Contributi scientifici DOI: 10.38023/3604e56d-343c-44eb-a16e-39361f1ff600

Die Mobilisierung des Sozialhilferechts im interkantonalen Vergleich

Eine Normenanalyse als Schritt zur Untersuchung der Wirklichkeit in der Sozialhilfe

Pascal Coullery
Pascal Coullery
Jan Gerber
Jan Gerber
Dominik Grob
Dominik Grob
Alissa Hänggeli
Alissa Hänggeli
Melanie Studer
Melanie Studer

Citazione: Pascal Coullery / Jan Gerber / Dominik Grob / Alissa Hänggeli / Melanie Studer, Die Mobilisierung des Sozialhilferechts im interkantonalen Vergleich, in: LeGes 36 (2025) 1

Environ un quart des personnes ayant droit à l’aide sociale n’en font pas la demande, c’est-à-dire n’exercent pas leur droit. Les auteurs partent de l’hypothèse que le droit cantonal lui-même favorise ou freine l’exercice du droit à des prestations d’aide sociale. Ils élaborent dix indicateurs, comprenant une trentaine de sous-indicateurs, permettant une comparaison des 26 législations cantonales selon des facteurs pertinents pour la mobilisation. Cette comparaison révèle d’importantes différences entre les lois cantonales sur l’aide sociale, certaines favorisant fortement l’exercice du droit, d’autres le freinant nettement. Les auteurs analysent également ces différences sous l’angle du droit constitutionnel.


Indice

1. Einleitung

[1]

Im schweizerischen System der sozialen Sicherheit kommt der Sozialhilfe eine grosse Bedeutung als den Sozialversicherungen nachgelagertes Sicherungsnetz zu, das Personen ohne anderweitige Leistungsansprüche in einer finanziellen Notlage auffängt. Diese Relevanz kontrastiert mit der Tatsache, dass die Sozialhilfe als essenzielle Leistung zur Existenzsicherung auf kantonalen Rechtsgrundlagen beruht, kaum materielle Mindestvorgaben des Bundesrechts vorhanden sind und die kantonalen Gesetze aus rechtswissenschaftlicher Sicht wenig erforscht und dargestellt sind. Gleichzeitig stellen Untersuchungen eine Nichtbezugsquote von Sozialhilfeleistungen von rund einem Viertel fest (Hümbelin 2019, 7). In diesen Fällen wird das Recht auf Sozialhilfe nicht mobilisiert.

[2]

Vor diesem Hintergrund stellen die Autor*innen im Rahmen eines SNF-Forschungsprojektes1 die Frage, inwiefern die Normen der kantonalen Sozialhilfegesetze und -verordnungen den Bezug von Sozialhilfeleistungen positiv oder negativ beeinflussen. Sie gehen davon aus, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Sozialhilfe sowohl auf individueller Ebene (Regelungen zur Ausgestaltung der Ansprüche, Rechte, Pflichten, Sanktionen) als auch auf organisational-struktureller Ebene (Regelungen zur Finanzierung, Vorgaben zu Vollzugsstrukturen, Ausgestaltung des Verfahrens) eher mobilisierungsfördernd oder -hindernd sein kann.

[3]

Im Artikel stellen die Autor*innen die Ergebnisse einer eingehenden Analyse der kantonalen Sozialhilferechtsnormen vor, welche eine vergleichende Darstellung der 26 kantonalen Sozialhilferechtsregimes entlang von diversen Mobilisierungsindikatoren erlaubt. Dazu wird zunächst der Begriff der Rechtsmobilisierung und die Bedeutung des Rechts als objektives Mobilisierungshindernis erläutert (Ziff. 2.). Nach einigen Hinweisen zum methodischen Vorgehen (Ziff. 3) werden in den Ziffern 4 und 5 die entwickelten Indikatoren an Beispielen erläutert. In Ziffer 6 werden die gesamthaften Resultate u.a. graphisch aufbereitet und kommentiert.

[4]

Im abschliessenden Fazit (Ziff. 7) diskutieren die Autor*innen, wo sich aus der Analyse erste Anhaltspunkte für einen Handlungsbedarf ableiten lassen und welche offenen Fragen zu klären verbleiben.

2. Rechtliche Grundlagen als Einflussfaktoren auf die Rechtsmobilisierung

[5]

Nachfolgend werden der Begriff der Rechtsmobilisierung definiert (Ziff. 2.1) und die subjektiven, in erster Linie aber die objektiven Faktoren umschrieben, die die Rechtsmobilisierung beeinflussen (Ziff. 2.2).

2.1. Rechtsmobilisierung: Begriff und Bedeutung

[6]

Beim Begriff der Rechtsmobilisierung geht es um die Frage, wann, warum und wie Menschen ihnen rechtlich zustehende Ansprüche geltend machen. Die wissenschaftlich belegte hohe Nichtbezugsquote in der Sozialhilfe (Hümbelin 2019, 7) weist darauf hin, dass viele armutsbetroffene Menschen ihr Recht auf Sozialhilfe nicht mobilisieren, d.h. sie machen einen ihnen zustehenden Anspruch nicht geltend, sie setzen das Recht nicht in Bewegung. In diesem Sinne wird der Nichtbezug von Sozialhilfe auch als Problem der fehlenden Rechtsmobilisierung und der entsprechend fehlenden effektiven Umsetzung des Sozialhilferechts in der Praxis verstanden.

[7]

Unter dem Begriff der Rechtsmobilisierung wird nicht nur dieses gerade beschriebene «In-Bewegung-Setzen des Rechts» als primäres Geltendmachen eines Anspruchs verstanden. Auch das Einreichen von Beschwerden und Klagen vor Gericht ist ein Aspekt der Rechtsmobilisierung und somit auch der Zugang zum Recht als Zugang zur Justiz. In diesem Sinne befasst sich die Forschung mit der Frage, wer wann klagt, beispielsweise um die Lohngleichheit in arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnissen durchzusetzen (vgl. Fuchs et al. 2009). Dass in der Sozialhilfe die Rechtsmobilisierung im Sinne des Zugangs zur Justiz erschwert ist, wurde in jüngerer Zeit untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass beispielsweise kurze Fristen eine Hürde für das Einreichen eines Rechtsmittels sind. Vorschriften, wonach zunächst ein begründeter Entscheid verlangt werden muss, bevor etwa gegen die Ablehnung einer beantragten Leistung ein Rechtsmittel ergriffen werden kann, sind für Betroffene unverständlich und halten von einer Mobilisierung des Rechts ab. Förderlich für einen effektiven Rechtsschutz sind hingegen Möglichkeiten, Anliegen auch mündlich einzubringen oder eine explizite Kostenlosigkeit der Verfahren (zum Ganzen: Studer/Fuchs 2023; Fuchs, G. et al. 2020).

[8]

Die Möglichkeit, seine Rechte auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen und Streitigkeiten aus einem Rechtsverhältnis nötigenfalls gerichtlich klären zu lassen, ist in einem demokratischen Rechtsstaat zentral. Nur wenn das Recht auch tatsächlich mobilisiert wird und mobilisiert werden kann, entfaltet es seine Bedeutung und wird wirksam (ähnlich: Wrase 2019, 134). Auf die Sozialhilfe bezogen heisst das, dass das Recht auf soziale Sicherheit, wie es auch menschenrechtlich garantiert ist, und die damit verbundenen staatlichen Versprechungen auf Existenzsicherung und soziale Teilhabe nicht eingelöst werden, solange das Recht auf Sozialhilfe nur lückenhaft mobilisiert wird bzw. werden kann (vgl. De Schutter 2022, Rz. 3). Dies ist vor dem Hintergrund der sozialpolitischen Bedeutung der Sozialhilfe zu problematisieren (ähnlich bereits: Van Oorschot 1991, 16), zumal auch die Befürchtung, durch eine höhere Rechtsmobilisierung höhere Kosten bewältigen zu müssen, sich höchstens kurzfristig bewahrheiten dürfte. Längerfristig gesehen führt der Nichtbezug von Sozialhilfe zu Folgekosten, etwa im Bereich von Gesundheitsleistungen und generational vererbter Armut (Eurofund 2015, 9).

2.2. Recht als objektiver Mobilisierungsfaktor

[9]

Somit interessiert die Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass das Recht auf Sozialhilfe mobilisiert und somit tatsächlich auch umgesetzt wird. Baer (2021, 226 ff.) erläutert zusammenfassend, dass die Mobilisierung des Rechts von diversen subjektiven und objektiven Faktoren abhängt.

[10]

Zu den subjektiven Faktoren gehören insbesondere die Rechtskenntnis, d.h. das Kennen des groben Gehalts einer Norm bzw. eines Normenkomplexes wie das Sozialhilferecht, die subjektive Überzeugung, Recht in Anspruch nehmen zu können (Baer 2021, 226), aber auch das Wissen, wie und wo ein Anspruch geltend gemacht werden kann. Dieses Wissen ist bei armutsgefährdeten und von Armut betroffenen Menschen oft nicht vorhanden (Eidgenössisches Departement des Innern 2013, 20). In sozialwissenschaftlichen Studien werden u.a. die Angst vor Stigmatisierung und Scham als Gründe diskutiert, die armutsbetroffene Menschen davon abhalten, Sozialhilfe zu beantragen (Neuenschwander et al. 2012; Fuchs, M. et al. 2020, 812). In der Schweiz wurde diese Scham und somit abschreckende Wirkung Neuenschwander et al. (2012) zufolge auch durch die öffentliche Debatte um den «Sozialhilfemissbrauch» gesteigert.

[11]

Als objektive Faktoren wirken unter anderem die rechtlichen Grundlagen, die als Zugangsbarrieren Armutsbetroffene von der Geltendmachung von Sozialhilfeleistungen abhalten können. Bereits vor über 20 Jahren stellte ein Bericht der OECD eine prohibitive Ausrichtung des schweizerischen Sozialhilfesystems fest, das tendenziell von der Geltendmachung eines Anspruchs abhält (OECD 1998). In Bezug auf den Zugang zur Justiz in der Sozialhilfe wurde auch in jüngerer Zeit festgestellt, dass komplexe Normen des materiellen Rechts diesen erschweren (vgl. Fuchs, G. et al. 2020).

[12]

Diese Relevanz des Rechts als objektiver Faktor, der die Rechtsmobilisierung beeinflusst, wurde bereits in unterschiedlichen Studien hervorgehoben. So hat Van Oorschot (1991, 20), der Anfang der 90er Jahre das Phänomen des Nichtbezugs mit einer Mehrebenen-Analyse untersucht hat, u.a. eine hohe Dichte an unterschiedlichen Normen und Regulierungen, komplexe Normen oder eine vage Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen als objektive Faktoren identifiziert, die sich den rechtlichen Rahmenbedingungen zuordnen lassen. Weitere Kriterien lassen sich ebenfalls rechtlichen Normen zuordnen: So ist der vordergründig subjektive Entscheid einer Person, keinen Antrag auf Sozialhilfe zu stellen, weil sie der Meinung ist, dass sich «das Ganze nicht lohnt», ein Spiegelbild des zu tief empfundenen Leistungsniveaus, welches nicht dem Bedarf entspricht (Lucas 2024, 193) oder weitreichender, teilweise schwer nachvollziehbarer Auskunftspflichten. Fuchs, M. et al. (2020, 838) stellen im Kontext der in den Jahren 2010/11 vollzogenen Sozialhilfereform in Österreich fest, dass Faktoren wie etwa ein höherer Anonymitätsgrad bei der Antragsstellung, verbindliche Mindeststandards, eine Begrenzung der familienrechtlichen Unterhaltspflichten und neue Regelungen betreffend Anrechenbarkeit von Vermögen sich positiv auf die Mobilisierung des Anspruchs auf Sozialhilfe ausgewirkt haben.

3. Methodisches Vorgehen

[13]

Da die Sozialhilfe in die Regelungskompetenz der Kantone fällt, setzt die Auseinandersetzung mit der Rechtswirklichkeit der Sozialhilfe zunächst voraus, dass die objektiven, mobilisierungsfördernden und -hindernden Faktoren des Sozialhilferechts in jedem Kanton in einer Normenanalyse (Ziff. 3.1) erfasst werden. Anschliessend hat ein Vergleich zwischen den Kantonen zu erfolgen, um allfällige Unterschiede aus einer gesamtsozialstaatlichen Optik heraus analysieren zu können (Ziff. 3.2).

3.1. Normenanalyse: Erfassung des positiven kantonalen Sozialhilferechts

[14]

Die Normenanalyse erstreckt sich auf diejenigen Regelungsbereiche, die den unabdingbaren Kernbestand jeder sozialhilferechtlichen Ordnung ausmachen: die Leistungen, die Rechte und Pflichten, das Verfahren (inkl. Rechtsmittel), die Organisation und die Finanzierung. Konkret wurde die Normenanalyse in vier Schritten erarbeitet: Im ersten Schritt wurden in jedem Regelungsbereich Annahmen mit Blick auf die Mobilisierungswirkung formuliert. Bei der Bildung und Begründung der Annahmen stützten sich die Autor*innen sowohl auf bestehende Literatur, auf die kantonalen Normtexte, als auch auf Erfahrungen aus der juristischen Praxis. Im Bereich der Organisation ist beispielsweise anzunehmen, dass es sich mobilisierungsfördernd auswirkt, wenn Sozialhilfeentscheide von einer Behörde gefällt werden, die eine gewisse räumliche und persönliche Distanz zur antragstellenden Person aufweist (siehe auch: Fuchs, M. et al. 2020, 829). Aus diesen Annahmen wurden in einem zweiten Schritt zehn Indikatoren abgeleitet und diese in sachgemäss vertiefender Differenzierung wiederum in Teilindikatoren aufgegliedert. In einem dritten Schritt wurden die identifizierten Indikatoren zwei unterschiedlichen Ebenen, die sich sachlogisch aufdrängen, zugewiesen: einer individuellen Ebene, die die konkrete Ausgestaltung von Rechten und Pflichten der einzelnen Person in den Fokus rückt (wie Anspruchsvoraussetzungen, Leistungshöhe oder Dauer und Intensität einer Pflicht), und einer organisational-strukturellen Ebene, bei der es in erster Linie um die Rahmenbedingungen der Umsetzung individueller Rechte und Pflichten geht (wie Vollzugs- und Verfahrensstrukturen). Die beiden Ebenen werden für die Rechtsmobilisierung als gleichwertig betrachtet, was sich auch darin zeigt, dass auf beiden Ebenen gleich viele Indikatoren definiert werden. Abschliessend wurden die Normen der kantonalen Gesetze und Rechtsverordnungen, die am 1. Januar 2024 in Kraft waren, den einzelnen Indikatoren zugeordnet.

3.2. Von der Normenanalyse zum interkantonalen Vergleich

[15]

Im zweiten Teil wurden die erfassten Normen auf einer Skala von 0 (mobilisierungshindernd) bis fünf Punkten (mobilisierungsfördernd) bewertet. Dabei kam ein relativer Massstab zur Anwendung: Die Bewertung orientiert sich an dem, was in den kantonalen Gesetzgebungen real positivrechtlich verankert ist, und nicht an dem, was als ideale Gesetzgebung betrachtet werden könnte. Konkret wurden auf individueller Ebene grundsätzlich die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS)2 herangezogen. In 22 kantonalen Gesetzen oder Verordnungen wird auf die SKOS-Richtlinien verwiesen, womit diese eine hohe Akzeptanz geniessen und die real existierende kantonale Gesetzgebung stark mitprägen. Entsprechend bietet es sich auch hier an, die SKOS-Richtlinien als Ausgangslage zu nehmen. Eine Regelung, die den SKOS-Richtlinien entspricht, wurde daher grundsätzlich als mobilisierungsfördernd und somit mit fünf Punkten bewertet. Davon wurde nur abgewichen, wenn ein Kanton eine mobilisierungsförderndere Norm als die SKOS-Richtlinien (SKOS-RL) erlassen hat. Diesfalls wurde die positiv abweichende kantonale Norm mit fünf Punkten bewertet, eine Regelung, die den SKOS-Richtlinien entspricht, grundsätzlich mit vier Punkten. Somit zeigt die Bewertungsskala gleichzeitig auch die Varianz der kantonalen Normen auf, da bei der Bildung der Skala die real existierenden Normen berücksichtigt wurden. Sofern die Punkte innerhalb einer Skala nicht in arithmetischer Folge verteilt sind, hat dies inhaltliche Gründe. So ist eine Norm, die explizit einen Verzicht auf das Geltendmachen der Verwandtenunterstützungspflicht als Einnahme von Dritten vorsieht, wesentlich mobilisierungsfreundlicher zu werten (und somit mit 5 Punkten) als wenn ein Sozialhilfegesetz keine Regelung zur Verwandtenunterstützungspflicht vorsieht, diese aber gestützt auf allgemeine Umschreibungen der Subsidiarität der Sozialhilfe dennoch eingefordert werden könnte (3 Punkte; vgl. Tabelle 2 unter 4.2).

[16]

Die eigentliche Bewertung wurde auf der Ebene der Teilindikatoren vorgenommen, sodass der Wert des Indikators dem arithmetischen Mittel der Teilindikatoren entspricht. Die einzelnen Teilindikatoren wurden dabei (einfach, doppelt oder dreifach) gewichtet, um die offensichtlich unterschiedliche Mobilisierungswirkung der Teilindikatoren abzubilden: So ist anzunehmen, dass die Rückerstattungspflicht eine grössere Bedeutung für die Mobilisierung hat als etwa die Höhe der Integrationszulage. Die Gewichtung der Teilindikatoren erfolgte literaturbasiert, ergänzt von Einschätzungen juristischer Expert*innen in den Kantonen, die explizit zur Gewichtung der Teilindikatoren befragt worden sind, und auf Setzungen der Autor*innen.

4. Mobilisierungsfaktoren auf individueller Ebene

[17]

Im Folgenden werden die Mobilisierungsfaktoren der individuellen Ebene entlang der Indikatoren und ausgewählter Teilindikatoren vorgestellt, wobei jedem Abschnitt eine Übersicht der Teilindikatoren und der Bewertungsskala angefügt ist. Dabei werden die Annahmen, die den Indikatoren zugrunde liegen, erläutert. Zur Veranschaulichung werden einzelne Normen und deren Bewertung im Sinne der Rechtsmobilisierung thematisiert.

4.1. Sozialstaats- und Integrationsorientierung der Sozialhilfe

[18]

Mit diesem Indikator wird abgebildet, welche sozialpolitische Bedeutung ein Kanton der Sozialhilfe zumisst. In den kantonalen Verfassungen und Gesetzen wird erfasst, welche Ziele die Sozialhilfe verfolgt. Wird in diesen Zielnormen die Sozialhilfe als sozial integratives Instrument, welches die Selbständigkeit fördern und Notlagen beheben soll (vgl. Studer 2021, N 157 ff. zu den [Mindest-]Zielen der Sozialhilfe), umschrieben, das somit über die rein materielle Existenzsicherung hinaus geht, kann dies als Ausdruck einer sozialpolitischen Grundhaltung gewertet werden, die die wesentliche Rolle der Sozialhilfe im System der sozialen Sicherheit anerkennt und so der Stigmatisierung des Sozialhilfebezugs entgegenwirkt. Denn Armutsbetroffene haben teilweise das Narrativ internalisiert, dass Sozialhilfebezug «schwach», «faul» und «missbräuchlich» sei (Lucas 2024, 187). Weiter wird vermutet, dass dieses Sozialstaatsverständnis sich auf allen sozialstaatlichen Ebenen des betrachteten Kantons auswirkt.

[19]

In der gleichen Logik bildet ein weiterer Teilindikator zur übergeordneten Verankerung der Sozialhilfe ab, ob Sozialhilfebezug ein qualifiziertes Einbürgerungshindernis darstellt, indem die Dauer der geforderten bezugsfreien Zeit vor dem Einbürgerungsgesuch über die bundesrechtliche Vorgabe von drei Jahren hinaus verlängert wird.3 Ist dies der Fall, bringt dies eine negative Konnotation des Sozialhilfebezugs zum Ausdruck, die sich mobilisierungshindernd auswirken kann.4

Tabelle 1: Die Teilindikatoren des Indikators «Sozialstaats- und Integrationsorientierung der Sozialhilfe»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Zielvorgaben der Kantonsverfassung 0 (keine Regelung zur Sozialhilfe, reine Kompetenznorm)
2.5 (inhaltlich abstrakte Vorgaben für die Sozialhilfe)
5 (konkrete Vorgaben)
Zielvorgaben des Sozialhilfegesetzes 0 (kein übergeordnetes Ziel erwähnt)
1 (1 von 4 Zielen, vgl. Studer 2021, N 157ff., oder anderes sozialstaatlich begründetes Ziel)
2 (2 von 4 Zielen oder anderes sozialstaatlich begründetes Ziel)
3 (3 von 4 Zielen oder anderes sozialstaatlich begründetes Ziel)
4 (4 von 4 Zielen oder anderes sozialstaatlich begründetes Ziel)
5 (4 von 4 und zusätzliche Ziele)
Einbürgerungshindernis 0 (10 Jahre)
2.5 (5 Jahre)
5 (3 Jahre/Verweis auf Bundesrecht/keine Regelung)

 

4.2. Ausgestaltung des Rechts auf wirtschaftliche Sozialhilfe

[20]

Mit Blick auf die Ausgestaltung des Rechts auf wirtschaftliche Sozialhilfe wird erstens angenommen, dass eine armutsbetroffene Person ihr Recht eher mobilisiert, wenn dieses als ihr subjektiv zustehendes Recht auf Sozialhilfe formuliert ist und nicht als reiner Gesetzesvollziehungsauftrag an die Behörde. So sieht beispielsweise die (als mobilisierungsfördernd eingestufte) Norm des Kantons Appenzell-Innerrhoden einen subjektiven Rechtsanspruch vor, indem Personen, die für ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht hinreichend und rechtzeitig aufkommen können, «Anspruch auf materielle Hilfe»5 haben. Anders wird im Kanton Appenzell-Ausserrhoden ein (mobilisierungshindernder) Gesetzesvollziehungsanspruch6 formuliert, indem Sozialhilfeleistungen «gewährt» werden, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind,7 womit die antragstellende Person als passives Objekt eines staatlichen Verfahrens dargestellt wird.

[21]

Zweitens wird davon ausgegangen, dass die konkreten Anspruchsvoraussetzungen (z.B. Höhe des Vermögensfreibetrags) und die Leistungshöhe die Rechtsmobilisierung beeinflusst. Ist die Leistung tief, könnten Antragstellende dies als nicht existenzsichernd wahrnehmen. Der Aufwand, um die Leistung zu erhalten, könnte dann als grösser eingeschätzt werden als der antizipierte positive Effekt der Leistung (vgl. Van Oorschot 1991). Die weiteren Teilindikatoren bilden daher u.a. das vorgeschriebene Leistungsniveau ab: Wird ein absolutes oder ein soziales Existenzminimum gewährt? Welche Höhe weisen die konkreten Leistungen (Grundbedarf und Integrationszulage) und Freibeträge (Einkommens- und Vermögensfreibetrag) auf?

Tabelle 2: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung des Rechts auf wirtschaftliche Sozialhilfe»

  Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
  Vorgeschriebenes Leistungsniveau 0 (absolutes Existenzminimum)
2.5 (abgeschwächtes Bekenntnis zum sozialen Existenzminimum)
5 (soziales Existenzminimum)
  Subjektiver Rechtsanspruch 0 (Gesetzesvollziehungsanspruch)
5 (subjektives Recht)
  Präzisierung der Anspruchsvoraussetzungen  
Aspekte des
Teilindikators
Vermögensfreibetrag 0 (tiefer als SKOS oder nicht geregelt)
4 (SKOS)
5 (höher als SKOS)
Verwandtenunterstützung 0 (explizite Verpflichtung zum Einfordern der Verwandtenunterstützung)
1 (Hinweis auf Pflicht und Regelung im ZGB)
2 (Hinweis auf Pflicht und Regelung im ZGB, aber Ermessensentscheid, ob geltend gemacht wird)
3 (nicht erwähnt)
5 (explizit ausgeschlossen)
Zusätzliche Unterstützungspflichten für weitere Haushaltsangehörige 0 (erwähnt)
5 (nicht erwähnt)
Vermögensverzicht wird berücksichtigt (wirkt sich negativ auf Anspruchshöhe aus) 0 (ja)
5 (nein)
  Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL)  
Aspekte des Teilindikators Regel GBL 0 (weniger als aktuelle SKOS-RL oder nicht geregelt)
4 (aktuelle SKOS-RL; 2024: CHF 1031)
5 (mehr als aktuelle SKOS-RL)
Positive Abweichungen vom Regel-GBL für bestimmte Personengruppen (z.B. Zuschlag für Kinder) 5 (ja)
0 (nein)
Negative Abweichungen vom Regel-GBL für bestimmte Personengruppen (z.B. höhere Abzüge für junge Erwachsene) 0 (ja)
5 (nein)
  Integrationszulage 0 (weniger als SKOS oder nicht geregelt)
4 (SKOS)
5 (mehr als SKOS)
  Einkommensfreibetrag (EFB) 0 (kein EFB oder nicht geregelt)
1 (bis CHF 400)
2 (CHF 400 garantiert
2.5 (SKOS-Verweis)
3 (max. CHF 500)
4 (max. CHF 600)
5 (max. CHF 700 oder mehr)

 

4.3. Ausgestaltung des Rechts auf persönliche Hilfe

[22]

Der persönlichen Hilfe als immaterielle Beratungs- und Betreuungsleistung kommt in der Sozialhilfe eine wichtige Bedeutung zu. Sie ist auch als Ausdruck des Individualisierungsprinzips zu werten (Mösch Payot 2014, Rz. 39.31), wonach die Sozialhilfe auf den individuellen Fall abgestimmte Leistungen auszurichten hat. Es wird angenommen, dass eine Rechtsmobilisierung eher erfolgt, wenn die Anspruchsberechtigten die Erfahrung machen, dass ihre Lebenssituation ganzheitlich wahr- und ernstgenommen wird. Darauf weist auch Lucas (2024, 193 ff.) hin: Sie identifizierte bei alleinerziehenden Müttern als Grund für den Nichtbezug, dass persönliche Hilfe (Hilfe bei der Wohnungssuche, Unterstützung bei beruflicher Qualifikation) nicht angeboten wurde und somit ihre spezifischen Lebensschwierigkeiten nicht anerkannt wurden. Abschreckend könnte es ebenso wirken, wenn persönliche Hilfe mit verpflichtenden Elementen verbunden wird oder die Kostenlosigkeit nicht zweifellos feststeht. Entsprechend werden durch die Teilindikatoren verschiedene Modalitäten der persönlichen Hilfe wie die Anspruchsvoraussetzungen, die (explizite) Kostenlosigkeit und die Freiwilligkeit erfasst und bewertet.

Tabelle 3: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung des Rechts auf persönliche Hilfe»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Subjektiver Rechtsanspruch 0 (Gesetzesvollziehungsanspruch)
5 (subjektives Recht)
Anspruchsvoraussetzungen 0 (persönliche Hilfe bei Bedürftigkeit)
2.5 (persönliche Hilfe, um Notlage/schwierige Lebenssituation zu beheben, unabhängig von finanziellen Problemen)
5 (persönliche Hilfe, um Notlage zu verhindern [präventiv])
Kosten 0 (Vorbehalt Kosten für externe Leistungen oder nicht geregelt)
5 (unentgeltlich)
Freiwilligkeit 0 (verpflichtende Elemente oder nicht geregelt)
5 (neutral)

 

4.4. Ausgestaltung der Pflichten

[23]

Sozialhilfebezug ist auch mit Pflichten verbunden. Diese beginnen bereits mit den Mitwirkungspflichten zur Abklärung der Bedürftigkeit und erstrecken sich über Pflichten zum Befolgen von Auflagen und Weisungen bis hin zur Pflicht, rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen zurückzuerstatten. Werden diese Pflichten in den Gesetzen absolut formuliert, ohne dass beispielsweise auf Grenzen der Pflichten im Sinne der Verhältnismässigkeit oder Ermessenspielräume im Sinne der Individualisierung hingewiesen wird, kann dies abschreckend wirken. Entsprechend werden durch die Teilindikatoren die verschiedenen Pflichten des Sozialhilferechts analysiert. Besonders hervorzuheben ist hier die Rückerstattungspflicht, welche – nicht zuletzt für die Migrationsbevölkerung – als besonderes Mobilisierungshindernis genannt wird (Meier/Mey/Strohmeier Navarro Smith 2021, 23), da eine Einbürgerung bei bestehenden Sozialhilfeschulden nicht möglich ist.

[24]

Die kantonalen Normen im Bereich der Pflichten variieren in ihrer Ausführlichkeit stark. Beispielsweise ist in der Gesetzgebung des Kantons Basel-Landschaft zur Pflicht, Auflagen und Weisungen befolgen zu müssen, lediglich festgehalten, dass die unterstützte Person insbesondere verpflichtet ist, bei der Abklärung des Anspruchs auf Unterstützungsleistungen mitzuwirken, mit den Behörden und Organen zusammenzuarbeiten sowie deren Auflagen und Weisungen zu befolgen.8 In einem Satz werden sowohl die Auskunfts- und Meldepflicht als auch die Pflicht zur Befolgung von Auflagen und Weisungen erfasst – hinsichtlich der letzteren sind keine Grenzen im Sinne der Verhältnismässigkeit formuliert.

[25]

Anders ist im Kanton Glarus explizit vorgesehen, dass die materielle Hilfe mit Auflagen und Weisungen verbunden werden kann, «die sich auf die richtige Verwendung der Beiträge beziehen oder geeignet sind, die Lage der unterstützten Person oder ihrer Angehörigen zu verbessern.»9 Weiter werden mögliche Auflagen genannt, etwa eine Einkommens- oder Vermögensverwaltung oder die Aufnahme einer Arbeit. In der Gesetzgebung des Kantons Glarus werden rechtsstaatliche Grenzen, insbesondere die Verhältnismässigkeit, von möglichen Auflagen und Weisungen direkt angesprochen. Damit wird den Sozialhilfebeziehenden vermittelt, dass nicht jegliche Auflagen und Weisungen erlaubt sind und sie trotz Sozialhilfebezug nicht zum Objekt staatlicher Verfügungsmacht werden. Dementsprechend ist diese Norm im Vergleich zur absolut und knapp formulierten Norm im Kanton Basel-Landschaft als mobilisierungsfördernder zu bewerten.

Tabelle 4: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung der Pflichten»

  Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
  Auskunfts- und Meldepflicht 0 (keine Eingrenzung der Auskunftspflicht, ausser allenfalls genereller Hinweis auf Verhältnismässigkeit)
5 (Aufzählung der Aspekte, zu denen Auskunft gegeben werden muss, z.B. finanzielle Verhältnisse, Wohnsituation...)
  Auflagen & Weisungen befolgen 0 (keine Einschränkung durch Verhältnismässigkeit und keine beispielhafte Aufzählung von möglichen Weisungen)
2.5 (Nennung Verhältnismässigkeitsaspekt)
5 (Verhältnismässigkeitsaspekt und beispielhafte Aufzählung von möglichen Auflagen)
  Rückerstattungspflicht  
Aspekte des Teilindikators Welches Substrat ist durch Rückerstattung betroffen? 0 (Rückerstattung aus Einkommen)
2.5 (in der Regel nicht aus Einkommen)
4 (nur bei Vermögensanfall = SKOS)
5 (keine Rückerstattungspflicht)
Ökonomische Voraussetzungen 0 (nicht mehr bedürftig)
2.5 (verbesserte ökonomische Situation)
5 (günstige ökonomische Situation)
Verzicht auf Rückerstattung möglich 0 (nein = es muss zurückgefordert werden)
2.5 (es muss zurückgefordert werden mit Härtefallregelung)
5 (Auswahlermessen)
Verjährungsfristen 0 (20 Jahre)
2 (15 Jahre)
4 (10 Jahre seit letztem Bezug)
5 (10 Jahre mit Verjährung der einzelnen Leistungen)
  Weitere Pflichten, die nicht systemimmanent sind (z.B. Gegenleistungspflicht) 0 (ja, gibt es)
5 (keine)

 

4.5. Ausgestaltung der Durchsetzung (inkl. Sanktionen)

[26]

Als Folge von Pflichtverletzungen sieht das Sozialhilferecht in sämtlichen Kantonen Sanktionsmöglichkeiten vor, denen in Bezug auf die Rechtsmobilisierung eine zweifache Wirkung zugeschrieben wird. So wird davon ausgegangen, dass je ausgeprägter die Sanktionsmöglichkeiten ausgestaltet sind, umso abschreckender die Wirkung hinsichtlich der Rechtsmobilisierung ausfällt. Zudem kann unterstellt werden, dass Personen, die (stark) sanktioniert wurden, sich allenfalls aus dem System zurückziehen und so von Beziehenden zu Nichtbeziehenden werden (Studer 2021, N 631 m.w.H.). Um die negative Wirkung von Sanktionen zu relativieren, wird wiederum dem Ermessensspielraum eine hohe Bedeutung zugeschrieben: Dieser ermöglicht es, im Gegensatz zu absolut formulierten Normen ohne Spielraum, Einzelfälle im Rahmen der Verwirklichung des Individualisierungsprinzips zu behandeln. Entsprechend werden durch die Teilindikatoren die Modalitäten von Sanktionen (z.B. Dauer und Höhe von Leistungskürzungen) mit einem besonderen Augenmerk auf das Bestehen von Ermessenspielräumen erfasst.

Tabelle 5: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung der Durchsetzung (inkl. Sanktionen)»

  Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
  Leistungskürzungen  
Aspekte des Teilindikators Ermessensspielraum 0 (Muss-Bestimmung)
2.5 (Muss-Bestimmung mit Ausnahmemöglichkeit)
5 (Kann-Bestimmung)
Kürzungshöhe 0 (über SKOS oder nicht geregelt)
5 (SKOS)
Kürzungsdauer 0 (länger als SKOS oder nicht geregelt)
5 (SKOS)
  Einstellung: Bestand 0 (Einstellung als Sanktion erwähnt)
5 (Einstellung als Sanktion nicht vorgesehen)
  Ermessensspielraum (nur wenn Bestand = 0) 0 (Muss-Bestimmung)
2.5 (Muss-Bestimmung mit Ausnahmemöglichkeit
5 (Kann-Bestimmung)
  Verwaltungsrechtlicher Straftatbestand 0 (vorgesehen)
5 (nicht vorgesehen)

 

5. Mobilisierungsfaktoren auf organisational-struktureller Ebene

[27]

In Analogie zum Vorgehen auf der individuellen Ebene (Ziff. 4) werden nachfolgend die Mobilisierungsfaktoren auf der organisational-strukturellen Ebene entlang der Indikatoren vorgestellt und anhand ausgewählter Teilindikatoren veranschaulicht.

5.1. Ausgestaltung des nicht-strittigen Verfahrens

[28]

Der Indikator «Ausgestaltung des nicht-strittigen Verfahrens» gründet auf der Annahme, dass ein Anspruch umso eher geltend gemacht wird, je niederschwelliger das Verfahren ausgestaltet ist. Weiter wird angenommen, dass für die Rechtsmobilisierung relevant ist, inwiefern die Antragstellenden in das Verfahren involviert sind und partizipieren können. Der Nachvollziehbarkeit von Entscheiden wird Einfluss auf die zukünftige Rechtsmobilisierung beigemessen. Auf dieser Annahme basieren diejenigen Teilindikatoren, mittels derer erfasst und bewertet wird, in welcher Form das Verfahren eingeleitet werden kann und ob zur Sachverhaltsfeststellung auch das Instrument der Sozialinspektion zur Verfügung steht. Weiter wird bewertet, ob das rechtliche Gehör zwingend gewährt werden muss und inwiefern Entscheide zu begründen sind (zur Relevanz dieser Aspekte siehe auch: Fuchs, G. et al. 2020). Am Beispiel der Einleitung des Verfahrens veranschaulicht, erscheint die Regelung des Kantons Bern, die ein mündliches Gesuch und eine Vertretung der antragstellenden Person zulässt,10 als niederschwelliger und mobilisierungsfördernder als die Vorschrift des Kantons Aargau, die ein schriftliches Gesuch auf einem vorgegebenen Formular, das unterzeichnet werden muss, voraussetzt.11

Tabelle 6: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung des nicht-strittigen Verfahrens»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Einleitung des Verfahrens 0 (schriftlich oder nicht geregelt)
2.5 (Gesuch kann auch mündlich gestellt werden)
5 (mündlich und Verfahren kann von Amtes wegen eingeleitet werden oder andere erleichternde Abweichungen)
Sachverhaltsfeststellung 0 (Durchbrechung der Grundsätze durch ausgedehnte Mitteilungspflichten & Sozialinspektion)
5 (Untersuchungsgrundsatz mit Mitwirkungspflichten)
Rechtliches Gehör 0 (Verzicht möglich)
5 (muss gewährt werden)
Begründung der Entscheide 0 (Verzicht ist möglich z.B. wegen Einsprachemöglichkeit)
2.5 (Begründung muss verlangt werden)
5 (sind zu begründen, ausser dem Begehren wird voll entsprochen)

 

5.2. Zugang zu Rechtsmitteln

[29]

Mit Blick auf das Rechtmittelverfahren wird angenommen, dass die Möglichkeit, sich gegen Entscheide zu wehren, rechtsmobilisierend wirkt, weil die Entscheidadressat*innen aktiv gegen Entscheide vorgehen und diese durch eine möglichst unabhängige Instanz überprüfen lassen können. Weiter kommt dem Rechtsschutz eine Integrationsfunktion zu. So wirken das Wissen und die Möglichkeiten des Rechtsmittelverfahrens bzw. des Rechtschutzes positiv hinsichtlich der Integration der Individuen in die Gesellschaft und fördern die Soziale Teilhabe (Fuchs, G. et al. 2020, 1). Entsprechend gilt als umso mobilisierungshindernder, je kürzer die Eingabefrist für ein Rechtsmittel ist, je mehr Verfahrensschritte nötig sind, um an eine unabhängige externe Instanz zu gelangen und je eingeschränkter die Prüfzuständigkeit (Kognition) der angerufenen Instanz ausfällt (zur Begründung dieser Annahmen vgl. auch: Studer/Fuchs 2023, Rz. 68).

Tabelle 7: Die Teilindikatoren des Indikators «Zugang zu Rechtsmitteln»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Rechtsmittelfrist 0 (14 Tage oder weniger)
2.5 (20 Tage)
5 (30 Tage oder mehr)
Rechtsweg 0 (Einsprache vorgesehen)
5 (Keine Einsprache vorgesehen)
Kognition der ersten externen Instanz 0 (Rechtsverletzungen und willkürliche Sachverhaltsfeststellung)
2.5 (Zurückhaltung wegen Gemeindeautonomie)
5 (Angemessenheitsprüfung)

 

5.3. Begleitmassnahmen im Rechtsschutz

[30]

Es wird von einer positiven Mobilisierungswirkung ausgegangen, wenn der Zugang zum Rechtsmittelverfahren niederschwellig und unterstützend ausgestaltet ist. Dementsprechend wird mit den Teilindikatoren zum einen berücksichtigt, ob das Rechtsmittelverfahren in der Sozialhilfe explizit kostenlos ist (vgl. zur mobilisierungshindernden Wirkung von Kostenrisiken: Fuchs, G. et al. 2020, 51). Zum anderen wird erfasst, ob eine Pflicht zur Unterstützung in Rechtsfragen verankert ist (Fuchs, G. et al. 2020, passim). Im Sinne der Rechtsmobilisierung werden solche Normen (unabhängig von der inhaltlichen Varianz) als mobilisierungsfördernd und entsprechend das Fehlen solcher Normen als mobilisierungshindernd bewertet.

Tabelle 8: Die Teilindikatoren des Indikators «Begleitmassnahmen im Rechtsschutz»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Allgemeine Kostenlosigkeit im Rechtsmittelverfahren 0 (Verfahrenskosten vorgesehen)
5 (Kostenlosigkeit explizit festgehalten)
Pflicht zur Unterstützung in Rechtsfragen 0 (keine expliziten Pflichten)
5 (Pflichten zu Information, Aufklärung und Beratung)

 

5.4. Ausgestaltung der Finanzierung

[31]

Bei der Finanzierung der Sozialhilfe lassen sich im geltenden Recht von der reinen Kantonsfinanzierung über Mischformen bis hin zur reinen Gemeindefinanzierung die verschiedensten Varianten finden. Bezogen auf die Rechtsmobilisierung wird dabei von folgender Annahme ausgegangen: Muss die Gemeinde die Kosten der Sozialhilfe vollumfänglich selbst tragen, wirkt sich dies direkt und indirekt negativ auf die Mobilisierung aus. Direkt, indem die armutsbetroffene Person keinen Antrag stellt, weil sie einen latenten Druck verspürt, keine Leistungen zu beziehen, und/oder aus Angst, die Gemeindefinanzen zu belasten und Stigmatisierung zu erfahren. Indirekt führt der Finanzdruck, der auf der Gemeinde lastet, zu einer abwehrenden Haltung und zum Aufbau von Hürden für den Sozialhilfebezug durch die Behörden. Es wird angenommen, dass sich dies verstärkt, wenn eine politische Behörde und nicht ein professioneller Sozialdienst über die Sozialhilfe entscheidet. Entsprechend wird mit den Teilindikatoren erfasst, wie die Sozialhilfe finanziert wird, d.h. ob und in welchem Masse sich der Kanton an den Kosten beteiligt (vertikaler Lastenausgleich) und ob und in welchem Masse die Gemeinden die Sozialhilfekosten untereinander solidarisch aufteilen (horizontaler Lastenausgleich).

Tabelle 9: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung der Finanzierung»

Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
Vertikaler Lastenausgleich (zwischen Kanton und Gemeinden) 0 (keine kantonale Beteiligung)
1 (20% Beteiligung)
2 (40% Beteiligung)
3 (60% Beteiligung)
4 (80% Beteiligung)
5 (100% Beteiligung)
Horizontaler Lastenausgleich (zwischen Gemeinden falls kein vollständiger vertikaler Lastenausgleich besteht) 0 (Kein Lastenausgleich)
2.5 (teilweiser Lastenausgleich)
5 (vollständiger Lastenausgleich)

 

5.5. Ausgestaltung der Organisation

[32]

Hier besteht die Annahme, dass sich ein professioneller Sozialdienst positiv auf die Rechtsmobilisierung auswirkt, da das Vertrauen in Fachinstanzen höher sein dürfte als in politische Behörden, bei denen vermutet wird, dass sie fachliche Argumente weniger priorisieren als Fachinstanzen. Weiter wird angenommen, dass sich die räumliche und persönliche Distanz zum Sozialdienst mobilisierungsfördernd auswirkt, da dadurch eine Anonymität entsteht, welche bei kleinräumigem Sozialhilfevollzug nicht angenommen werden kann. Entsprechend wird erfasst, auf welcher Ebene (kommunal, regional, kantonal) die Entscheide vorbereitet und gefällt werden und ob an die vorbereitende und entscheidende Instanz qualitative Vorgaben gestellt werden, d.h. insbesondere, ob Erfordernisse an die fachliche Qualifikation der Mitarbeitenden formuliert sind (siehe dazu ausführlich: Coullery/Grob 2024).

Tabelle 10: Die Teilindikatoren des Indikators «Ausgestaltung der Organisation»

  Teilindikator Skala der Bewertung in Punkten
  Kompetenzverteilung Behörde/Dienst 0 (politische Behörde entscheidet)
2.5 (Delegation an nicht-politische Behörde möglich)
5 (politische Behörde/Kommission hat keine Funktion im operativen Geschäft, der Sozialdienst entscheidet)
  Organisations- und Vollzugsebene  
Aspekte des Teilindikators Vorbereitung des Entscheids 0 (rein kommunal)
2.5 (regional)
5 (kantonal)
Fällen des Entscheids 0 (rein kommunal)
2.5 (regional)
5 (kantonal)
  Qualitative (Ausbildungs-)Vorgaben  
Aspekte des Teilindikators an die Entscheid vorbereitende Instanz 0 (keine Vorgaben)
2.5 (abstrakte Vorgaben)
5 (konkrete Vorgaben)
an die entscheidende Instanz 0 (keine Vorgaben)
2.5 (abstrakte Vorgaben)
5 (konkrete Vorgaben)

 

6. Verortung der Kantone: mobilisierungshindernd bis -fördernd auf zwei Ebenen

[33]

Die Normenanalyse entlang der beschriebenen Indikatoren ermöglicht es, die Ausgestaltung der kantonalen Sozialhilfesysteme mit Blick auf die Rechtsmobilisierung vergleichend zu betrachten und einzuordnen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt auf zwei unterschiedliche Arten: Zunächst wird die Darstellung in Form von Netzdiagrammen, in denen für einzelne Kantone alle Indikatoren und deren Ausprägung visualisiert werden können, vorgestellt (Ziff. 6.1). Um einen Vergleich und eine Typologisierung zwischen den Kantonen zu ermöglichen, wird danach eine Verortung in einem Koordinatensystem vorgenommen, in dem die individuelle Ebene auf der y-Achse, die organisational-strukturelle Ebene auf der x-Achse abgebildet ist. Dadurch lassen sich vier Quadranten bilden, in denen die Kantone verortet werden (Ziff. 6.2).

6.1. Kantonale Netzdiagramme

[34]

Aus der Normenanalyse ergibt sich pro Kanton ein Netzdiagramm, welches auf der linken Hälfte die fünf Indikatoren der individuellen Ebene und auf der rechten Hälfte die fünf Indikatoren der organisational-strukturellen Ebene darstellt. Je mobilisierungsfördernder das Sozialhilferecht, desto ausgedehnter ist die Fläche des Netzdiagrammes. Nachfolgend werden exemplarisch die Netzdiagramme der Kantone Bern, Luzern und Fribourg genauer betrachtet, die jeweils einem anderen Typ in der Grobtypologie (siehe 6.2) zuzuordnen sind: Das Sozialhilferecht in Bern zeigt sich als mobilisierungsfördernd auf beiden Ebenen; in Luzern12 ist es mobilisierungsfördernd auf der individuellen Ebene, jedoch -hindernd auf der organisational-strukturellen Ebene, die Gesetzgebung des Kantons Fribourg ist auf beiden Ebenen mobilisierungshindernd ausgeprägt. Die Netzdiagramme aller 26 Kantone können auf der Projektwebsite eingesehen werden.13

6.1.1. Kanton Bern

[35]

Die mobilisierungsfördernde Ausgestaltung des Sozialhilferechts zeigt sich im Kanton Bern besonders ausgeprägt auf der organisational-strukturellen Ebene. Der Sozialhilfevollzug wird durch professionalisierte und regionalisierte Sozialdienste gewährt, an deren Personal spezifische Ausbildungserfordernisse gestellt werden. Der Kanton beteiligt sich zur Hälfte an der Finanzierung der Sozialhilfekosten und es besteht zudem ein vollständiger Lastenausgleich zwischen den Gemeinden, was einem potenziell mobilisierungshindernden finanziellen Druck auf einzelne Gemeinden entgegenwirkt. Auch der Zugang zu den Rechtsmitteln ist mobilisierungsfördernd ausgestaltet, indem betroffene Personen rasch an eine unabhängige Instanz gelangen. Dennoch existieren auch mobilisierungshindernde Normen, so etwa die Möglichkeit der Sozialinspektion zur Sachverhaltsfeststellung (Indikator «Ausgestaltung des Verfahrens»).

[36]

Auch auf individueller Ebene ist im Kanton Bern das Recht tendenziell mobilisierungsfördernd ausgestaltet, allerdings weniger ausgeprägt. Als besonders fördernd für die Mobilisierung wird der Umstand erachtet, dass bei der Sanktionierung von Pflichtverletzungen Ermessensspielräume der Sozialarbeitenden bestehen,14 ebenso die Tatsache, dass bei der Höhe und Dauer von Sanktionen die Empfehlungen der SKOS eingehalten werden und ausschliesslich eine Leistungskürzung und nicht eine Leistungseinstellung als Sanktion vorgesehen ist. Weiter zeigt sich die sozialstaatliche Orientierung bereits auf höherer Normstufe in der Kantonsverfassung15 und in den Ziel- und Zweckvorgaben des Sozialhilfegesetzes, indem u.a. Existenzsicherung, soziale Integration und Prävention als Ziele positivrechtlich festgehalten werden.16 Gleichzeitig sind in der Ausgestaltung der wirtschaftlichen Sozialhilfe und der Pflichten der Sozialhilfebeziehenden mobilisierungshindernde Aspekte vorhanden. So liegt das Leistungsniveau verschiedentlich unter den Empfehlungen der SKOS-Richtlinien: Dies gilt sowohl für den Grundbedarf für den Lebensunterhalt (CHF 1’00617 statt CHF 1’031) als auch für die Integrationszulage (CHF 10018 statt CHF 100 bis 300). Bei den Pflichten fällt vor allem die mobilisierungshindernde Ausgestaltung der Rückerstattungspflicht ins Gewicht, die nicht nur bei einem Vermögensanfall, sondern auch aus Erwerbseinkommen geltend gemacht werden kann.19

Abbildung 1: Netzdiagramm zum Kanton Bern (eigene Darstellung)

6.1.2. Kanton Luzern

[37]

Das Sozialhilferecht des Kantons Luzern ist auf der individuellen Ebene tendenziell mobilisierungsfördernd ausgestaltet, auf der organisational-strukturellen Ebene bestehen hingegen Mobilisierungshindernisse. Auf individueller Ebene besonders mobilisierungsfördernd ausgestaltet ist das Recht auf persönliche Hilfe. Der Anspruch auf persönliche Hilfe besteht in schwierigen Lebenslagen, unabhängig von Leistungen der wirtschaftlichen Sozialhilfe, gleichzeitig ist deren Inanspruchnahme freiwillig bzw. nicht an verpflichtende Elemente geknüpft.20 Diese niederschwellige Ausgestaltung der persönlichen Hilfe kann eher dazu führen, dass Personen ihren Rechtsanspruch geltend machen.

[38]

Auf der organisational-strukturellen Ebene bestehen im Kanton Luzern hingegen verschiedene mobilisierungshindernde Normen. In der Organisation regelt das Sozialhilfegesetz, dass der Gemeinderat über die Sozialhilfe entscheidet, der diesen Entscheid jedoch an Sozialdienste, Gemeindeverbände oder Dritte delegieren kann.21 Zwar haben die Einwohnergemeinden einen Sozialdienst zu führen, in welchem mindestens eine fachlich geeignete Person tätig sein muss (i.d.R. erfordert dies einen Fachhochschulabschluss in Sozialer Arbeit).22 Dadurch bestehen allerdings keine verbindlichen Vorgaben, die eine persönliche und eine örtliche Distanz zwischen den Antragsstellenden und der entscheidenden Behörde schaffen würden. Auch bleiben Entscheide durch Laienbehörden möglich.

[39]

Die Finanzierung der Sozialhilfekosten im Kanton Luzern kann sich ebenfalls mobilisierungshindernd auswirken. Es besteht weder ein Lastenausgleich zwischen Kanton und Gemeinden noch ein Lastenausgleich unter den Gemeinden. Dadurch hat jede Gemeinde die Sozialhilfe allein zu finanzieren und kann bei steigenden Sozialhilfequoten unter finanziellen Druck geraten. Hinzu kommt, dass bereits das nicht-strittige Verfahren, besonders dann aber auch das Rechtsmittelverfahren eher mobilisierungshindernd ausgestaltet sind. So kann auf das rechtliche Gehör sowie die Begründung von Entscheiden (aufgrund einer bestehenden Einsprachemöglichkeit) verzichtet werden. Durch die Einsprache wird der Weg zu einer unabhängigen Instanz verlängert, was sich mobilisierungshindernd auswirken kann.

Abbildung 2: Netzdiagramm zum Kanton Luzern (eigene Darstellung)

6.1.3. Kanton Fribourg

[40]

Das Sozialhilferecht des Kantons Fribourg ist sowohl auf individueller als auch auf organisational-struktureller Ebene als mobilisierungshindernd einzuordnen. So ist der Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe weder als subjektiver Rechtsanspruch formuliert noch entspricht die Leistungshöhe den Empfehlungen der SKOS-Richtlinien (Grundbedarf für den Lebensunterhalt von CHF 1’01523 statt CHF 1’031, Integrationszulage von fix CHF 100 oder CHF 25024 statt CHF 100 bis 300). Die Pflichten, die einer sozialhilfebeziehenden Person auferlegt werden können, sind abstrakt formuliert und weder explizit noch umfassend durch das Prinzip der Verhältnismässigkeit eingeschränkt. So muss beispielsweise «wer materielle Hilfe beantragt, (muss) dem Sozialdienst über seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse genau Auskunft»25 geben. Die Rückerstattungspflicht kann geltend gemacht werden, sobald «die finanziellen Verhältnisse» es gestatten.26 Dies kann für hilfesuchende Personen abschreckend wirken, weil dadurch die Rückerstattungspflicht besonders früh einsetzen kann.

[41]

Diese Mobilisierungshindernisse werden durch gewisse Strukturen verstärkt. So besteht auch im Kanton Fribourg die Möglichkeit einer Einsprache, weshalb die Behörden auf das rechtliche Gehör im nicht-strittigen Verfahren verzichten können. Wie in vielen Kantonen besteht auch in Fribourg keine Pflicht der Vollzugsbehörden, Personen bei Rechtsfragen zu unterstützen, was die Rechtsmobilisierung behindern kann. Ebenso ist nicht sichergestellt, dass das Rechtsmittelverfahren kostenlos ist. Obwohl die Gemeinden im Kanton Fribourg zur Führung eines Sozialdienstes mit qualifiziertem Personal verpflichtet sind, liegt der letztliche Entscheid über ein Gesuch um wirtschaftliche Sozialhilfe bei einer Sozialkommission, deren Zusammensetzung gesetzlich sehr offen geregelt ist und damit grundsätzlich politisch geprägt werden kann.27 Im Unterschied zu Luzern ist hier gesetzlich auch keine Delegationsmöglichkeit vorgesehen und die Kommission hat zwingend über die Gewährung der Sozialhilfe zu entscheiden.28

Abbildung 3: Netzdiagramm zum Kanton Fribourg (eigene Darstellung)

6.2. Koordinatensystem und Grobtypologie

[42]

Die Netzdiagramme zeigen, dass es ausgeprägte Unterschiede zwischen den Kantonen gibt. Dies lässt sich noch deutlicher bei der Verortung der Kantone im Koordinatensystem feststellen.

[43]

Im Koordinatensystem sind dabei drei Grundtypen zu unterscheiden: Kantone mit mobilisierungsfördernden Normen auf beiden Ebenen (Appenzell-Ausserrhoden, Bern, Genf, Glarus und Jura), Kantone, bei denen beide Ebenen mobilisierungshindernd ausgestaltet sind (Fribourg, Graubünden, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Thurgau, Uri, Wallis) sowie Kantone mit mobilisierungsfördernden Normen auf einer Ebene und mobilisierungshindernden Normen auf der anderen Ebene. Bei Letzteren sind die Kantone zu unterscheiden, die zwar eine mobilisierungsfördernde Organisation und Struktur, aber Defizite auf der individuellen Ebene aufweisen (Appenzell-Innerrhoden, Neuenburg, Tessin und Waadt), sowie diejenigen mit mobilisierungsfördernd ausgestalteten individuellen Rechten und mobilisierungshindernden Strukturen (Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Luzern, Solothurn, Zug und Zürich). Zur Visualisierung dieser verschiedenen Status wird symbolhaft eine Ampellogik beigezogen: grün eingefärbt sind Kantone mit mobilisierungsfördernden Normen auf beiden Ebenen, gelb eingefärbt diejenigen Kantone mit mobilisierungsfördernden Normen auf einer Ebene und mobilisierungshindernden Normen auf der anderen Ebene, und schliesslich rot eingefärbt die Kantone, bei denen beide Ebenen mobilisierungshindernd ausgestaltet sind.

[44]

Es zeigt sich eine breite Streuung, die besonders auf der organisational-strukturellen Ebene ausgeprägt ist. Auf der individuellen Ebene erreichen mit Ausnahme des Kantons Thurgau (5.5 Punkte) und des Kantons Basel-Stadt (16 Punkte) alle Kantone einen Wert zwischen 7 und 14 Punkten. Auf der organisational-strukturellen Achse verteilen sich die Kantone hingegen zwischen 3 und 21 Punkten. Vermutungsweise liegt dies daran, dass auf organisational-struktureller Ebene weder das Bundesrecht noch die SKOS-Richtlinien nennenswerte Vorgaben enthalten, während zumindest letztere verschiedene Empfehlungen für die individuelle Ebene formulieren.

[45]

Während auf der individuellen Ebene rund die Hälfte der Kantone in der oberen Hälfte der Skala liegt, bewegen sich nur 8 Kantone in der rechten Hälfte. Zwar sind Organisation und Struktur bei einigen Kantonen sehr mobilisierungsfördernd, namentlich in den Kantonen Bern und Jura. In diversen Kantonen deutet die Normenanalyse auf stark mobilisierungshindernde Strukturen hin, so dass auf dieser Ebene weniger als 8 Punkte und somit weniger als ein Drittel der möglichen Punkte erreicht wurden. In Bezug auf den Kanton Basel-Stadt ist auch interessant, dass dessen Sozialhilferecht zwar auf der organisational-strukturellen Ebene mit niedriger Punktezahl abgebildet wird, gleichzeitig aber in Bezug auf die Rechte und Pflichten von allen Kantonen am mobilisierungsfördernsten ausgestaltet ist (16 Punkte).

Abbildung 4: Koordinatensystem mit Verortung aller Kantone (eigene Darstellung)

7. Diskussion und Fazit

[46]

Der vorgenommene interkantonale Vergleich der 26 kantonalen Sozialhilfegesetzgebungen entlang von objektiven Mobilisierungsfaktoren zeigt eine eindrückliche Varianz der kantonalen Regelungen auf.

[47]

Diese Varianz ist auf der individuellen Ebene trotz der vermuteten harmonisierenden Wirkung der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) relativ ausgeprägt (Streuung von 5.5 bis 16 Punkten). Dabei ist nicht nur die Streuung bemerkenswert, sondern auch, dass die Streuung nicht auf einem höheren Niveau erfolgt. Eine solche wäre zu erwarten gewesen, da Normen, die den SKOS-Richtlinien entsprechen, als mobilisierungsfördernd bewertet wurden. Dies deutet darauf hin, dass kantonale Abweichungen von den SKOS-Richtlinien verbreitet sind, was sich vor allem in den Indikatoren zur Ausgestaltung der wirtschaftlichen Hilfe, den Pflichten und Sanktionen zeigen dürfte. Diesbezüglich ist jedoch noch eine vertieftere Analyse der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der jeweiligen Kantone in einem Quadranten vorzunehmen. Dies sollte beispielsweise Aussagen darüber erlauben, in Bezug auf welche Indikatoren sich die auf der individuellen Ebene mobilisierungshindernden Gesetzgebungen ähneln.

[48]

Noch ausgeprägter sind die Unterschiede jedoch auf der organisational-strukturellen Ebene (Streuung von 3 bis 21 Punkten). Dass dabei nur 8 Kantone in der oberen Hälfte der Punktezahlen zu liegen kommen, deutet auf Mobilisierungshindernisse in den Strukturen hin. Gleichzeitig zeigt sich hier mit dem Kanton Basel-Stadt – der Kanton mit der tiefsten Punktzahl auf dieser Ebene – auch eine mögliche Ausnahme dieser Feststellung: So ist beispielweise eine fehlende vorgeschriebene Regionalisierung im (Gross-)Stadt Kanton mit nur wenigen Gemeinden in der Realität weitaus weniger problematisch als in einem Kanton mit vielen ländlichen (Klein-)Gemeinden. Dies weist auch darauf hin, dass die hier präsentierten Resultate, die auf einer reinen Normenanalyse beruhen, einer Validierung in der Praxis bedürfen.

[49]

Dennoch bleibt zu betonen, dass aus dieser Analyse deutliche Hinweise auf Mobilisierungshindernisse hervortreten. Diese und auch die ausgeprägte Streuung sind sowohl aus Verfassungs- und besonders grundrechtlicher Sicht (vgl. Coullery/Studer 2024, 308) als auch aus sozialpolitischer Sicht problematisch:

[50]

Aus verfassungs- und grundrechtlicher Sicht ist festzustellen, dass Mobilisierungshindernisse in der Sozialhilfe gleichzeitig auch Hindernisse in der Verwirklichung der Grundrechte darstellen. Auf der individuellen Ebene bedeutet dies, dass der Anspruch auf ein soziales Existenzminimum, der sich aus der Menschenwürde29 dem Diskriminierungsverbot30, der persönlichen Freiheit31 und dem Recht auf Hilfe in Notlagen32 ableitet, nicht eingelöst wird (vgl. Coullery/Studer 2024, 296 ff). Der Auftrag zur Verwirklichung der Grundrechte33 verpflichtet die Kantone jedoch nicht nur, Leistungen im entsprechenden Umfang vorzusehen, sondern auch dazu, Vollzugsstrukturen einzurichten, die gerade nicht abschreckend sein dürfen, sondern vielmehr eine «soziale Grundrechtseffektivität» zu sichern haben (vgl. Coullery/Studer 2024, 302 ff). Es muss auch als Ausfluss des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung betrachtet werden, dass verbriefte grundrechtliche oder gesetzliche Ansprüche nicht durch mobilisierungshindernde Vollzugsstrukturen in Organisation und Verfahren ausgehebelt werden.

[51]

Bei den unterschiedlich mobilisierungsfördernden Ausprägungen der kantonalen Sozialhilfegesetzgebungen wird es Ausgestaltungen geben, die zwar als suboptimal, aber nicht als verfassungswidrig zu qualifizieren sein werden. Dies gilt umso mehr, als im Föderalismus schweizerischer Prägung die Rechtsgleichheit nicht angerufen werden kann, wenn verschiedene Kantone oder Gemeinden im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten identische Sachverhalte unterschiedlich behandeln (vgl. hierzu Coullery/Grob 2024, 14). Aus sozialpolitischer Sicht stellt sich aber die Frage, inwieweit die grossen Unterschiede in der mobilisierungsrelevanten Ausgestaltung des Sozialhilferechts, und damit im sozialstaatlichen Kernbereich der Existenzsicherung, sowohl zwischen den Kantonen wie auch innerhalb der Kantone gerechtfertigt werden können. Die hier präsentierte Normenanalyse, basierend auf einem differenzierten Indikatorensystem, zeigt Anhaltspunkte, wo auf gesetzgeberischer Ebene anzusetzen wäre, um die Mobilisierungsfreundlichkeit der Sozialhilfegesetzgebung zu erhöhen. Primär scheint dieser Bedarf auf der organisational-strukturellen Ebene deutlicher vorhanden zu sein und viele kantonale Gesetze weisen hier Defizite aus. Ob eine hilfesuchende Person ihren Rechtsanspruch auf Sozialhilfe geltend macht oder nicht, dürfte jedoch von einem Zusammenspiel beider Ebenen abhängig sein. Zudem hängt die Rechtsmobilisierung, wie unter Ziffer 2 erläutert, nicht ausschliesslich vom objektiven Faktor der gesetzlichen Regelungen ab, sondern auch von subjektiven Faktoren. Dies bedeutet zwar, dass selbst bei einer optimalen Ausgestaltung eines kantonalen Sozialhilfegesetzes, die Mobilisierung nicht auf 100 Prozent steigen bzw. die Nichtbezugsquote nicht auf 0 Prozent sinken wird. Das Wissen um die Relevanz subjektiver Faktoren entbindet die kantonalen gesetzgebenden Instanzen aber nicht von ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht, die Mobilisierungswirkung ihrer Sozialhilfegesetzgebung zu verbessern und eine entsprechende Optimierung in der Rechtsetzung anzustreben.

[52]

In einem nächsten Schritt werden die Autor*innen in den drei ausgewählten Kantonen Bern, Fribourg und Luzern, welche eine mobilisierungsfördernde Gesamtausrichtung (Bern) respektive Mobilisierungshindernisse auf einer Ebene (Luzern) oder beiden Ebenen (Fribourg) ausweisen, die Rechtswirklichkeit in Befragungen (von Sozialdiensten, gegebenenfalls Behörden, Leistungsbeziehenden und -nichtbeziehenden sowie Nichtregierungsorganisationen) und Analysen (insbesondere der kantonalen Rechtsprechung) eingehender ausleuchten. Der nächste Untersuchungsschritt soll einerseits das Indikatorensystem und die ihm zu Grunde liegenden Annahmen prüfen, einen allfälligen Anpassungsbedarf aufzeigen und schliesslich Hinweise darauf geben, welche gesetzlichen Hürden eine grosse Wechselwirkung zu subjektiven Entscheiden, den Anspruch auf Sozialhilfe nicht zu mobilisieren, aufweisen. Dies wird dann wiederum den vorerst vermuteten ausgeprägteren Anpassungsbedarf auf organisational-struktureller Ebene bestätigen oder eben nicht.


Dr. iur. Pascal Coullery, Prof. FH, Dozent an der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit.

Jan Gerber, BSc in Sozialer Arbeit, BA in Philosophie, wissenschaftlicher Assistent an der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit.

Dominik Grob, BLaw, BSc in Sozialer Arbeit, wissenschaftlicher Assistent an der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit.

Alissa Hänggeli, MA in European Global Studies, externe Fachperson an der Berner Fachhochschule Soziale Arbeit, bis Ende 2024 wissenschaftliche Assistentin.

Dr. iur. Melanie Studer, Rechtsanwältin, Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern Soziale Arbeit.

Die Autor:innen erarbeiteten diesen Beitrag gemeinschaftlich im Rahmen des SNF-Projekts «Recht und Wirklichkeit in der Sozialhilfe». Alle beschäftigen sich im Rahmen ihrer Hochschultätigkeiten mit Sozial(hilfe)rechtlichen Fragestellungen in der Lehre, Weiterbildung und/oder Forschung.

Kontakt: rechtaufsozialhilfe.soziale-arbeit@bfh.ch 

Die Autor*innen danken PD Dr. Michelle Beyeler und PD Dr. Gesine Fuchs für ihre wertvollen Anregungen zu einer früheren Version dieses Artikels. 


Literatur

  • Baer, Susanne (2021): Rechtssoziologie. Eine Einführung in die interdisziplinäre Rechtsforschung, 4. Auflage, Baden-Baden.
  • Coullery, Pascal / Grob, Dominik (2024): Die Soziale Arbeit im Spiegel des kantonalen Sozialhilferechts, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit/Revue suisse de travail social Band 32.24.
  • Coullery, Pascal / Studer, Melanie (2024): Verfassungs- und völkerrechtliche Rahmung des schweizerischen Sozialhilferechts: Stand der Debatte und Denkanstösse, in: ZBl 125/2024 287 ff.
  • De Schutter, Olivier (2022): Non-take-up of rights in the context of social protection, Report of the Special Rapporteur on extreme poverty and human rights, United Nations.
  • Eidgenössisches Departement des Innern (2013): Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut – Konzept, Bern.
  • Eurofund (2015): Access to social benefits: Reducing non-take-up, Publication office of the European Union, Luxembourg.
  • Fuchs, Gesine / Konstatzky, Sandra / Liebscher, Doris / Berghahn, Sabine (2009): Rechtsmobilisierung für Lohngleichheit. Der Einfluss rechtlicher und diskursiver Bedingungen in der Schweiz, Deutschland und Österreich im Vergleich, in: Kritische Justiz, 3/42, S. 253–270.
  • Fuchs, Gesine / Abbas, Marina / Studer, Melanie / Koschmieder, Nikola / Pärli, Kurt / Meier, Anne / Blanchet, Nathalie / Ruch, Marion (2020): Rechtsberatung und Rechtsschutz von Armutsbetroffenen in der Sozialhilfe, Bundesamt für Sozialversicherungen (Hrsg.), Forschungsbericht Nr. 18/20, Luzern.
  • Fuchs, Michael / Gasior, Katrin / Premrov, Tamara / Hollan, Katarina / Scoppetta , Anette (2020): Falling through the social safety net? Analysing non-take-up of minimum income benefit and monetary social assistance in Austria, in: SocialPolicy & Administration. 54 (5), S. 827 ff.
  • Guggisberg, Jürg / Gerber, Céline (2022): Nichtbezug von Sozialhilfe bei Ausländer/innen mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der Schweiz, Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS AG (Hrsg.), Bern.
  • Gygi, Fritz (1986): Verwaltungsrecht – Eine Einführung, Bern.
  • Hümbelin, Oliver (2019): Non-Take-Up of Social Assistance: Regional Differences and the Role of Social Norms, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie, 45(1), S. 7 ff.
  • Hümbelin, Oliver / Elsener, Nadin / Lehmann, Olivier (2023): Nichtbezug von Sozialhilfe in der Stadt Basel, 2016–2020, Bern.
  • Lucas, Barbara (2024): Non-take-up as a social experience. Towards a typology of not claiming social benefits. in: Culture, Practice & Europeanization, 9(2), 176 ff.
  • Meier, Gisela / Mey, Eva / Strohmeier Navarro Smith, Rahel (2021): Nichtbezug von Sozialhilfe in der Migrationsbevölkerung, Projektbericht, Zürich.
  • Mösch Payot, Peter (2014): § 39 Sozialhilfe, in: Mosimann, Hans-Jakob / Steiger-Sackmann, Sabine (Hrsg.), Recht der Sozialen Sicherheit. Sozialversicherungen, Opferhilfe, Sozialhilfe – Beraten und Prozessieren, Basel, S. 1411–1453.
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  • OECD (1998): Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Band 3: Sozialhilfe in Kanada und in der Schweiz, Bern.
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  • Van Oorschot, Wim (1991): Non-Take-Up of Social Security Benefits in Europe. Journal of European Social Policy, 1(1), S. 15 ff.
  • Wrase, Michael (2019): Rechtswirkungsforschung revisited. Stand und Perspektiven der rechtssoziologischen Wirkungsforschung, in: Boulanger, Christian / Rosenstock, Julika / Singelnstein, Tobias (Hrsg.), Interdisziplinäre Rechtsforschung, Wiesbaden, S. 127–142.


  1. 1 «Recht und Wirklichkeit in der Sozialhilfe: Rechtsmobilisierung im interkantonalen Vergleich», https://data.snf.ch/grants/grant/207637.
  2. 2 Die SKOS ist ein nationaler Fachverband von Akteuren der Sozialhilfe, dem alle Kantone, rund 1500 Gemeinden, verschiedene Bundesämter und Organisationen der privaten Sozialhilfe angehören. Seit den 1960er Jahren veröffentlicht die SKOS Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe, die als Empfehlungen formuliert sind. Die Richtlinien werden von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK verabschiedet und den Kantonen zur Anwendung empfohlen (vgl. zum Ganzen https://skos.ch/die-skos).
  3. 3 So sehen verschiedene Kantone eine 10-jährige Frist vor, z.B. der Kanton Aargau (§ 9 Abs. 2 des Gesetzes vom 12. März 2013 über das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Kanton Aargau [SAR 121.200]).
  4. 4 Nicht berücksichtigt wurden hier die Normen des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (SR 142.20), die eine Nichtverlängerung oder einen Widerruf ausländerrechtlicher Bewilligungen vorsehen, sofern eine Sozialhilfeabhängigkeit gegeben ist, da es sich um bundesrechtliche Vorgaben handelt und keine kantonalen Regelungsspielräume bestehen (vgl. zu deren Auswirkung auf den Nichtbezug: Guggisberg/Gerber 2022; Hümbelin/Elsener/Lehmann 2023, 45; Lucas 2024, 193).
  5. 5 Art. 12 des Gesetzes vom 29. April 2001 über die öffentliche Sozialhilfe des Kantons Appenzell Innerrhoden (GS 850.000).
  6. 6 Zum Gesetzesvollziehungsanspruch vgl. Gygi 1986, 164.
  7. 7 Art. 11 Abs. 2 des Gesetzes vom 24. September 2007 über die öffentliche Sozialhilfe des Kanton Appenzell Ausserrhoden (bGS 851.1).
  8. 8 § 11 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2001 über die Sozial- und die Jugendhilfe des Kanton Basel-Landschaft (SGS 850).
  9. 9 Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. Mai 1995 über die öffentliche Sozialhilfe des Kanton Glarus (GS VIII E/21/3).
  10. 10 Art. 49 des Gesetzes vom 11. Juni 2001 über die öffentliche Sozialhilfe des Kanton Bern (SHG BE, BSG 860).
  11. 11 § 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung vom 28. August 2002 über die Sozialhilfe und Prävention des Kanton Aargau (SPV AG, SAR 851.211).
  12. 12 Der Kanton Luzern steht für einen Kanton, dessen Sozialhilfegesetzgebung auf einer Ebene mobilisierungsfördernd und auf einer Ebene mobilisierungshindernd bewertet wird. Die Variante, wonach die Gesetzgebung eines Kantons auf der individuellen Ebene mobilisierungshindernd, auf der organisational-strukturellen Ebene jedoch mobilisierungsfördernd bewertet wird, wird in diesem Artikel daher nicht eingehender dargestellt.
  13. 13 bfh.ch/recht-auf-sozialhilfe.
  14. 14 So kann nach Art. 36 Abs. 1 SHG BE bei Pflichtverletzungen «in leichten, begründeten Fällen» von einer Kürzung abgesehen werden.
  15. 15 Vgl. Art. 30 und Art. 38 der Verfassung vom 6. Juni 1993 des Kantons Bern (BSG 101.1).
  16. 16 Art. 1 und 3 SHG BE.
  17. 17 Art. 8 Verordnung vom 24. Oktober 2001 über die öffentliche Sozialhilfe (SHV BE; BSG 860.111).
  18. 18 Art. 8a Abs. 2 SHV BE
  19. 19 Art. 11b Abs. 2 SHV BE.
  20. 20 Vgl. § 24 des Gesetzes vom 16. März 2015 über die Sozialhilfe des Kantons Luzern (SHG LU, SRL 892).
  21. 21 § 17 Abs. 1 SHG LU.
  22. 22 § 17 Abs. 2 SHG LU i.V.m. § 2a der Verordnung vom 24. November 2015 über die Sozialhilfe des Kantons Luzern (SHV LU, SRL 892a).
  23. 23 Art. 2 Verordnung vom 2. Mai 2006 über die Richtsätze für die Bemessung der materiellen Hilfe nach dem Sozialhilfegesetz (VRBS FR, SGF 831.0.12)
  24. 24 Art. 4 VRBS FR
  25. 25 Art. 24 des Gesetzes vom 14. November 1991 über die Sozialhilfe des Kantons Fribourg (SHG FR, SGF 831.0.1.).
  26. 26 Art. 29 SHG FR.
  27. 27 Art. 19 Abs. 1bis SHG FR, hält lediglich fest, dass als Mitglieder der Sozialkommission auch Personen ausserhalb der Gemeinde-Exekutiven bezeichnet werden können.
  28. 28 Art. 20 SHG FR.
  29. 29 Art. 7 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV), SR 101.
  30. 30 Art. 8 Abs. 2 BV.
  31. 31 Art. 10 Abs. 2 BV.
  32. 32 Art. 12 BV.
  33. 33 Art. 35 BV.
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