Contributi scientifici del Congresso SEVAL DOI: 10.38023/5f58cc91-a892-437f-bf0a-0d238eaa5f0a

Partizipative Ansätze und Evaluationsmethodik

Pia Gabriel-Schärer
Pia Gabriel-Schärer
Martin Wicki
Martin Wicki

Citazione: Pia Gabriel-Schärer / Martin Wicki, Partizipative Ansätze und Evaluationsmethodik, LeGes 32 (2021) 1

Im Workshop 4 wurden acht Voraussetzungen herausgearbeitet, unter denen partizipative Ansätze der Evaluation konkret eingesetzt werden können; Hintergrund bildeten dabei Erfahrungen in den Bereichen Raumplanung und Tourismus. Was dabei herauskam, war Folgendes: Partizipative Herangehensweisen müssen neue Horizonte eröffnen, die Probleme entwirren, Konsensfindung ermöglichen und dürfen nicht zu schnell auf (vermeintliche) Lösungen zusteuern. In diesem Sinne sind partizipative Ansätze sicherlich besonders geeignet für formative Evaluationen. Bei summativen Evaluationen könnten sie eher angewendet werden auf die Verarbeitung und Interpretation der Ergebnisse und auf die Frage, wie mit den Ergebnissen weitergearbeitet werden soll. Schliesslich ist festzuhalten, dass es bei der Anwendung solcher Ansätze wichtig ist, dass mit Risiken, und zwar sowohl inhaltlicher als auch prozeduraler Art, umgegangen werden kann.


1. Einleitung

[1]

Wie können partizipative Ansätze für die Evaluation ausgestaltet und deren Ergebnisse für die Öffentlichkeit nützlich gemacht werden? Welche Erfahrungen sind damit gemacht worden? Wie sieht ein zweckmässiger Ansatz des Einbezugs von Interessenvertretungen aus? Basierend auf Praxiserfahrungen und anhand zweier Fallbeispiele entwickelte Markus Maibach (Organisationsberater INFRAS)1 acht Thesen zu partizipativen Ansätzen und diskutierte sie mit den Teilnehmenden. Vorauszuschicken ist, dass Partizipation hier in komplexen Entwicklungsprozessen vorgestellt wird, in denen Evaluation eines von mehreren Elementen ist, und ihr darin primär eine formative Funktion zukommt.

2. Zusammenfassung der Präsentation

[2]

Die Teilnehmenden erfuhren, was es bedeutet, eine Evaluation partizipativ zu planen und umzusetzen. Markus Maibach hat aus seinem reichen Erfahrungsschatz berichtet und die Herausforderungen bei einem Stadtentwicklungsprojekt und bei einem aktuellen Projekt zum Thema Entwicklung einer Tourismusstrategie dargelegt. Es handelte sich dabei um gross angelegte, komplexe Projekte, die mehrstufig und partizipativ angelegt waren. Die Beteiligung verschiedener Stakeholder-Gruppen diente punktuell dazu, spezifisches Wissen abzuholen und einzubauen. Ausserdem ergab sich dadurch eine gute Möglichkeit, Evaluationsergebnisse für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen, um partizipativ Strategien zu entwickeln und die Akzeptanz von Massnahmen zu stärken.

[3]

Partizipation ist vielschichtig und hängt von der konkreten Fragestellung ab. Es gibt deshalb unterschiedliche Arten von Einbezug. Markus Maibach stellte dies mit dem Bild einer Pyramide dar: Partizipation setzt an der Basis das Vorhandensein grundlegender Informationen und das Interesse sowie die Möglichkeit voraus, sich eine Meinung zu bilden. Echte Partizipation gestaltet sich in aufsteigender Form als Möglichkeit der Mitsprache, der Mitentscheidung und der Aktiv-Beteiligung. Krönung der Pyramide ist aber die gemeinsame Umsetzung als das eigentliche Ziel der Partizipation. Als geeignete Methode für Partizipation erwiesen sich Workshops, in denen mit kreativen Methoden IST-SOLL-Analysen erstellt, Visionen entwickelt und diese zu gewichten versucht wurden. Herausfordernd ist dabei, die unterschiedlichen Rollen insbesondere zwischen der Expertise und der Interessenvertretung zu klären und die auftretenden Unterschiede in den Perspektiven zuzulassen.

[4]

Markus Maibach erläuterte anhand zweier Fallbeispiele, der Entwicklung eines Stadtentwicklungskonzepts in Uster und der Entwicklung einer Tourismusstrategie für die Stadt Luzern als partizipativen Prozess, viele Aspekte dieser konkreten Projekte. Aus diesen praktischen Erfahrungen konnte er einige inhaltliche und prozedurale Knackpunkte ableiten. So äussern sich Konflikte häufig diffus, und die Interessen können in «Wunschkonzerte» münden, die sich von den eigentlichen Fragestellungen entfernen. Aber es können im Prozessablauf auch unvorhergesehen neue Themen auftauchen (z. B. aktuell Covid-19). Prozedural kann es schwierig sein, gewisse Stakeholder einzubinden oder deren Argumenten zu gebührendem Gewicht zu verhelfen, wenn die Stärke der Interessenvertretung sehr asymmetrisch ist.

[5]

Folgende Thesen hat Markus Maibach aus seinen Erfahrungen abgeleitet und mit den Teilnehmenden diskutiert:

  1. Partizipation erhöht die Validität von Evaluationen (und die Legitimität politischer Projekte) insbesondere dann, wenn die objektive Bewertung Grenzen aufweist.
  2. Je offener (bzw. komplexer) der Evaluationsgegenstand, je schwieriger eine objektive Bewertung, je mehr auch strategische Folgerungen gezogen werden sollen, desto wichtiger ist die Partizipation.
  3. Dabei ist die Prozessgestaltung mindestens so wichtig wie das Produkt.
  4. Eine möglichst sichtbare Trennung von fachlichen Beurteilungen und Meinungsbildung in einem partizipativen Umfeld ist zentral.
  5. Kernelemente sind: eine klare Zielgruppenanalyse, insbesondere bezüglich Betroffenheit, das explizite Aufzeigen des Zusammenführens von einzelnen Bewertungselementen und eine klare Rollenteilung der Evaluatoren / Strategieentwickler und der Moderatoren.
  6. Auswahl und Form des Partizipationsprozesses hängen stark vom Evaluationsgegenstand bzw. vom konzeptionell-strategischen Auftrag ab. Zu unterscheiden ist zwischen der Stakeholderperspektive, der Betroffenenperspektive und der Politik.
  7. Sinnvolle und erfolgreiche Partizipationsprozesse brauchen Ressourcen (Zeit für mehrstufige Partizipationsanlässe, finanzielle Mittel, an Zielgruppen angepasste Kommunikation).
  8. Für komplexe Beurteilungs- und Entscheidungsfindungsprozesse ist der explizite Einbezug von stark betroffenen Stakeholdern wichtig (z. B. Jugend, Gewerbe). Dabei sind die Zielsetzung und der Zeitpunkt der Partizipation gut und frühzeitig zu bestimmen und die Möglichkeiten und Grenzen der Partizipation den Betroffenen am Anfang des Prozesses klar zu kommunizieren.

3. Zusammenfassung der Diskussion

[6]

In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wann der richtige Zeitpunkt für Partizipation sei. Wann macht es Sinn, bereits zu Beginn einer Evaluation die Beteiligten partizipativ einzubinden? Wann ist es sinnvoll diese erst später zu beteiligen? Pauschale Antworten sind nicht zielführend, eher muss aufgrund der Fragestellung einer Evaluation bzw. des Kontextes entschieden werden, wann und in welcher Form Partizipation möglich ist. Partizipative Evaluationen sind unbestritten aufwendig, bringen jedoch einen Mehrwert. Heikel ist die Planung, wenn Interessensgruppen nicht gleich lange Spiesse haben. Es ist eine Kunst, einen ausgewogenen Prozess sicherzustellen, damit sich alle Interessensgruppen gleichberechtigt einbringen. Die Moderation muss dafür sorgen, dass die «Anderen» auch zu Wort kommen können. Es braucht manchmal Hilfestellungen, damit «schwächere» Beteiligte ihre Interessen auch in Sprache fassen können. Etwas Positives kann verbindend wirken, z. B. «Willkommenskultur» oder gemeinsame «Zukunftsbilder», damit die (offene oder verdeckte) Konfliktebene verlassen werden kann und Themen für einen neuen Konsens gefunden werden können.

[7]

Es wurde diskutiert, wie man die «richtigen» Interessensgruppen findet bzw. auswählt. Dies scheint insofern einfach, da in den meisten Evaluationsprojekten die Akteure gut bekannt sind. Die Stakeholderanalyse ist meistens schnell gemacht. Schwieriger ist es abzuschätzen, ob sich alle gut artikulieren können. In gewissen Fällen ist es sinnvoll, für die Diskussionen weitere Gruppen gezielt beizuziehen, z. B. Kinder und Jugendliche.

[8]

Die Teilnehmenden interessierten sich auch dafür, wie die vielen Daten aus den partizipativen Dialogen ausgewertet werden sollen. Meistens geht es bei solchen Gruppendiskussionen um Feedback, um Einschätzungen und Prioritäten und nicht um detaillierte Analysen von Transkripten.

4. Abschliessende Bemerkungen

[9]

Bei partizipativen Ansätzen ist das «Empowerment» als Thema sehr wichtig. Der Einbezug («Involvement») von Stakeholdern ist aufwendig, bringt aber einen qualitativen Mehrwert. Das Ziel einer Partizipation sollte jedoch breiter sein, als nur ein Commitment zu erlangen. Das Gesamtspiel ist relevant und dass die Evaluation der Ausgangspunkt dazu wird, etwas Neues zu entwickeln. Partizipative Ansätze sollen den Horizont öffnen, Themen herauskitzeln und nicht zu schnell auf (vermeintliche) Lösungen fokussieren.

[10]

In diesem Sinn eignen sich partizipative Ansätze sicher gut bei formativen Evaluationen. Bei summativen Evaluationen können sie eher bei der Verarbeitung und Interpretation der Ergebnisse zur Anwendung kommen und bei der Frage, wie mit den Ergebnissen weitergearbeitet werden soll.

[11]

Wenn solche Rahmenbedingungen nicht vorhanden sind, empfiehlt sich, eher zurückhaltend mit Partizipation umzugehen. Denn es gibt sowohl inhaltliche wie prozedurale Risiken zu meistern. Schliesslich wurde die Möglichkeit problematisiert, dass Partizipation zum Mittel der Durchsetzung einer (von oben diktierten) Strategie eingesetzt werden kann. Dies ist fundamental kritisch zu betrachten.


Prof. Pia Gabriel-Schärer, Hochschule Luzern - Soziale Arbeit, Institut für Sozialpädagogik und Bildung, Vizedirektorin und Institutsleitung, pia.gabriel@hslu.ch.

Martin Wicki, lic. phil. I, Bundesamt für Sozialversicherungen, Forschung und Evaluation, martin.wicki@bsv.admin.ch.


  1. 1 Informationen über Projekte von Markus Maibach unter https://www.infras.ch/de/team/mm/.
Precedente Successivo PDF