allein dadurch aus, dass man durch ihre Verwendung die Zugehörigkeit zu einem bestimmten beruflichen oder gesellschaftlichen Milieu signalisiert. Im Gegensatz zu Fachterminologie kann Jargon meist problemlos durch alltagssprachliche Entsprechungen ersetzt werden (vgl. Bussmann 2008, S. 314).
  5. 5 Das VIRK-Reglement ist online abrufbar unter: www.bk.admin.ch > Unterstützung der Regierung > Rechtsetzungsbegleitung > Gesetzesredaktion > Verwaltungsinterne Redaktionskommission > Rechtsgrundlagen > VIRK-Reglement [28. Februar 2025].
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