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Resoconti di convegni DOI: 10.38023/49d2f4c5-dc30-4753-8efe-e3f24566752e

45. Forum für Rechtsetzung vom 24. April 2025: «Amtshilfe»

Magdalena Forowicz
Liliane Minder
Marielle Stier
Karl-Marc Wyss

Citazione: Magdalena Forowicz / Liliane Minder / Marielle Stier / Karl-Marc Wyss, 45. Forum für Rechtsetzung vom 24. April 2025: «Amtshilfe», in: LeGes 36 (2025) 2

Compte rendu du 45e Forum de législation du 24 avril 2025 dont le thème était l’entraide administrative.


Indice

1. Regelungsformen für die grenzüberschreitende Amtshilfe

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Nach der Begrüssung durch Andreas Rieder, den neuen Chef des Direktionsbereichs Rechtsetzungsbegleitung, startete Martin Wyss, Stellvertretender Chef Rechtsetzungsbegleitung II, Bundesamt für Justiz, mit seinem Referat «Regelungsformen für die grenzüberschreitende Amtshilfe». Er erinnerte kurz an die gesetzlichen Aufgaben, Instrumente und Handlungsformen, die der Verwaltung zufallen respektive zur Verfügung stehen. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, muss die Verwaltung Informationen von Privaten – gegebenenfalls zwangsweise z.B. mittels Hausdurchsuchung oder Akteneditionen – erheben und bewirtschaften. Andere inländische oder ausländische Verwaltungsstellen können zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben an solchen Informationen interessiert sein – unter Umständen, weil die für sie massgeblichen gesetzlichen Grundlagen oder das Territorialitätsprinzip ihnen die direkte Erhebung von Informationen erschwert oder verunmöglicht. Die Weitergabe von Informationen unter Verwaltungsstellen oder die Unterstützung bei der Erhebung von Informationen stellen den prominentesten Fall von Amtshilfe (oder der Rechtshilfe in Verwaltungssachen) dar.

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Im Bundesrecht gibt es keine Querschnittsregelung, welche – analog zum VwVG – als allgemeiner Rechtsrahmen für alle Formen der Amtshilfe unter Bundesbehörden oder mit kantonalen oder ausländischen Behörden regelt. Es gab zwar Bestrebungen für ein Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden und über den Schutz der schweizerischen Souveränität (ZSSG)1; das EJPD verzichtete jedoch 2015 darauf, dieses Vorhaben fortzuführen. Für Lehre und Praxis stellen die damals erstellten Dokumentationen nach wie vor einen nützlichen Referenzrahmen dar – so insbesondere der Bericht des Bundesamtes für Justiz zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden vom 14. März 2011 (nachfolgend Bericht-BJ) wie auch der erläuternde Bericht zum Gesetzesentwurf. Auch im Völkerrecht sucht man ein internationales «Amtshilfeübereinkommen» vergebens und regionale Regelwerke wie jene des Europarates aus den 1970er Jahren haben nur eine bescheidene Resonanz gefunden (die Schweiz hat erst sehr spät das Europaratsübereinkommen Nr. 94 ratifiziert; die vom Bundesrat ebenfalls beantragte Ratifikation des Übereinkommens Nr. 100 scheiterte in der parlamentarischen Beratung aufgrund der vermuteten geringen praktischen Relevanz). Stattdessen scheint sich national wie international ein sektorieller Ansatz durchzusetzen, also sachbereichsspezifische Regelungen wie z.B. mit multilateralen Verträgen im europäischen Wettbewerbsrecht (vgl. AS 2014 3711; BBl 2013 3965) oder bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen.

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Gerichtspraxis zur Amtshilfe ist spärlich und thematisch einseitig. So beschlagen die Urteile des Bundesgerichts fast ausschliesslich Doppelbesteuerungsabkommen. Die dort entwickelten Grundsätze lassen sich wie spezifische Praktiken etwa im Finanzmarktrecht höchstens bedingt auf andere Sachbereiche und Amtshilfeformen übertragen. Es fehlt eine gefestigte Dogmatik zur grenzüberschreitenden Amtshilfe. Kasuistisch lassen sich Problemfelder beschreiben und mit konkreten Beispielen illustrieren – etwa ob eine Gesprächseinladung einer ausländischen Behörde oder der Versand von Fragebögen bereits eine Amtshandlung auf schweizerischem Territorium darstellt, die grundsätzlich strafrechtlich verboten wäre (Art. 271 StGB). Wie ist etwa die Anfrage einer Österreicher Amtsstelle nach den Steuerdaten einer in der Schweiz lebenden und steuerpflichtigen Person zu bewerten, welche diese für die Berechnung der Pflegekosten für die Mutter dieser Person benötigt, die in einer österreichischen Pflegeeinrichtung lebt? Stellt der Hinweis auf die Folgen einer Informationsverweigerung nach österreichischem Recht bereits einen verpönten Zwang dar?

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Leistet eine Verwaltungsstelle Amtshilfe, so handelt sie auf der Grundlage des Verwaltungsrechts. Nicht erfasst sind dagegen Vorgänge, bei denen Behörden auf Grundlage des Straf- oder Zivilrechts handeln (Bericht-BJ, S. 36). Diese Abgrenzung kann im grenzüberschreitenden Verhältnis tückisch sein, weil Staaten unterschiedliche Qualifikationen von Verwaltungsrecht kennen. Amtlich handeln kann eine Behörde nur dort, wo sie gemäss Territorialitätsprinzip als Organ der öffentlichen Gewalt handeln darf (vgl. z.B. zum inländischen Zustellungsdomizil das Urteil des Bundesgerichts 9C_685/2023 vom 23. April 2024 E. 2.4.3). Die Behörde kann sich aller – aber auch nur jener – Instrumente bedienen, die das massgebliche Recht ihr zur Verfügung stellt; sie darf diese Instrumente auch einsetzen, um einem ausländischen Amtshilfegesuchen zu entsprechen. Die Bandbreite reicht dabei von der Weitergabe amtsinterner Informationen – Datenbestände, Berichte, Dokumente etc. – bis hin zur Vornahme gegebenenfalls verfügungsbedürftiger und zwangsbewehrter Amtshandlungen gegenüber Privaten.

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Als anekdotische Beispiele schilderte Wyss u.a. einen Anruf eines Richters des Sozialversicherungsgerichts München. Dieser hätte für ein bei ihm anhängiges Verfahren wissen wollen, ob eine Partei nach wie vor an der von ihm genannten Adresse in der Schweiz wohnt. Das Einholen derartiger Adressauskünften hat kürzlich die Datenschutzstelle des Kantons Basel-Landschaft als Problem identifiziert, da ihre Gemeinden häufig mit solchen Anfragen aus dem Ausland konfrontiert werden.

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In der jüngeren Vergangenheit nahm die Öffentlichkeit ausländische Amtshilfegesuche oft einseitig als Bedrohung für die schweizerische Rechtsordnung wahr. Vergessen ging dabei, dass die Schweiz ein grosses und gewichtiges Eigeninteresse an einer funktionierenden und rechtlich gut geregelten Zusammenarbeit mit dem Ausland hat: Die Behörden in der Schweiz sind bei der Wahrnehmung ihrer eigenen öffentlichen Aufgaben ebenso auf Informationen oder Unterstützungsleistungen aus dem Ausland angewiesen wie umgekehrt. Aus der gleichen Überlegung sind die Schweizer Behörden schon immer – im Grundsatze – bereit gewesen, ausländischen Behörden bei der Wahrnehmung ihrer amtlichen Aufgaben behilflich zu sein (Kooperationsbereitschaft der Schweiz). Wo gesetzliche Regelungen zur grenzüberschreitenden Amtshilfe existieren, ist die Amtshilfeleistung auf Ersuchen der Regelfall. Gesetzlich geregelt ist dabei, ob und unter welchen Bedingungen, gegebenenfalls in welchen Formen den Gesuchen entsprochen werden darf. In einzelnen Sachgebieten kann der schweizerischen Behörde auch die spontane (einseitige) Amtshilfe erlaubt sein und in ausgewählten Fällen hat sich ein System der automatischen Amtshilfe etabliert. Innerhalb von Europa erfolgt die Zusammenarbeit immer häufiger automatisiert über gemeinsame Datenbanken und Plattformen2 (siehe z.B. Art. 11, 16 und 30 Flugpassagierdatengesetz [Referendumsvorlage] BBl 2025 1097; vgl. dazu z.B. die Webpage des SIF zum Informationsaustausch auf Ersuchen mit Ablaufschema zur internationalen Steueramtshilfe gemäss Doppelbesteuerungsabkommen). Im Verfahrensablauf – Eingang eines Ersuchens, Prüfung des Ersuchens, Vollzugsmassnahme, Übermittlung der ersuchten Informationen – stellt sich regelmässig die Frage, welcher dieser Schritte verfügungsbedürftig ist. Der Gesetzgeber hat die auf dem Spiel stehenden Rechtsschutz- und Effizienzaspekte und die Risiken (z.B. von fishing expeditions) in verschiedenen Sachgebieten jeweils spezifisch abgewogen und die Frage, was den betroffenen Privaten (aber auch der ersuchenden Behörde) zu eröffnen oder ihnen gegenüber zu verfügen wäre, konkret geregelt (vgl. StAhiG [SR 651.1] und AIAG [SR 653.1]). Ebenfalls ein Dauerthema für die Verwaltungspraxis bleiben fremde Amtshandlungen auf Schweizer Hoheitsgebiet (Art. 271 StGB), spezifische Datenschutzfragen, und Zustellungen ins Ausland (vgl. dazu das Europaratsabkommen Nr. 94 [AS 2019 2931]). Interessante Instrumente sind zudem «Vor-Ort-Kontrollen» und grenzüberschreitende Prüfungen, wie sie z.B. das Finanzmarktrecht kennt (Art. 43 FINMAG; SR 956.1). Gerade in diesen Konstellationen sind es häufig die betroffenen Privaten, die ein eminentes, teils wohl grundrechtlich geschütztes Interesse daran haben, dass schweizerische Behörden Amtshilfe leisten.

2. Entraide administrative au sein du SIF

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Gaelle Mieli et Elio Guarino, Policy Advisors, Secrétariat d’État aux questions financières internationales, ont expliqué dans leur exposé l’entraide administrative au sein du SIF – entraide fiscale internationale et surveillance des marchés financiers. Mieli a dressé un panorama de l’entraide administrative internationale en matière fiscale, en mettant en lumière ses fondements juridiques, ses mécanismes, ses défis et les perspectives pour l’avenir.

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Lentraide fiscale internationale désigne un mécanisme de coopération entre États qui vise à assurer l’efficacité des systèmes fiscaux internes. Ceci comprend notamment l’échange d’informations entre autorités fiscales de différents États, afin de lutter contre l’évasion fiscale et d’assurer l’équité des systèmes fiscaux. Cette coopération, qui s’inscrit dans un contexte global de transparence croissante, s’est construite progressivement tant au niveau international qu’en Suisse, avec une implication croissante des organisations telles que l’OCDE et le G20, et donc par là même des grandes puissances. La fiscalité des entreprises, notamment celles du secteur numérique et les multinationales, figure parmi les domaines d’action majeurs de ces initiatives. Trois formes principales d’échange de renseignements sont aujourd’hui répandues. L’échange sur demande repose sur une requête spécifique d’un État à un autre, dans le cadre d’un cas particulier. L’échange automatique, quant à lui, s’effectue de manière systématique et annuelle sur la base d’informations prédéterminées. L’échange spontané permet la transmission de renseignements lorsqu’un État estime que ceux-ci peuvent présenter un intérêt fiscal pour un autre pays. D’autres formes d’entraide existent également, comme la notification de documents ou l’assistance au recouvrement de créances fiscales. Cette coopération repose sur des bases légales nationales et internationales. Sur le plan international, elle s’appuie notamment sur les conventions de double imposition, les accords sur l’échange de renseignements et la Convention concernant l’assistance administrative mutelle en matière fiscale et les standards de l’OCDE. En Suisse, la mise en œuvre passe par des lois spécifiques, telles que la loi sur l’assistance administrative fiscale (LAAF ; RS 651.1) et la loi sur l’échange automatique de renseignements (LEAR ; RS 653.1).

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La mise en œuvre de ces normes soulève toutefois d’importants défis juridiques et pratiques. La Suisse doit composer avec des normes internationales en constante évolution, qui sont élaborées dans des instances internationales où la pression des grands États est forte. La transposition rapide de ces exigences peut entrer en tension avec les principes du droit national suisse, notamment en raison de ses processus législatifs plus longs. Par ailleurs, la conformité aux standards internationaux fait l’objet de mécanismes de contrôle tels que les « peer reviews », dont les résultats sont rendus publics. Une évaluation défavorable peut entraîner une inscription sur les listes d’États non coopératifs, avec des conséquences concrètes pour l’économie suisse. Il est donc essentiel pour la Suisse de participer à ces initiatives et de s’engager afin de maintenir un « level playing field » entre les différentes juridictions dans le but d’éviter une perte d’attractivité pour les entreprises.

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La question de la protection des données représente un autre défi majeur. Qu’il s’agisse d’échanges sur demande ou automatiques, la transmission d’informations à l’étranger doit respecter les garanties légales, notamment les principes de spécialité et de confidentialité. Des mécanismes sont en place tant au niveau international que national pour assurer un traitement des données conforme au droit suisse malgré la mise en œuvre de ces normes avec des États ne figurant pas sur la liste de l’OFJ. Enfin, les perspectives d’avenir ont été évoquées. Face à des besoins croissants en recettes publiques et à une volonté affirmée de lutter contre les paradis fiscaux, la pression internationale en faveur de plus de transparence ne faiblit pas. Des débats émergent également autour de la fiscalité immobilière, de la mobilité des individus et de l’équité dans le domaine fiscal, notamment de la taxation des hauts revenus, dans une logique de redistribution plus équitable. Dans ce contexte en perpétuelle évolution, la Suisse est appelée à rester vigilante, proactive et engagée dans l’élaboration des standards internationaux.

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In einem zweiten Teil stellte Guarino die geplanten Änderungen des Finanzmarkaufsichtsgesetzes (FINMAG; SR 956.1) und weiterer Erlasse im Bereich der internationalen Zusammenarbeit vor. Die Gesetzesänderungen sollen den schweizerischen Rechtsrahmen für die internationale Zusammenarbeit im Finanzmarktbereich an die heutigen Gegebenheiten und die Bedürfnisse des Schweizer Finanzplatzes anpassen. Dies soll die Reputation und globale Rolle des schweizerischen Finanzplatzes stärken. Guarino präsentierte den hierzu identifizierten Revisionsbedarf und die entsprechenden Änderungsvorschläge:

  • Die Amtshilfe zu Finanzmarktzwecken ist in Artikel 42 ff. FINMAG geregelt: Artikel 42a Absatz 2 und 4–6 FINMAG regeln dabei das schweizerischen Kundenverfahrens, das im internationalen Vergleich eine Seltenheit darstellt. Es handelt sich um ein Verwaltungsverfahren mit Anhörungs- und Beschwerderecht. Es ist Teil des heutigen Amtshilfeverfahrens der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) und dient dem individuellen Rechtsschutz. Demgegenüber steht das öffentliche Interesse der Marktintegrität und Finanzstabilität. Internationale Standards verlangen eine schnelle und effiziente Übermittlung von Daten. Mit dem Kundenverfahren lässt sich heute jedoch die Informationsübermittlung verzögern, was die Amtshilfefähigkeit der FINMA einschränkt. Ausländische Finanzmarktaufsichtsbehörden kritisieren denn auch, dass das schweizerische Kundenverfahren die Rechtssicherheit in den ausländischen Verfahren gefährde. Die Vernehmlassungsvorlage hat entsprechend vorgeschlagen, entweder das Anhörungs- und Beschwerderecht von Kundinnen und Kunden komplett aufzuheben (Variante A) oder alternativ, dieses zu verschlanken (Variante B). Gemäss Variante B soll das Kundenverfahren nur im Bereich von Transaktionen im Zusammenhang mit Marktmissbrauchstatbeständen eingeschränkt werden. Während eine Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die vollständige Abschaffung des Verfahrens unterstützte, sprach sich eine Mehrheit für die Wahrung des Kundenverfahrens aus. Sie erklärte sich aber damit einverstanden, das Verfahren im Zusammenhang mit Marktmissbrauchstatbeständen gemäss Variante B einzuschränken.
  • Ausschlaggebend für die Schaffung von Artikel 42bbis des Entwurfs des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (E-FINMAG) war namentlich, dass die EU für den Zugang zum EU-Binnenmarkt für Finanzdienstleister aus Drittstaaten in bestimmten Bereichen eine Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regulierungs- und Finanzmarktaufsichtsrahmens voraussetzt. Das Anerkennungs- und Prüfverfahren bedingt insbesondere einen genügenden Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden, was der geltende Rechtsrahmen der FINMA nur begrenzt erlaubt. Mit Artikel 42bbis E-FINMAG soll für diese Form der Zusammenarbeit daher eine vollständigere Bestimmung und eine ausdrückliche formell-gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Im Vernehmlassungsverfahren stiess die Norm auf keinen Widerstand.
  • Bei der direkten (formlosen) Informationsübermittlung durch Beaufsichtigte nach Artikel 42c FINMAG handelt es sich nicht um (typische) Amtshilfe, sondern um den direkten Datenaustausch Privater Unternehmen mit ausländischen Behörden. Neu soll zwischen Direktübermittlung zu Aufsichtszwecken und Direktübermittlung zum Zweck der grenzüberschreitenden Abwicklung von Finanzgeschäften unterschieden werden. So lässt sich die bestehende Rechtsunsicherheit, welche Situationen und Zweckerfordernisse zur direkten Informationsübermittlung berechtigen, beseitigen. Auch in Bezug auf diese Revision bestand in der Vernehmlassung gemäss Guarino grundsätzlich Konsens.
  • Neu schafft der Revisionsentwurf mit Artikel 42d E-FINMAG zudem eine Rechtsgrundlage für die direkte grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten im Finanzmarktaufsichtsbereich – Stichwort «Wahrung des rechtlichen Gehörs». Er erfüllt das Bedürfnis nach einer möglichst direkten und raschen grenzüberschreitenden Zustellung der Dokumente in besagtem Bereich. Aktuell fehlt dafür eine Rechtsgrundlage; so hat die Schweiz die Finanzmarktaufsicht vom Anwendungsbereich des Europäischen Übereinkommens vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland (Übereinkommen SEV Nr. 094) ausgenommen. Neu soll die FINMA die grenzüberschreitende Zustellung von Dokumenten direkt an Adressaten in der Schweiz bewilligen können. Nur wenige Stimmen haben sich in der Vernehmlassung gegen diesen Artikel ausgesprochen.
  • Artikel 43 FINMAG regelt die grenzüberschreitende Prüfung (sog. «Vor-Ort-Kontrolle») durch die FINMAG im Ausland bzw. durch ausländische Aufsichtsbehörden in der Schweiz. Geschäftsauslagerungen (Outsourcing) ins oder aus dem Ausland können dazu führen, dass nicht beaufsichtigte Unternehmen Dienstleistungen erbringen. Eine grenzüberschreitende Prüfung durch die jeweilige Aufsichtsbehörde ist zurzeit ausgeschlossen. Aufgrund der zunehmenden grenzüberschreitenden Auslagerung von Aufgaben an nicht beaufsichtigte Unternehmen, sieht der Revisionsentwurf daher eine Ausdehnung der grenzüberschreitenden Prüfung auf Unternehmen vor, die im Ausland oder in der Schweiz nicht beaufsichtigt werden, solange die relevanten Informationen bei ihnen belegen sind.

3. Fünfte Auflage des Gesetzgebungsleitfadens

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Im dritten Referat führte Jean-Christophe Geiser, juristischer Berater, Rechtsetzungsprojekte I, Bundesamt für Justiz, durch die Geschichte des Gesetzgebungsleitfaden des Bundesamts für Justiz (BJ) von dessen Entstehung im Jahr 1995 bis zur neusten Auflage aus dem Jahr 2025.3 Der Leitfaden bildet zusammen mit dem Gesetzgebungskurs und möglichen mehrmonatigen «Job Rotations» eines der Mittel zur Ausbildung im Bereich Legistik auf Bundesebene.

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Die erste Ausgabe des Gesetzgebungsleitfadens des Bundesamts für Justiz geht auf das Jahr 1995 zurück. In den darauffolgenden Neuauflagen wurde er jeweils aktualisiert, umstrukturiert und an die veränderten Bedürfnisse der Praxis angepasst. Im Hinblick auf die neuste Auflage führte das BJ Ende 2022 eine Umfrage durch, um die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zu ermitteln. Daran nahmen 130 Personen (insbesondere Teilnehmende des Forums für Rechtsetzung und der Gesetzgebungskurse) teil. Die Umfrage zeigte dreierlei: erstens, der Leitfaden wird rege genutzt; zweitens erachtet ein Grossteil der Nutzerinnen und Nutzer die Struktur, Länge und enthaltenen Themen als sinnvoll; drittens liess sich gewisses Verbesserungspotential identifizieren. So wünschten sich die Teilnehmenden, dass sich der Leitfaden zur Übersetzung, Projektmanagementmethode HERMES und insbesondere zur Gesetzesredaktion äussert.

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Eine kleine Arbeitsgruppe überarbeitete daraufhin in Zusammenarbeit mit zahlreichen weiteren Mitarbeitenden des BJ sowie anderer Verwaltungseinheiten in zwei Stufen den Leitfaden. In einem ersten Schritt aktualisierte das BJ anfangs 2024 den Leitfaden im Kontext der neuen Datenschutzgesetzgebung vom 25. September 2020. So erhielt der Leitfaden eine Neufassung des Kapitels 14 zum Datenschutz, welches das BJ separat vorab aufschaltete. Zugleich passte die Arbeitsgruppe verschiedene Teile des Leitfadens weiter an und hob alle Änderungen in der digitalen Version entsprechend hervor. In einem zweiten Schritt aktualisierte das BJ den restlichen Leitfaden, mit Ausnahme der Kapitel 6 und 11 zum internationalen Recht.4 Es legte Wert darauf, möglichst aktuelle Beispiele anzuführen und die Entwicklung der Praxis einzuarbeiten. Die 5., nachgeführte Auflage von 2025 ersetzt die 4. Auflage von 2019 vollständig.

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Die 5. Auflage des Leitfadens ist aktuell nur in elektronischer Form verfügbar. Die Mehrheit der Teilnehmenden der Umfrage 2022 hatte eine gedruckte Version des Leitfadens nicht mehr für notwendig gehalten. Ob eine gedruckte Fassung sinnvoll wäre, möchte das BJ jedoch weiterhin gestützt auf die Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer des Leitfadens beurteilen. Die Teilnehmenden des Forums dürfen sich gerne entsprechend bei der zuständigen Stelle einbringen. Geiser schloss mit dem Aufruf, weitere Anregungen, Wünsche oder Kritik per Mail an «gesetzgebungsleitfaden@bj.admin.ch» zu senden, damit das BJ diese in einer nächsten Ausgabe berücksichtigen kann.

4. Datenschutzrechtliche Aspekte der Amtshilfe

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Im Rahmen des vierten Referats beleuchtete Dominika Blonski, Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich und Lehrbeauftragte für Digitalisierung und Datenschutz an der Universität Bern, die wichtigsten datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte und deren Bedeutung für die Amtshilfe. Der Einstieg in das Thema bildete die Auseinandersetzung mit den Anfängen des Datenschutzes. Dieser hat insbesondere durch das Volkszählungsurteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts in den 1980er Jahren an Relevanz gewonnen. Das Urteil leitete über die Landesgrenze hinaus nicht nur die Entwicklung eines umfassenderen Datenschutzrechts ein, sondern trug dazu bei, dass der Datenschutz als grundrechtliches Thema betrachtet und so zu einem unverzichtbaren Instrument zum Schutz der Freiheit und der Privatsphäre von Individuen wurde.

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Dem Datenschutzrecht liegt eine Reihe grundlegender Prinzipien zugrunde, welche sicherstellen sollen, dass personenbezogene Daten rechtmässig, transparent und sicher verarbeitet werden. Die Rechtmässigkeit bildet dabei den Kernpunkt aller datenschutzrechtlichen Massnahmen. Zu den wesentlichen Bestandteilen zählen die Gesetz- und Verhältnismässigkeit, Zweckbindung, Erkennbarkeit, Sicherheit, Verantwortlichkeiten sowie die Kontrolle. Diese Elemente bilden zusammen das «Fundament» des Datenschutzrechts und gewährleisten, dass personenbezogene Daten nur im Einklang mit den vorgesehenen Zielen bearbeitet und bekanntgegeben werden. Das Datenschutzrecht unterscheidet dabei zwischen der Datenbearbeitung und der Datenbekanntgabe. Während die Datenbearbeitung eine breite Palette von Tätigkeiten umfasst – von der Erhebung über die Speicherung bis hin zur Vernichtung von Daten – stellt die Datenbekanntgabe einen spezifischen Aspekt der Datenbearbeitung dar, bei welchem Daten an Dritte zugänglich gemacht, weitergegeben oder veröffentlicht werden. Die rechtlichen Vorgaben gewährleisten, dass die Datenbekanntgaben in einem kontrollierten und transparenten Rahmen erfolgen und die Rechte der betroffenen Personen geschützt werden. Die Voraussetzungen sind in Artikel 36 des eidgenössischen Datenschutzgesetzes (DSG; SR 235.1) und in kantonalen Datenschutzerlassen festgelegt.

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Blonski ging weiter auf einen besonderen Fall der Datenbekanntgabe, die Amtshilfe, ein. Sie stellt eine Form der Unterstützung dar, bei der eine Verwaltungsbehörde einer anderen auf Ersuchen hin bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hilft und hat ihren Niederschlag (auch) in Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe a DSG gefunden. Sie betont, dass fachspezifische Amts- und Rechtshilfebestimmungen den datenschutzrechtlichen Bestimmungen als lex specialis vorgehen. Die Amtshilfe ermöglicht mithin das Weitergeben der Daten von einer Behörde an eine andere, allerdings unter strengen Voraussetzungen: (i.) die benötigten Informationen lassen sich nicht auf andere Weise beschaffen (Subsidiarität); (ii.) es muss sich um einen Einzelfall handeln, also nicht um eine regelmässige Datenbekanntgabe; (iii.) es muss ein behördliches Ersuchen vorliegen. Dieses muss die gesetzlichen Grundlagen für die Aufgabenerfüllung aufführen, eine konkrete Bezeichnung der geforderten Auskünfte respektive Unterlagen enthalten sowie den Grund des Ersuchens nennen; (iv.) die anfragende Stelle darf nur jene Personendaten bekanntgeben, welche für die Aufgabenerfüllung notwendig sind (Verhältnismässigkeitsprinzip – Stichwort «Interessenabwägung»). Unzulässig sind blosse Beweisausforschungen aufs Geratewohl ohne konkreten Grund, sogenannte fishing expeditions.

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Zum Schluss ihres Referats widmete sich Blonski der Interessenabwägung. Diese bildet einen gewichtigen Teil für eine Datenbekanntgabe im Rahmen der Amtshilfe. Dabei muss die ersuchte Behörde die Interessen der Empfängerin der Daten abwägen mit den öffentlichen und privaten Interessen sowie den entgegenstehenden rechtlichen Bestimmungen. Die ersuchte Behörde muss dazu insbesondere prüfen, ob zur Datenbekanntgabe Auflagen erforderlich sind wie beispielsweise das Schwärzen sensibler Daten zum Schutz der Privatsphäre der betroffenen Person. Diese Abwägung sorgt dafür, dass die Datenbekanntgabe nur in dem Masse erfolgt, wie es für die Erfüllung der Aufgaben und die Wahrung öffentlicher oder privater Interessen erforderlich ist. Je nach Resultat der Abwägung ist die Amtshilfe zu gewähren, zu verweigern oder vorübergehend aufzuschieben.

5. Exemples choisis de la pratique fribourgeoise en matière d’entraide administrative et protection des données

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Martine Stoffel, préposée fribourgeoise à la transparence et à la protection des données, a présenté cinq cas issus de la pratique d’entraide adminstrative cantonale en matière de protection des données personnelles. Stoffel a rappelé que, conformément à l’article 14 de la loi cantonale fribourgeoise du 12 octobre 2023 sur la protection des données (LPrD ; RSF 17.1), la communication systématique de données personnelles n’est admise que si une base légale le prévoit. Une communication dans un cas d’espèce reste cependant envisageable si elle est indispensable à l’accomplissement des tâches légales du responsable du traitement ou du destinataire. Elle met en lumière la pratique en s’appuyant sur cinq exemples :

  • Dans une première situation, il s’agissait de savoir si une commune fribourgeoise pouvait transmettre les numéros de téléphone et les adresses courriel des habitants aux Offices des poursuites. L’État dispose d’une plate-forme informatique centralisant certaines données issues des registres communaux, mais celle-ci ne contient ni coordonnées téléphoniques ni électroniques. Toutefois, dans des cas particuliers justifiés – notamment en situation d’urgence, conformément aux articles 90 et 175 de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP ; RS 281.1) – et sous réserve du respect du principe de proportionnalité, une telle communication reste possible, en vertu de l’article 14 alinéa 2 lettre a LPrD.
  • Dans un second cas, la question portait sur la communication par une commune fribourgeoise des données d’un habitant à une caisse de compensation en lien avec le partage des revenus AVS lors d’un divorce. L’article 32 de la loi fédérale sur la partie générale du droit des assurances sociales (LPGA ; RS 830.1) permet aux autorités administratives de fournir gratuitement, sur demande écrite et motivée, les données nécessaires à la fixation, la modification ou la restitution de prestations, à la prévention de versements indus, à la perception des cotisations ou à l’exercice d’un recours. Le principe de proportionnalité s’applique ici également. Si les conditions de l’article 32 LPGA sont réunies, la communication peut avoir lieu. A relever qu’elle peut également être effectuée sous l’angle de l’article 16b de la loi sur les communes (LCo ; RSF 140.1), à certaines conditions ; le préposé au contrôle des habitants peut, dans un cas d’espèce et sur demande, communiquer à une autorité ou à une administration publique les données dont elle a besoin pour l’accomplissement de sa tâche.
  • Dans un troisième cas, il s’agissait de déterminer si une commune pouvait recevoir d’une autre commune un avis de taxation dans le but de facturer des acomptes d’impôts. Selon l’article 141, alinéa 1 de la loi cantonale sur les impôts directs (LICD ; RSF 631.1), les autorités fiscales doivent s’entraider et s’échanger les informations nécessaires à l’accomplissement de leurs tâches. Un tel transfert est donc licite s’il intervient entre autorités fiscales et qu’il répond à un objectif fiscal légitime.
  • Une autre question concernait la possibilité de transmettre l’issue d’une procédure pénale visant un·e collaborateur·trice à un service. Selon l’analyse de Stoffel, une telle communication ne répond pas aux exigences de l’article 14 alinéa 2 lettre a LPrD, car elle ne relève pas des tâches légales du responsable du traitement ni de celles du destinataire. Cette communication reste néanmoins envisageable si la personne concernée y consent expressément.
  • Enfin, s’agissant des actions possibles des travailleurs sociaux communaux en cas de soupçons de radicalisation de jeunes, l’article 30i de la loi sur la police (LPol ; RSF 551.1) constitue une lex specialis. Il autorise la communication de données dans un cas particulier lorsqu’il existe un risque sérieux de violence atteignant l’intégrité physique, psychique ou sexuelle d’autrui. Les partenaires mentionnés dans cette disposition sont libérés de leur secret de fonction, mais doivent respecter le principe de proportionnalité. Par ailleurs, pour les collaborateurs soumis à la loi sur le personnel de l’État (LPers ; RSF 122.70.1), tout fait punissable et contraire aux intérêts de l’État doit être signalé sans délai à l’autorité d’engagement ou, à défaut, au Conseil d’État, conformément à l’article 62 alinéa 1 LPers et aux règlements communaux applicables.

6. Podiumsdiskussion

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Unter der Leitung von Miriam Sahlfeld, Chefin Rechtsetzungsbegleitung II, Bundesamt für Justiz, fand eine Podiumsdiskussion mit Dominika Blonski, Martine Stoffel sowie Miek Haller, Suppléante du chef de division, Division d’échange d’informations en matière fiscale, Administration fédérale des contributions, statt.

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Als Einstieg diskutierten die Podiumsteilnehmerinnen über die Frage, ob es Bereiche gibt, in welchen die Rechtsetzung zur Amtshilfe unbefriedigend ist. Stoffel wies auf die Problematik hin, dass offene Formulierungen im Datenschutzbereich für die anwendenden Behörden oft zu Unsicherheit und offenen Fragen führen – so beispielsweise, wenn eine Regelung nicht klarstellt, ob für einen bestimmten Sachverhalt eine Pflicht oder lediglich ein Recht zur Bekanntgabe von Daten besteht. Gemäss Blonski ist die wichtige Frage, wann datenschutzrechtlich eine spezifische Rechtsgrundlage benötigt wird und wann die subsidiäre Amtshilfe ausreicht, durch die Praxis zu beantworten und nicht durch die Rechtsetzung. Sowohl Blonski als auch Stoffel sind der Ansicht, es sei für die Rechtsanwendung hilfreich, wenn spezialgesetzliche und allgemeine Amtshilfebestimmungen nebeneinander existieren. Bei der internationalen Amtshilfe in Steuersachen, bei der es immer eine spezifische Rechtsgrundlage braucht, können nach Ansicht von Haller zusätzliche Rechtsgrundlagen im Schweizer Recht bestehende Probleme nicht lösen: Stehen sich zwischenstaatlich unterschiedliche Regelungen gegenüber, würde die internationale Amtshilfe allenfalls sogar noch komplizierter. Sahlfeld stellte dazu zur Diskussion, ob ein Gesetz wie das im Jahr 2015 verworfene ZSSG mit allgemeinen Grundlagen zur Amtshilfe für alle Sektoren heute noch wünschenswert wäre. Blonski wie Wyss (siehe Ziff. 1) äusserten sich diesbezüglich kritisch, da derart viele unterschiedliche Sachbereiche betroffen sind, welche nur schwer gemeinsam behandelt werden können. Je nach betroffenem Sachbereich seien jeweils sachgerechte sektorielle Lösungen zu finden. Ein Bedürfnis nach einem generellen Auffangtatbestand oder ähnlichem sieht Wyss nicht.

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Voraussetzung für die Datenbekanntgabe ist, dass die Daten ausschliesslich zum vorgesehenen Zweck verwendet werden. Die Podiumsteilnehmerinnen berichteten über ihre Erfahrungen mit dem Prinzip der «langen Hand», d.h. der Schwierigkeit, zu gewährleisten, dass sich Daten nachträglich wieder einfangen bzw. sicherstellen lassen und dass sie nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden. Haller betonte, dass der Informationsaustausch in Steuersachen auf Steuerzwecke begrenzt ist und bisher keine Fälle anderer Nutzung der weitergegebenen Daten – ohne vorherige Genehmigung der ersuchenden Behörde – bekannt sind. Die Weiterabe zu nicht fiskalischen Zwecken ist im Rahmen eines geregelten Prozesses möglich, wenn auch nicht besonders häufig. Da die Partner der Eidgenössischen Steuerverwaltung Steuerbehörden sind, welche Daten ebenfalls relativ streng schützen, sind hier keine Fälle willkürlicher Nutzung bekannt. Anfragen nach Daten für andere Zwecke kommen jedoch vor. Die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) berücksichtigt und prüft, inwiefern ein Staat rechtsstaatliche Grundprinzipien wie Vertraulichkeit, Datenschutz und Rechtssicherheit schützt. Dies dient als Marker, um sicherzustellen, dass die Daten zweckkonform verwendet werden. Stoffel wies anhand des Beispiels des Schengen-Abkommens auf die Pflicht der Datenschutzaufsichtsstellen hin, zu kontrollieren und sicherzustellen, dass weitergegebene Daten in konformer Weise für den Datenschutz verwendet werden. Es bestehen entsprechende Kontrollmechanismen betreffend Einhaltung der Zweckbindung. Im Bereich der Amtshilfe im Datenschutzrecht wird der Zweckbindungsgrundsatz gemäss Blonski unterschiedlich ausgelegt. Spezialgesetzliche Amtshilfebestimmungen konkretisieren den Zweck einer Datenbekanntgabe, können dadurch enger zweckgebunden sein als die subsidiären Regelungen zur Amtshilfe. Andererseits können sie ausdrücklich eine weitergehende Nutzung von Daten erlauben. Insofern liesse sich dafür plädieren, mehr spezialgesetzliche Bestimmungen einzuführen, um die Zweckbindung klarer zu definieren.

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Wie in Referat von Guarino angedeutet, ist eine mögliche Art der Amtshilfe, dass ausländische Behörden in der Schweiz eine Aufsichtsfunktion übernehmen. Auf die Frage, wie die Podiumsteilnehmerinnen zu dieser Art von Amtshilfe stehen, führte Haller aus, dass «vor-Ort-Prüfungen» durch Aufsichtsbehörden im Ausland zurzeit noch kein Thema sind. Hingegen wird über gleichzeitige Prüfungen diskutiert. Gemeint ist eine koordinierte Prüfung eines Unternehmens durch mehrere Länder gleichzeitig. Für grössere Unternehmen kann dies sogar von Vorteil sein. Gemäss Blonski und Stoffel enthalten die kantonalen Datenschutzgesetze der Kantone Fribourg und Zürich bereits eine Kompetenznorm, die es den Datenschutzbeauftragten ermöglicht, Kontrollen bei Auftragsbearbeitern potenziell im Ausland durchzuführen (Art. 56 Abs. 1 DschG, SGF 17.1). Eine Prüfung im Ausland wurde jedoch in beiden Kantonen noch nie gemacht, wäre jedoch im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip problematisch. Derartige territoriale Probleme stellen sich jedoch in Bezug auf Daten schnell.

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Auf Nachfrage wurde in Bezug auf das Prinzip der Gegenseitigkeit der Amtshilfe klargestellt, dass es sich beim Prinzip der Reziprozität nicht um einen Verfassungsgrundsatz handelt, sondern um eine rechtspolitische Entscheidung. Wird Gegenseitigkeit vorausgesetzt, muss dies in den Sachgesetzen sowohl der ersuchenden als auch der ersuchten Behörde geregelt sein, was international meist durch die gemeinsamen Rechtsgrundlagen gegeben ist. Innerstaatlich muss dies durch sorgfältige Gesetzgebungsarbeit abgestimmt werden, sodass keine Widersprüche entstehen. Zuletzt reagierte Haller auf die Frage, ob es sinnvoll oder sogar erforderlich sei, in völkerrechtlichen Verträgen über den Informationsaustausch ein Auskunftsrecht zu vereinbaren, oder ob darauf vertraut wird, dass die Vertragspartei sich an die vereinbarten Verpflichtungen hält. Sie stellte klar, dass die Abkommen im Bereich des Informationsaustauschs in Steuersachen nach Treu und Glauben angewendet werden müssen, worauf regelmässig verwiesen wird. Auskunftspflicht oder -möglichkeit sind darin nicht vorgesehen, weshalb ohne Verlass auf das Prinzip von Treu und Glaube kaum gearbeitet werden könnte. Folglich wird und sei davon auszugehen, dass die Gesuche materiell stimmen. Eine Möglichkeit der materiellen Überprüfung bestehe nicht.

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Sämtliche Tagungsunterlagen finden sich auf der Homepage des Bundesamts für Justiz; abrufbar unter: «https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/legistik/rechtsetzungsforum/veranstaltungsthemen/45.html».

Das 46. Forum für Rechtsetzung findet voraussichtlich am Donnerstag, dem 30. Oktober 2025 statt und dreht sich thematisch um internationale Rechtsetzung und Soft Law.


PD Dr. iur. Magdalena Forowicz, Juristin, Fachbereich Rechtsetzung in Digitalisierungsfragen, Bundesamt für Justiz.

Dr. iur. Liliane Minder, Rechtsanwältin, Juristin, Fachbereich Rechtsetzungsbegleitung II, Bundesamt für Justiz.

Marielle Stier, MLaw, wissenschaftliche Praktikantin, Fachbereich Rechtsetzungsprojekte II, Bundesamt für Justiz.

Dr. iur. Karl-Marc Wyss, Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Fachbereich Rechtsetzungsprojekte II, Bundesamt für Justiz.


  1. 1 Siehe weitere Unterlagen zu Zusammenarbeit und Souveränitätsschutz unter https://www.ejpd.admin.ch/bj/de/home/sicherheit/gesetzgebung/archiv/zssg.html.
  2. 2 Vgl. zu den EU-Informationssystemen Livia Matter, Die Interoperabilität der EU-Informationssysteme, Zürich 2025 (Open Access).
  3. 3 https://www.sem.admin.ch/dam/bj/de/data/staat/legistik/hauptinstrumente/gleitf-d.pdf.download.pdf/gleitf-d.pdf.
  4. 4 Neu hinzugefügt wurde u.a. ein Absatz zu Formvorschriften im öffentlichen Recht des Bundes (Rz. 784 ff.).
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