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In den Grauzonen der Rechtsetzung finden sich verschiedenartige Formen von staatlichem Soft Law. Trotz fehlender Rechtsnormqualität kann sich dieses belastend auf die Adressatinnen und Adressaten oder Dritte auswirken und daher ein Bedürfnis nach Rechtsschutz wecken. Der vorliegende Beitrag untersucht, in welchen Konstellationen schutzwürdige Rechtsschutzinteressen bestehen und wie diesen Rechnung getragen werden kann.
In Anbetracht der Vielfalt von staatlichem Soft Law wird – ausgehend von einer Begriffsbestimmung – zunächst ein Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen geboten. Die dabei erfolgende Typisierung dient insbesondere dazu, die unter Rechtsschutzgesichtspunkten bedeutsamen Fälle zu identifizieren (Ziff. 2.). Eine gefestigte, wenngleich nicht unumstrittene höchstrichterliche Praxis besteht immerhin zu den Verwaltungsverordnungen. In einem nächsten Schritt werden deshalb deren Grundzüge erörtert (Ziff. 3.), bevor auf den bislang kaum thematisierten Rechtsschutz bei weiteren Formen von Soft Law eingegangen wird. Der Beitrag lotet sodann aus, in welchen Konstellationen ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse besteht (Ziff. 4.). Schliesslich soll erörtert werden, auf welche Weise im Rahmen der Prozessrechtsordnungen von Bund und Kantonen Zugang zu gerichtlicher Überprüfung gewährt werden kann (Ziff. 5.).
Der Begriff des Soft Law hat seine Wurzeln im internationalen Recht. Trotz seiner regen Verwendung fällt eine Definition nach wie vor schwer:
«It is not easy to define soft law in a precise sense. It does not represent a legal concept with a clearly determinable scope and content. It is more of a catchword, symbolizing a specific form of social rules in the penumbra of international law. To put it abstractly, soft law as a phenomenon in international relations covers all those social rules generated by states or other subjects of international law which are not legally binding but which are nevertheless of specific legal relevance.» (Thürer 2009, Rz. 8).
Mittlerweile hat der Terminus auch Eingang in den rechtswissenschaftlichen Diskurs auf nationaler Ebene gefunden (statt vieler und mit weiterführenden Hinweisen Flückiger 2004, 224 ff.; Müller/Uhlmann 2013, Rz. 13 ff.). Allerdings wird er weit weniger häufig diskutiert als seine vielfältigen Erscheinungsformen: In der staats- und verwaltungsrechtlichen Literatur wird nämlich gemeinhin nicht das Soft Law als solches thematisiert; vielmehr werden einzelne seiner Ausprägungen analysiert. Hinzuweisen ist in diesem Kontext etwa auf behördliche Warnungen und Empfehlungen, Weisungen, Richtlinien, Verhaltenskodizes sowie Verwaltungsverordnungen (s. statt vieler Müller/Uhlmann 2013, Rz. 13; Odermatt/Tophinke 2014, Kommentar ParlG, Art. 22 Rz. 22 ff.).
Eine Annäherung an das Soft Law als verklammernder Überbegriff erlaubt es, dieses in seiner Gesamtheit zu erfassen und die einzelnen Erscheinungsformen, soweit möglich, einer gemeinsamen Dogmatik zuzuführen.
Staatliches Soft Law charakterisiert sich nach vorliegendem Verständnis durch fünf Begriffsmerkmale:1
- Zunächst weist es eine generell-abstrakte Struktur auf, d. h. es betrifft eine unbestimmte Vielzahl möglicher Anwendungsfälle und richtet sich an einen unbestimmten Adressatenkreis. Dieses Begriffsmerkmal ist bei Verwaltungsverordnungen, Leitlinien und Verhaltenskodizes offenkundig vorhanden. Etwas komplexer ist die Situation bei behördlichen Warnungen und Empfehlungen, die nur teilweise dem Soft Law zugeordnet werden können: Die vorliegend interessierenden Konstellationen sind nämlich von jenen verhaltenslenkenden Realakten abzugrenzen, die sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Nicht relevant für die Abgrenzung ist hingegen der Adressatenkreis; konkrete Realakte können zwar einen bestimmten Adressaten oder einen ebensolchen Adressatenkreis ansprechen, in der Regel richten aber auch sie sich an eine unbestimmte Vielzahl von Personen.2 Entscheidend ist letztlich, ob sich «die Verhaltensregeln auf eine indefinite Zahl von Ereignissen [beziehen], die lediglich in der typisierenden Form eines Tatbestands umschrieben werden» (Tschannen 1999, Rz. 31). So handelt es sich etwa bei behördlichen Empfehlungen, Produkte mit bestimmten Komponenten zu meiden, um Soft Law, während die an die Allgemeinheit gerichtete Warnung vor einem bestimmten Produkt einen konkreten Realakt darstellt. Diese Unterscheidung, die in einzelnen Fällen ohnehin Schwierigkeiten bereitet, ist aus der Rechtsschutzperspektive allerdings zu relativieren; in beiden Konstellationen gestaltet sich der Rechtsschutz nämlich gleich (dazu hinten Ziff. 5.). – Der Begriff des Realakts eignet sich im Übrigen nicht zur Abgrenzung bestimmter Formen behördlichen Tathandelns vom Soft Law: Da er nicht auf tatsächliches Handeln mit Bezug zu einem konkreten Sachverhalt beschränkt ist, lassen sich sowohl konkrete als auch abstrakte Warnungen und Empfehlungen unter den Realaktbegriff subsumieren (so jüngst das Bundesgericht in BGE 144 II 233, 237 E. 4.4). Insofern handelt es sich bei den Begriffen des Soft Law und der Realakte um zwei Kreise mit einer gemeinsamen Schnittmenge.
- Sodann ist bei der Ausarbeitung oder im Vorfeld des Wirksamwerdens des betreffenden Soft Law ein staatlicher Akteur involviert, in der Regel eine Verwaltungsbehörde. Der Grad staatlicher Involvierung kann unterschiedlich sein und von der Urheberschaft als intensivster Form bis zur behördlichen Genehmigung privater Leitlinien oder diesbezüglichen Stellungnahmen reichen. Staatliche Urheberschaft liegt unbestrittenermassen bei Verwaltungsverordnungen von über- an untergeordnete Behörden vor. Sie ist auch zu bejahen, wenn Organisationen, die von staatlichen Behörden (mit-)getragen werden, Soft Law verabschieden. Ob eine staatliche Involvierung vorliegt, die letztlich auch die Frage von öffentlich-rechtlichem Rechtsschutz aufwerfen kann, hängt in Konstellationen privater Urheberschaft davon ab, ob die zuständige Behörde in einer Weise zum betreffenden Inhalt Stellung bezieht, welche diesem grössere Autorität verleiht oder die Befolgungsbereitschaft in anderer Weise stärkt (s. dazu auch hinten Ziff. 4.2.).
- Auf der Adressatenseite können Behörden bzw. öffentliche Bedienstete oder Private stehen. Während sich Verwaltungsverordnungen in der Regel an untergeordnete Verwaltungseinheiten richten (s. dazu auch hinten Ziff. 3.1.), kann mittels Leitlinien und Kodizes das Verhalten sowohl von öffentlichen Angestellten als auch von Privaten gesteuert werden. Mittels Warnungen und Empfehlungen werden schliesslich in der Regel Private angesprochen.
- Sodann zeichnet sich Soft Law dadurch aus, dass es im Verhältnis zwischen Staat und Bürgern nicht rechtsverbindlich, d. h. nicht erzwingbar ist. Eine Nichtbefolgung ist denn auch nicht sanktionierbar. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass als Soft Law qualifizierten Erscheinungsformen im behördeninternen Verhältnis eine erhöhte Bindungswirkung zukommt (s. zu den Verwaltungsverordnungen hinten Ziff. 3.1.).
- Schliesslich – und deshalb ist der Hinweis auf die Grauzonen der Rechtsetzung zutreffend – wird mit Soft Law eine verhaltenslenkende Intention verfolgt. Wie die Rechtsetzung dient es nämlich der Steuerung des Verhaltens der Adressaten. Konsequenz davon ist, dass es trotz fehlender Rechtsverbindlichkeit tatsächliche oder rechtliche Auswirkungen haben kann. Dies ist mithin der Grund, weshalb sich die Frage nach adäquatem Rechtsschutz auch hier stellt.
Soft Law bildet nach vorliegendem Verständnis somit den Sammelbegriff für generell-abstrakte Handlungsweisen, die primär auf einen Taterfolg in der Gestalt der Verhaltenslenkung bei den Adressatinnen und Adressaten gerichtet sind. Es lässt sich gegenüber zwei anderen Handlungsformen abgrenzen: Zunächst unterscheidet es sich von den Rechtsquellen durch die fehlende Rechtsverbindlichkeit (s. die Definition der rechtsetzenden Bestimmungen in Art. 22 Abs. 4 ParlG3). Sodann ist es aufgrund seiner generell-abstrakten Struktur von den konkreten Realakten, die eine Veränderung der Faktenlage in einer spezifischen Situation intendieren, abzugrenzen. Infolge der Weite des Begriffs ist – nicht anders als bei den konkreten Realakten (s. dazu statt vieler Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, § 38 Rz. 7 ff.) – eine Binnendifferenzierung unerlässlich, will man konkrete rechtliche Konsequenzen an das Soft Law knüpfen (s. Ziff. 2.2.).
Da sich die vielfältigen behördlichen Tätigkeiten einer trennscharfen Kategorisierung in verschiedene Handlungsformen entziehen (statt vieler Thurnherr 2013, Rz. 64 ff.), fällt die Zuordnung einzelner Erscheinungsformen bisweilen nicht leicht. Aufgrund der Beschränkung der zulässigen Anfechtungsobjekte auf Verfügungen des Bundes bzw. Verfügungen und Erlasse der Kantone (dazu auch hinten Ziff. 3.2.1.) treten Abgrenzungsfragen zwischen bestimmten Erscheinungen von Soft Law und anderen Handlungsformen vor allem dann auf, wenn die Existenz eines Anfechtungsobjekts fraglich ist (statt vieler Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2013/51 betr. Rechtsnatur einer Richtlinie). Solche Abgrenzungsschwierigkeiten ändern indes nichts daran, dass den Handlungsformen mit Blick auf die Standardisierung und Disziplinierung des Verwaltungshandelns (s. Tschannen/ Zimmerli/Müller 2014, § 27 Rz. 6) eine bedeutende Funktion zukommt.
Die Analyse von behördlichem Soft Law erfolgt in der Regel typenspezifisch. Zwar könnte – in Anlehnung an die Systematisierung der Realakte nach ihrem Verhältnis zu den Rechtssätzen (s. dazu Tschannen 1999, Rz. 57 f.) – zwischen rechtssatzbezogenem, rechtssatzvermeidendem und rechtssatzvertretendem Soft Law unterschieden werden. Der Mehrwert einer solchen Unterteilung ist allerdings beschränkt; insbesondere können gestützt darauf keine Folgerungen hinsichtlich der Existenz eines Rechtsschutzbedürfnisses abgeleitet werden. Ihr kommt primär Anschauungswert zu. Die Verdeutlichung der Bezüge zwischen «soft» und «hard law» vermag zudem das Problembewusstsein zu schärfen. Von Bedeutung ist der Bezug zu den Rechtssätzen überdies bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes (s. dazu hinten Ziff. 5.).
Aufschlussreicher als eine weitere Systematisierung ist die Identifikation der Kriterien für das Vorhandensein eines schutzwürdigen Rechtsschutzinteresses, anhand derer sich sämtliche Erscheinungsformen von Soft Law analysieren lassen (s. dazu hinten Ziff. 4.3.).
Eine gefestigte bundesgerichtliche Praxis besteht zum Rechtsschutz bei Verwaltungsverordnungen in der Gestalt beispielsweise von Weisungen, Richtlinien oder Kreisschreiben. Es handelt sich dabei um generelle Dienstanweisungen einer Behörde an die ihr unterstellten Verwaltungseinheiten (statt vieler Moor/Flückiger/Martenet 2012, 421 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, § 4 Rz. 10). Die vorliegend interessierenden vollzugs- bzw. verhaltenslenkenden Verwaltungsverordnungen bezwecken die Sicherstellung einer einheitlichen, gleichmässigen und sachrichtigen Praxis des Gesetzesvollzugs bzw. einer einheitlichen Ermessensausübung (statt vieler Biaggini 1997, 4 und 15 ff.; Odermatt/Tophinke 2014, Kommentar ParlG, Art. 22 Rz. 23).4 Von Bedeutung sind sie insbesondere, wenngleich nicht ausschliesslich, in der Massenverwaltung, beispielsweise im Steuer-, Sozialversicherungs- und Ausländerrecht.
Der Begriff der Verwaltungsverordnungen ist an seinen Rändern diffus. Das Bundesgericht selbst betont, dass der Inhalt dieser «weiten und wenig kohärenten Kategorie» begrifflich kaum zu fassen sei (BGE 128 I 167, 171 E. 4.3). Aus der Rechtsschutzperspektive drängt es sich auf, von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen und die nicht rechtsschutzwürdigen Erscheinungen anschliessend auszusondern.
Verwaltungsverordnungen sind gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung keine Rechtsquellen des Verwaltungsrechts, weil sie keine Rechtsnormen enthalten und insbesondere keine Rechte oder Pflichten Privater statuieren (statt vieler BGE 141 III 401, 404 E. 4.2.2; s. auch Häfelin/Müller/Uhlmann 2016, Rz. 123 ff.; Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, § 41 Rz. 13 und 16). Auch für die Gerichte sind Verwaltungsverordnungen grundsätzlich nicht verbindlich, wenngleich jene «nicht ohne triftigen Grund davon ab[weichen], wenn sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen und eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben enthalten» (BGE 137 V 1, 8 f. E. 5.2.3; s. auch BGE 141 III 401, 405 E. 4.2.2). Im verwaltungsinternen Verhältnis werden Verwaltungsverordnungen durchaus Rechtswirkungen attestiert, wobei der Bindungsgrad unterschiedlich beurteilt wird (s. Uhlmann/Binder 2009, 156 und 163 f.; Kölz/Häner/Bertschi 2013, Rz. 1276).
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf den Rechtsschutz Privater und klammern denjenigen der adressierten Behördenmitglieder aus (siehe dazu Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, § 41 Rz. 20 sowie hinten Ziff. 4.4.; zu den daneben bestehenden nicht-richterlichen Kontrollen s. Pfisterer 2007, 237 ff.).
Mangels Rechtsnormqualität können Verwaltungsverordnungen grundsätzlich nicht abstrakt angefochten werden. Dennoch ermöglicht das Bundesgericht unter bestimmten Umständen eine gerichtliche Überprüfung. Es trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die einzelfallweise Umsetzung von Verwaltungsverordnungen Rechtswirkungen gegenüber Privaten entfalten und diese direkt betreffen kann. Exemplarisch zu nennen sind Weisungen an die Ärzte eines öffentlichen Spitals über Obduktion und Organentnahme (BGE 98 Ia 508, 510 f. E. 1) oder polizeiinterne Dienstanweisungen über die Information der Medien bei bestimmten Ereignissen (s. Jaag 2011, 634). Die abstrakte Anfechtbarkeit von Verwaltungsverordnungen hängt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung von drei kumulativen Voraussetzungen ab (statt vieler BGE 128 I 167, 172 E. 4.3):
Erstens muss der zur Anwendung gelangende Rechtsweg ein abstraktes Normenkontrollverfahren vorsehen. Dies ist lediglich für kantonale Erlasse der Fall (s. Art. 82 Bst. b BGG5). Verwaltungsverordnungen des Bundes lassen sich daher nicht abstrakt anfechten (s. Art. 31 VGG6, Art. 82 Bst. a BGG). Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass vor Bundesverwaltungsgericht bisweilen die Abgrenzung zwischen Verwaltungsverordnung und Verfügung strittig ist (s. dazu vorne Ziff. 2.2.).
Zweitens muss die Verwaltungsverordnung Aussenwirkungen entfalten. Dies trifft zu, wenn eine Verwaltungsverordnung die Privaten zumindest mittelbar in ihren rechtlichen oder tatsächlichen Interessen betrifft. Aussenwirkungen zeitigen insbesondere vollzugslenkende Verwaltungsverordnungen, die sich zur einzelfallweisen Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen äussern.
Drittens dürfen in Ausführung der Verwaltungsverordnung keine konkretisierenden Akte ergehen, deren Anfechtung möglich und zumutbar ist. Erfüllt war diese Voraussetzung beispielsweise bei den eingangs erwähnten Weisungen an die Ärzte eines öffentlichen Spitals betreffend Obduktionen und Organentnahmen (BGE 98 Ia 508, 511 E. 1), bei solchen betreffend die straflose Unterbrechung der Schwangerschaft (BGE 114 Ia 452, 455 E. 1a) sowie bei Richtlinien zur Bemessung von Eigenmietwerten, soweit sich Mieter dagegen zur Wehr setzen wollten (BGE 124 I 193 ff.). In der letztgenannten Konstellation beschränkt sich die Anfechtungsmöglichkeit aus diesem Grund auf die Mieter, da die Hauseigentümer die Widerrechtlichkeit der Richtlinie mittels Anfechtung der Veranlagung geltend machen können (s. BGE 105 Ia 349, 357 E. 3b).
Wie die vorstehenden Beispiele veranschaulichen, erfolgt die behördliche Umsetzung von Verwaltungsverordnungen verschiedentlich in Gestalt von Realakten. Seit das Bundesgericht seine Praxis zur Anfechtbarkeit von Verwaltungsverordnungen begründet hat, wurde der Rechtsschutz gegen Realakte massiv gestärkt: Die Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV7 vermittelt heute einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen bestimmte Realakte (zur Bedeutung dieser Bestimmung s. hinten Ziff. 4.3.2.).8 Auf Bundesebene wird dieser Anspruch in Artikel 25a VwVG9 konkretisiert. Die Kantone kennen teilweise ähnliche oder identische Bestimmungen; fehlt es an einer Regelung, ist eine Berufung unmittelbar auf Artikel 29a BV möglich. Es ist daher zu klären, ob der Ausbau des Rechtsschutzes gegen Realakte den Kreis der abstrakt anfechtbaren Verwaltungsverordnungen beschränkt hat. Im BGE 128 I 167, 186 E. 4.5 führte das Bundesgericht aus, dass die Gewährleistung hinreichenden Rechtsschutzes gegen Realakte (in casu die anlässlich eines Polizeieinsatzes ergangenen Wegweisungen) den Ausschluss der abstrakten Anfechtbarkeit des Polizeieinsatzbefehls zur Folge habe. Allerdings stellte sich die Frage nach der Anfechtbarkeit des Einsatzbefehls erst, nachdem die gestützt darauf erfolgten Wegweisungen bereits ausgesprochen worden waren. Die bundesgerichtliche Erwägung darf daher nicht so verstanden werden, dass ein Einsatzbefehl bzw. – verallgemeinert – eine Verwaltungsverordnung nie abstrakt angefochten werden kann oder dass stets der konkretisierende Realakt abgewartet werden muss. Dies gilt vielmehr nur dann, wenn der Realakt bereits ergangen ist.
Wie das Bundesgericht selbst in ständiger Rechtsprechung festhält, muss der Rechtsschutz gegen den konkretisierenden Akt nicht nur möglich, sondern auch zumutbar sein. Es ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob es für die betroffene Person zumutbar ist, einen anfechtbaren Realakt abzuwarten. Letzteres ist zu verneinen, wenn mit der Anfechtung des Realakts nicht rechtzeitig Rechtsschutz erlangt werden kann, weil das behördliche Handeln (beispielsweise in Gestalt einer Organentnahme oder eines unterbliebenen Schwangerschaftsabbruchs) irreparable Konsequenzen zeitigt, die sich im Fall einer Gutheissung des Rechtsmittels nicht mehr beheben lassen. Der Rechtsschutz gegen Realakte beschränkt die Möglichkeit der abstrakten Anfechtung von Verwaltungsverordnungen somit kaum. Praktisch dürfte dies nur dann der Fall sein, wenn anstelle der Anfechtung einer Verwaltungsverordnung rechtzeitig ein Anspruch auf Unterlassung eines die Verwaltungsverordnung konkretisierenden Realakts geltend gemacht werden kann.
Demgegenüber ist es beispielsweise bei Weisungen der Steuerverwaltung oder bei Sozialhilferichtlinien den Betroffenen ohne Weiteres zumutbar, den Erlass einer Verfügung abzuwarten und sich im Rahmen von deren Anfechtung gegen die Verwaltungsverordnung zur Wehr zu setzen (dazu sogleich Ziff. 3.2.2.). Diese Beispiele zeigen, dass späterer Rechtsschutz vor allem dann zumutbar ist, wenn eine Verwaltungsverordnung mittels Verfügung konkretisiert wird, da den privaten Interessen mittels vorsorglicher Massnahmen Rechnung getragen werden kann bzw. bei Streitigkeiten über Geldleistungen eine Nachzahlung (inkl. Verzinsung) stattfindet.
Verwaltungsverordnungen der Kantone und des Bundes können sodann im Einzelfall vorfrageweise angefochten werden. Dabei wird geltend gemacht, die Anwendung der Verwaltungsverordnung führe zur Widerrechtlichkeit der Verfügung (statt vieler BGE 131 I 166, 179 f. E. 7.2). Anfechtungsobjekt ist in diesen Konstellationen die Verfügung. Massstab für die Rechtmässigkeit des angefochtenen Handelns bildet das einschlägige Recht (Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, § 41 Rz. 27).
Mangels Rechtsnormqualität können sich Private nicht zu ihren Gunsten auf eine Verwaltungsverordnung berufen (statt vieler Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-8009/2010 vom 29. Nov. 2011, E. 4.3). Dies hat beispielsweise zur Folge, dass eine Steuerveranlagung nicht wegen Verletzung einer für die Steuerbehörden verbindlichen Weisung angefochten werden kann. Immerhin ist unter Umständen eine Berufung auf das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV) bzw. den Vertrauensschutz (Art. 9 BV) möglich. Sofern die Rechtsmittelinstanz – wie das Bundesverwaltungsgericht (s. Art. 37 VGG i.V.m. Art. 49 Bst. c VwVG) – auch zur Überprüfung der Angemessenheit befugt ist, kann sodann geltend gemacht werden, die unter Missachtung der Verwaltungsverordnung erfolgte Rechtsanwendung führe zu einem unangemessenen Ergebnis (zum Ganzen Kölz/Häner/Bertschi 2013, Rz. 1040; Uhlmann/Binder 2009, 158).
Im Schrifttum ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung verschiedentlich auf Kritik gestossen. Moniert werden insbesondere die als problematisch erachtete Abgrenzung von Innen- und Aussenbereich sowie der Umstand, dass die zentrale Rolle von Verwaltungsverordnungen im Prozess der Rechtskonkretisierung ignoriert werde (statt vieler Biaggini 1997, 17 ff.; Häfelin/Müller/Uhlmann 2016, Rz. 92).
Soweit der Rechtsschutz gegen Verwaltungsverordnungen betroffen ist, ist die Kritik zu relativieren, da trotz fehlender Rechtsnormqualität kaum mehr ein Rechtsschutzdefizit besteht. Nach wie vor als problematisch erscheinen allerdings zwei Aspekte: Erstens resultiert aufgrund der Beschränkung des Anfechtungsobjekts auf Verfügungen (s. Ziff. 3.2.1.) insofern ein Rechtsschutzdefizit, als die abstrakte Anfechtung von Verwaltungsverordnungen des Bundes generell ausgeschlossen ist. Die Konsequenzen der Beschränkung des Anfechtungsobjekts auf Verfügungen sind für Verwaltungsverordnungen einschneidender als für Rechtsverordnungen, da letztere regelmässig durch Verfügungen konkretisiert werden, bei deren Anfechtung rechtzeitig Rechtsschutz erlangt werden kann. Immerhin kann bei drohenden Realakten gestützt auf Artikel 25a Absatz 1 Buchstabe a VwVG ein Unterlassungsbegehren gestellt werden. Zweitens – und damit verbunden – müssen Verwaltungsverordnungen mangels Rechtssatzqualität nicht publiziert werden. Aus diesem Umstand resultieren gewisse faktische Erschwernisse für den Rechtsschutz, lassen sich die anfechtbaren Realakte teilweise doch gar nicht antizipieren.
Eine neuere Stimme in der Literatur propagiert die gewohnheitsrechtliche Geltung von Verwaltungsverordnungen (Egli 2011, 1164 ff.). Eine solche hätte zur Folge, dass Verwaltungsverordnungen «insbesondere auch für Gerichte umfassende Rechtsverbindlichkeit» erlangten (Egli 2011, 1167) und dass ihre Anwendung auf dem Rechtsmittelweg durchgesetzt werden könnte. In Einzelfällen mag sich eine gestützt auf eine Verwaltungsverordnung entwickelte Praxis tatsächlich zu Gewohnheitsrecht verdichten. Für die Mehrzahl der Konstellationen bietet dieser Ansatz im Ergebnis aber kaum substanziell mehr Rechtsschutz, da die strengen Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht (s. statt vieler Häfelin/Müller/Uhlmann 2016, Rz. 164 ff.) kaum erfüllt sein dürften. Die Rechtsüberzeugung der von der Regelung betroffenen Behörde und Privaten (opinio iuris et necessitatis) kann nämlich nur vorliegen, wenn die Rechtsunterworfenen effektiv Kenntnis von einer Verwaltungsverordnung haben, was mangels Publikationserfordernis regelmässig nicht der Fall ist. Zudem liegt zumindest bei systematischen Missachtungen einer Verwaltungsverordnung der Schluss auf die fehlende Rechtsüberzeugung der Behörden nahe. In eher schnelllebigen Bereichen dürfte schliesslich die langandauernde Praxis fraglich sein.
Während sich die Verwaltungsrechtswissenschaft seit Jahren intensiv mit den Verwaltungsverordnungen befasst, werden die übrigen Formen von Soft Law zumindest aus der Rechtsschutzperspektive weitgehend ignoriert. Dass in dieser Hinsicht noch Forschungsbedarf besteht, wird auch deutlich, wenn man die in den vergangenen Jahren intensiv geführte Diskussion um den Rechtsschutz gegen Realakte betrachtet. Erörtert werden diesbezüglich in der Regel Tathandlungen, die sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen. Kaum analysiert wird hingegen das Soft Law als auf einen Taterfolg – die Verhaltenslenkung – gerichtete staatliche Handlungen mit generell-abstrakter Struktur. Zwar generiert das Soft Law nicht zwingend ein mit konkreten Realakten vergleichbares Rechtsschutzinteresse. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die vollzugslenkenden Verwaltungsverordnungen aufgrund ihres engen Bezugs zu einer Rechtsnorm und ihrer verwaltungsinternen Verbindlichkeit (s. Ziff. 3.1.) diesbezüglich anders zu behandeln sind als das übrige Soft Law. Ob von der fehlenden Rechtsverbindlichkeit bzw. der mangelnden Konkretheit auf die Inexistenz eines Rechtsschutzbedürfnisses geschlossen werden kann, ist allerdings auch hier zu hinterfragen.
Betrachtet man die Restmenge jener Erscheinungsformen von Soft Law, die keine Verwaltungsverordnungen darstellen, offenbart sich eine grosse Vielfalt. Im Folgenden wird der Fokus auf zwei Ausprägungen gelegt, die aus der Rechtsschutzperspektive besonders interessant sind. Die weiter hinten (s. Ziff. 4.3.) erörterten Kriterien zur Identifikation schutzwürdiger Rechtsschutzinteressen sind allerdings verallgemeinerungsfähig und lassen sich auch auf andere Konstellationen anwenden.
Untersucht wird zum einen der Rechtsschutz gegen behördliche Warnungen und Empfehlungen mit generell-abstrakter Struktur (dazu sowie zur Abgrenzung von individuell- bzw. generell-konkreten Warnungen und Empfehlungen vorne Ziff. 2.1.). Vergleichbare Fragen wirft das Nudging auf. Diese indirekte Methode der Verhaltenssteuerung kennzeichnet sich dadurch, dass das gewünschte Verhalten nicht direkt angesprochen wird; vielmehr sollen sich die Adressatinnen und Adressaten aufgrund einer Modifikation des Entscheidungssettings unbewusst zu einem bestimmten Verhalten entscheiden.10 Nudging tritt insofern weniger offenkundig auf als Warnungen und Empfehlungen.
Zum anderen werden Rechtsschutzfragen im Kontext von Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) bzw. Leitlinien thematisiert.11 Diese formulieren Verhaltensweisen, zu deren Befolgung sich bestimmte Personenkreise bekennen, wobei die Einhaltung nicht mit rechtlichen Mitteln durchgesetzt werden kann. Nicht ausgeschlossen ist allerdings eine mittelbare Sanktionierung bzw. Berücksichtigung der Befolgungsbereitschaft in anderem Kontext (dazu hinten Ziff. 4.5.). Wie ausgeführt, handelt es sich nur dann um staatliches Soft Law, wenn eine irgendwie geartete behördliche Involvierung besteht, die von der (Mit-)Ausarbeitung oder Verabschiedung bis zur behördlichen Genehmigung oder Stellungnahme reichen kann (s. Ziff. 2.1.).
Liegt die Urheberschaft alleine bei Behörden, so richten sich Kodizes in der Regel an untergeordnete Verwaltungseinheiten oder öffentliche Bedienstete. Soweit sie gesetzliche (Arbeitnehmer-)Pflichten konkretisieren, kommt ihnen die Funktion einer Auslegungshilfe zu.12
Kodizes, die von staatlichen Akteuren und Privaten gemeinsam oder von Privaten in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erlassen werden, verfügen in der Regel über einen Adressatenkreis, der sich auch (oder gar ausschliesslich) aus Privaten zusammensetzt. Dies gilt beispielsweise für die von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) herausgegebenen Leitfäden13 oder für die Schriften der Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT)14, die den Forschenden bestimmte Verhaltensweisen nahelegen. Diese Beispiele zeigen, dass die Grenze zwischen behördlichen Kodizes und Leitlinien einerseits und Warnungen und Empfehlungen anderseits letztlich fliessend ist: Erstens empfehlen auch Erstere regelmässig ein bestimmtes Verhalten; zweitens erscheinen Warnungen und Empfehlungen nicht nur in Gestalt von Kampagnen, sondern teilweise auch in Textform.15 Unerheblich für die Abgrenzung ist die Terminologie, wird diese doch bisweilen zufällig gewählt. Ungleich bedeutsamer sind aus rechtlicher Warte die damit verbundenen Konsequenzen (zur Frage, inwiefern die Zuordnung Konsequenzen für die Art und Weise der Gewährung von Rechtsschutz hat, s. hinten Ziff. 5.).
In der Grauzone der Rechtsetzung angesiedelt sind sodann die – unter dem Titel der «regulierten Selbstregulierung» thematisierten – privaten Branchenleitlinien, die einer staatlichen Genehmigungspflicht unterliegen (zur Rechtsnatur von Branchenvereinbarungen s. Hettich 2014, Rz. 561 ff.; Errass 2010, Rz. 52). Exemplarisch hinzuweisen ist in diesem Kontext auf die in Artikel 80 LGV16 vorgesehenen, durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zu genehmigenden Branchenleitlinien, welche die Anforderungen nach den Artikeln 76–79 LGV ersetzen. Mit seiner Genehmigung konstatiert das BLV, dass das private Regelwerk dieselben Ziele wie das staatliche Verordnungsrecht erreicht. Dieses Verdikt verleiht den Leitlinien rechtssatzähnliche Geltung, da die Branchenangehörigen daraus schliessen können, dass die Befolgung für die Erfüllung ihrer Rechtspflichten sowohl notwendig als auch ausreichend ist.
Eine behördliche Involvierung, welche die Frage nach einem allfälligen schutzwürdigen Rechtsschutzinteresse aufwirft, besteht sodann bei den im Entwurf für ein totalrevidiertes Datenschutzgesetz vorgesehenen Verhaltenskodizes privater Berufs- und Wirtschaftsverbände, zu denen der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) eine zu veröffentlichende Stellungnahme abgibt (Art. 10 E-DSG; BBl 2017 7206 ff., 7210). Gemäss der bundesrätlichen Botschaft handelt es sich bei der Stellungnahme zwar nicht um eine Verfügung. Trotzdem könne «bei einer positiven Stellungnahme des Beauftragten davon ausgegangen werden, dass ein dem Verhaltenskodex entsprechendes Verhalten keine Verwaltungsmassnahme nach sich [ziehe]» (Botschaft vom 15. Sept. 2017 zum BG über die Totalrevision des BG über den Datenschutz und die Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz, BBl 2017 6941 ff., 7035). Wenngleich dieser Stellungnahme nicht dieselbe rechtliche Verbindlichkeit zukommt wie der Genehmigung im erwähnten lebensmittelrechtlichen Beispiel, verleiht sie den betreffenden Verhaltenskodizes ebenfalls erhöhte Autorität.
Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich auf den Rechtsschutz gegen behördliches Soft Law. Im Unterschied zu den Verwaltungsverordnungen (s. oben Ziff. 3.3.) stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit hier kaum, zumal die fehlende Rechtsverbindlichkeit in der Regel unbestritten sein dürfte.
In einem ersten Schritt sind die Wirkungen der zur Diskussion stehenden Erscheinungsform von Soft Law zu analysieren. Die Identifikation der Wirkungsmechanismen ermöglicht es, die unter Rechtsschutzgesichtspunkten relevante Betroffenheit festzustellen. Richtet sich Soft Law an Private, können die Wirkungen bei den Adressaten oder – auch bzw. primär – bei Dritten eintreten. Die Relevanz der Wirkungen respektive der Betroffenheit wurde bereits im Kontext von Verwaltungsverordnungen deutlich (s. dazu vorne Ziff. 3.2.1.). Zudem setzt der Individualrechtsschutz in der Schweiz grundsätzlich einen bestimmten Grad an Betroffenheit voraus (s. dazu sogleich Ziff. 4.3.2.).
Die Ermittlung der Betroffenen ist bei Soft Law insofern teilweise komplexer als bei Verfügungen oder Erlassen, als nicht zwingend die Adressatinnen und Adressaten am stärksten tangiert sind. Um den Kreis der Betroffenen vollständig zu erfassen, müssen zudem die faktischen Folgewirkungen der intendierten Verhaltenslenkung eruiert werden. Grundsätzlich ist zwischen den Adressaten und Dritten zu unterscheiden:
Indem das Soft Law bei den Adressatinnen und Adressaten eine Verhaltenslenkung bezweckt, verfolgt es eine normative Intention. Wie die Erfahrung zeigt, vermag es dieses Ziel verschiedentlich zu erreichen, wenngleich es den Adressaten mangels rechtlicher Durchsetzungsmechanismen freisteht, ob sie sich entsprechend verhalten oder nicht. Ihre Befolgungsbereitschaft dürfte einerseits davon abhängen, wie gross der individuelle oder kollektive Nutzen bzw. Vorteil von entsprechendem Verhalten ist; anderseits wird entscheidend sein, wie einschneidend bzw. belastend sich eine Befolgung für sie auswirkt. Die Grenze zwischen Freiwilligkeit und faktischem Zwang ist daher fliessend und lässt sich nur mit Blick auf konkrete Konstellationen beurteilen (eingehend zu den Gründen für die Beachtung von Soft Law Flückiger 2009, 73 ff.).
Soft Law kann darüber hinaus negative Konsequenzen für Dritte entfalten, die keine Möglichkeit haben, durch ihr Verhalten allfällige negative Folgen von Soft Law unmittelbar abzuwehren. Dies ist insbesondere bei behördlichen Warnungen und Empfehlungen der Fall (s. Ziff. 4.4.).
Da nicht jede Form subjektiver Betroffenheit ein schützenswertes Rechtsschutzinteresse weckt, ist in einem nächsten Schritt zu klären, welche Tragweite der Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV mit Blick auf staatliches Handeln zukommt, das generell-abstrakter Natur und auf einen Taterfolg gerichtet ist. Damit soll geklärt werden, ob von Verfassungs wegen in gewissen Konstellationen Rechtsschutz zu gewähren ist.
Die Rechtsweggarantie von Artikel 29a BV vermittelt einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Rechtsstreitigkeiten. Nach allgemeiner Auffassung verlangt Artikel 29a BV keine abstrakte Normenkontrollmöglichkeit (statt vieler Kley 2014, St. Galler BV-Kommentar, Art. 29a Rz. 12). Daraus kann indes nicht zwingend geschlossen werden, dass die Rechtsweggarantie keinen Anspruch auf Rechtsschutz gegen behördliches Soft Law vermittelt. Wenngleich dieses ebenfalls über eine generell-abstrakte Natur verfügt, handelt es sich dabei nämlich nicht um klassische Erlasse, die einzelfallweise konkretisiert werden.
Kernbegriff der Rechtsweggarantie bildet der Terminus der Rechtsstreitigkeit. Dazu gehören grundsätzlich nicht nur Streitigkeiten über die Rechtmässigkeit von Verfügungen und Verträgen, sondern auch solche betreffend die Rechtmässigkeit gewisser Erscheinungen von tatsächlichem Verwaltungshandeln (statt vieler Kley 2014, St. Galler Kommentar, Art. 29a Rz. 11; Thurnherr 2013, 454 f.). Allerdings ist nicht jede Streitigkeit um die rechtliche Zulässigkeit eines bestimmten Handelns eine Rechtsstreitigkeit i.S.v. Artikel 29a BV. Als verfassungsmässiges Individualrecht schützt Artikel 29a BV Rechtspositionen Einzelner. Die Rechtsweggarantie greift daher nur bei Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einer individuellen Rechtsbeziehung oder einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition stehen. Dabei kann es sich zunächst um grundrechtliche Rechtspositionen handeln. Denkbar ist aber auch eine Tangierung gesetzlicher Rechte oder Pflichten (BGE 143 I 336, 341 f. E. 4.3). Nicht erforderlich ist ein Berührtsein in subjektivrechtlichen Ansprüchen (Kölz/Häner/Bertschi 2013, Rz. 181). Hinweise auf die Reichweite von Artikel 29a BV vermittelt die Praxis zu Artikel 25a VwVG (s. BGE 140 II 315, 324 ff. E. 4), wobei der erforderliche Grad der Betroffenheit allerdings nicht allein mit Blick auf das Gesetzesrecht bestimmt werden kann (Waldmann 2015, Basler BV-Kommentar, Art. 29a Rz. 12).
Die vorab identifizierte Betroffenheit (s. Ziff. 4.4.1.) ist daher in einem nächsten Schritt dahingehend zu untersuchen, ob sie in einer individuellen, schützenswerten Rechtsposition resultiert. Die Existenz einer Rechtsstreitigkeit lässt sich somit nicht generell, sondern nur mit Blick auf eine oder mehrere spezifische Personen beurteilen.
Zu beachten ist allerdings, dass der Rechtsschutz de lege lata weiter reicht, als es die Rechtsweggarantie verlangt. Ein Beispiel hierfür bildet die abstrakte Kontrolle kantonaler Normen (dazu auch vorne Ziff. 3.2.1.), die keinen individuellen Sondernachteil, sondern lediglich virtuelle Betroffenheit voraussetzt. Wie ausgeführt, ist diese Rechtsschutzmöglichkeit gerade bei Verwaltungsverordnungen als spezifische Ausprägung von Soft Law bedeutsam.
Schliesslich ist nach alternativen bzw. ergänzenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu fragen, die eine abstrakte Anfechtung obsolet machen. Wie die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Verwaltungsverordnungen zeigt, bildet die abstrakte Anfechtung die Ultima Ratio, wenn dem Rechtsschutzbedürfnis nicht mit der Anfechtung eines Rechtsanwendungsakts Genüge getan werden kann (s. Ziff. 3.2.1.). Im Sinne der Kohärenz der Rechtsordnung wird damit an die etablierte Rechtsprechung zu den Verwaltungsverordnungen angeknüpft.
Im Zentrum steht dabei die Frage, ob eine einzelfallweise behördliche Konkretisierung des Soft Law stattfindet, die weitere Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet. Deren Klärung erlaubt es, Anknüpfungspunkte für alternative oder ergänzende Rechtsschutzmöglichkeiten zu identifizieren. Sind die Behörden Adressaten von Soft Law, konkretisieren sie dieses unter Umständen im Anwendungsfall mittels Verfügung oder Realakt. Diesfalls besteht die Möglichkeit, im Kontext der Anfechtung des betreffenden Entscheids bzw. der Handlung geltend zu machen, dass das staatliche Soft Law, welches die Grundlage oder den Auslöser für die Handlung bzw. Entscheidung bildete, widerrechtlich sei. Bei an Private adressiertem Soft Law ergeht hingegen nur teilweise eine Konkretisierung in Gestalt einer behördlichen Handlung oder Entscheidung; seine Wirkungen beschränken sich im Übrigen auf eine Modifikation privaten Verhaltens. Anders stellt sich die Situation dar, wenn die faktische Befolgung im Kontext von späteren behördlichen Handlungen oder Entscheidungen berücksichtigt wird.
Unter dem Titel alternativer Rechtsschutzmöglichkeiten ist sodann etwa auf das Staatshaftungsrecht, die Partizipation Betroffener im Vorfeld der Ausarbeitung von Soft Law sowie die Aufsichtsbeschwerde hinzuweisen. Diese Schutzmechanismen können zwar ersatzweise zum Zug kommen, sind allerdings nur beschränkt wirksam. So setzt das Staatshaftungsrecht einen finanziellen Schaden voraus, ermöglicht keine Restitutio in Integrum und greift überdies erst ex post. Bei der Aufsichtsbeschwerde handelt es sich sodann bekanntlich um einen blossen Rechtsbehelf (statt vieler Rhinow/Koller/Kiss/Thurnherr/Brühl-Moser 2014, Rz. 659).
Behördliche Warnungen und Empfehlungen sowie Nudging intendieren eine Verhaltenssteuerung bei den Adressaten (zu den Arten und den Wirkungsmechanismen von behördlichen Empfehlungen s. Moor/Flückiger/Martenet 2012, 404 ff.). Rechtlich relevante Betroffenheit entsteht allerdings nicht primär bei diesen. Sie können nämlich – sieht man von einem allfälligen schlechten Gewissen ab – ohne Konsequenzen darauf verzichten, sich in der gewünschten Weise zu verhalten. Wenngleich die Konfrontation mit den negativen Folgen des eigenen unerwünschten Verhaltens als unangenehm empfunden werden mag, resultiert daraus in der Regel keine Tangierung individueller Rechtspositionen (s. auch Tschannen 1999, Rz. 95, wonach behördliche Empfehlungen «so lange ausserhalb grundrechtlicher Schutzbereiche liegen, als Art, Inhalt und Form der staatlichen Informationshandlung den Schutzzwecken der einschlägigen Grundrechte nicht zuwiderlaufen»).
Ungleich intensiver ist die Betroffenheit demgegenüber bei Dritten, die aufgrund der Verhaltensänderung der Adressaten negative Konsequenzen zu gewärtigen haben, wenn beispielsweise aufgrund eines veränderten Konsumverhaltens ihre Produkte nicht mehr oder in geringerem Umfang nachgefragt werden. Fraglich ist, ob in dieser Konstellation von einer Rechtsstreitigkeit ausgegangen werden kann. Zu klären ist zunächst, ob ein Grundrechtseingriff vorliegt. Dieser ist als «staatliche Verkürzung grundrechtlich vermittelter Ansprüche» zu verstehen (so Tschannen 1999, Rz. 89). Ein Eingriff kann allerdings nur dann bejaht werden, wenn das Grundrecht selbst einen Anspruch darauf vermittelt, dass der Staat die «Erfolgschancen der grundrechtsnotwendigen Interaktion» nicht beeinträchtigt (Tschannen 1999, Rz. 97). Produktewarnungen lassen sich vor diesem Hintergrund zumindest dann als Grundrechtseingriff qualifizieren, wenn sie die Wettbewerbsposition einzelner Anbieter verändern. Dies ist etwa der Fall, wenn den Konsumenten nahegelegt wird, bestimmte Substanzen oder Produkte mit bestimmten Komponenten zu meiden (Tschannen 1999, Rz. 98; Weber-Dürler 1997, 84).
Somit können auch Warnungen und Empfehlungen zu einem Eingriff in eine individuelle, schützenswerte Rechtsposition führen. Wenngleich der Kreis derart betroffener Dritter mehr oder weniger umfangreich sein kann, ist die besondere Betroffenheit zu bejahen. Sie kann überdies so begründet werden, dass die «für den Rechtsschutz erforderliche Sonderbeziehung zwischen Staat und Bürger bereits durch den formlosen, jederzeit möglichen und vom Staat fortwährend intendierten Realakt des Informationsadressaten» entstehe (Tschannen 1999, Rz. 151).
Wie ein jüngst ergangener Bundesgerichtsentscheid zu den nationalen Präventionskampagnen gegen HIV und andere Geschlechtskrankheiten zeigt, lässt sich bei bestimmten Warnungen und Empfehlungen eine weitere Kategorie von Betroffenen identifizieren: jene Personen, deren Verhalten zwar nicht gesteuert werden soll, die aber mit den betreffenden Inhalten konfrontiert werden (in casu Kinder und Jugendliche, die Bilder und TV-Spots mit Personen vor und während sexuellen Handlungen zu Gesicht bekommen; s. BGE 144 II 233 ff.). Bei der Klärung, ob diese über einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung verfügen, war für das Bundesgericht entscheidend, «ob in Abgrenzung zur Popularbeschwerde eine besondere Betroffenheit vorliegt» (a.a.O. E. 8.4). Die besondere Betroffenheit bedingt, dass «der Einzelne von einem Realakt konkret in seinen Rechten und Pflichten betroffen ist», wobei bei zahlreichen Betroffenen die Einwirkungen auf den Einzelnen zu gewichten sind (a.a.O.). Diese Voraussetzung war in casu nicht erfüllt, da bereits der von den Beschwerdeführenden angerufene Schutzbereich von Artikel 11 Absatz 1 BV (Anspruch auf besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen) nicht tangiert war.
Generell-abstrakte Warnungen und Empfehlungen sowie behördliches Nudging sind auf eine Verhaltenslenkung Privater beschränkt. Ihnen folgen daher keine behördlichen Anwendungshandlungen, die dem rechtsschutzsuchenden Bürger als Verfahrenseinstieg dienen könnten. Die Staatshaftung setzt sodann Widerrechtlichkeit voraus (s. BGE 118 Ib 473 ff., wo es an diesem Erfordernis fehlte) und greift – wie erwähnt – erst, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist. Zwar vermag sie in einzelnen Konstellationen durchaus für Restitution zu sorgen; sie taugt indes lediglich als Ergänzung, nicht aber als Alternative zum Rechtsschutz gegen Warnungen und Empfehlungen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass von behördlichen Warnungen und Empfehlungen oder von Nudging betroffene Dritte durchaus über ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse verfügen können. Dessen Existenz kann allerdings nur einzelfallweise mit Blick auf das angerufene Grundrecht sowie die Qualität und die Intensität der Betroffenheit beurteilt werden.
Verhaltenskodizes und Leitlinien betreffen die Adressaten primär dann mit einer gewissen Intensität, wenn behördlicherseits trotz fehlender Rechtsverbindlichkeit Konsequenzen an eine Nichtbefolgung geknüpft werden. Alternative oder ergänzende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen dann, wenn die Befolgung von Verhaltenskodizes Grundlage für spätere Verfügungen oder Realakte bilden, bei deren Anfechtung geltend gemacht werden kann, das Soft Law sei widerrechtlich. Diesfalls erübrigt sich die Notwendigkeit einer abstrakten Anfechtungsmöglichkeit.
Bedeutende faktische Auswirkungen trotz fehlender Rechtsverbindlichkeit wären etwa dann zu bejahen, wenn sich Kodizes wissenschaftlicher Akademien zum Verzicht auf zwar rechtlich zulässige, aus ethischer Warte aber heikle Forschungsprojekte bekennen würden und die Befolgungsbereitschaft – beispielsweise bei der Vergabe von Forschungsgeldern durch staatliche Förderorganisationen oder bei hochschulinternen Evaluationen – Berücksichtigung fände. Die Existenz einer Rechtsstreitigkeit lässt sich dabei mit dem Argument bejahen, dass im Falle entsprechender Konsequenzen, welche die Durchführung der vom Kodex erfassten Forschungsprojekte faktisch verunmöglichen, eine grundrechtlich geschützte Betätigung (s. die in Art. 20 BV verankerte Wissenschaftsfreiheit) beschränkt wird. Ergeht der Entscheid über die Vergabe von Forschungsgeldern oder die Konsequenzen hochschulinterner Evaluationen in Verfügungsform, bestehen alternative Rechtsschutzmöglichkeiten, in deren Kontext eine unzulässige Grundrechtsbeschränkung gerügt werden kann. Zwar kann es ex ante schwierig abzuschätzen sein, ob eine Befolgungsbereitschaft effektiv berücksichtigt wird bzw. wie eine gerichtliche Behörde entscheiden könnte. Zudem sind unter Umständen ressourcenintensive Schritte zu tätigen, die sich nicht leicht rückgängig machen lassen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Soft Law-spezifische Problematik; vielmehr präsentiert sich in allen Fällen, in denen nur eine akzessorische Normenkontrollmöglichkeit besteht, eine identische Ausgangslage.
Besondere Fragen stellen sich, wenn Soft Law – wie dies bei Kodizes von Behörden in der Regel der Fall ist (s. vorne Ziff. 4.2.) – im behördlichen Innenverhältnis wirksam wird, da die Verwaltungsrechtspflege primär (wenngleich nicht ausschliesslich) im Dienst des Individualrechtsschutzes steht (statt vieler Häner 2000, Rz. 29; Kiener/Rütsche/Kuhn 2015, Rz. 28). Diese Fragen können vorliegend nur gestreift werden. Zunächst ist jeweils zu klären, ob mittels Soft Law auf das Grund- oder das Innenrechtsverhältnis eingewirkt werden soll. Knüpft man an die (nicht unumstrittene) Dogmatik zur Abgrenzung von Verfügung und Dienstbefehl an (s. dazu statt vieler Tschannen/Zimmerli/Müller 2014, 389 f.; kritisch gegenüber der fehlenden Überprüfung von Innenakten Müller, § 41 Rz. 7 ff.), können nur jene Erscheinungsformen von Soft Law, welche das Grundverhältnis betreffen, ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse begründen. Der Rechtsschutz im Innenverhältnis setzt demgegenüber eine explizite gesetzliche Grundlage voraus.
In den vorne (Ziff. 4.2.) erwähnten Beispielen der privaten Verhaltenskodizes im Datenschutz- und Lebensmittelbereich, zu denen der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte eine Stellungnahme abgibt bzw. das BLV die Genehmigung ausspricht, entsteht zumindest dann faktisch eine Pflicht zu deren Befolgung, wenn keine hinreichend konkreten rechtlichen Vorgaben bestehen, auf deren Berücksichtigung die Rechtsunterworfenen ausweichen können. Hält sich jemand nicht an die einschlägigen Branchenleitlinien und wird in der Folge mittels Verfügung eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben konstatiert, so kann geltend gemacht werden, das Soft Law, an welchem sich die Behörden orientieren, gehe über das gesetzlich Gebotene hinaus. Die Notwendigkeit einer Anfechtung des Genehmigungsakts durch Angehörige der betreffenden Branche, die zu einer Art abstrakten Normenkontrolle führen würde, erübrigt sich damit.
In diesen Konstellationen können sich im Übrigen auch Rechtsschutzfragen stellen, wenn die Genehmigung privater Leitlinien verweigert wird oder eine Stellungnahme negativ ausfällt. Da die Behörden über rechtsverbindliche Genehmigungen mittels Verfügung entscheiden, können die Antragsteller gegen die Verweigerung ein Rechtsmittel ergreifen. Negative Stellungnahmen ohne rechtsverbindlichen Gehalt hingegen sind als Realakte zu qualifizieren. Da damit noch keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen verbunden sind, ist deren eigenständige Anfechtbarkeit zu verneinen.
Soweit mittels behördlicher Genehmigungen oder Stellungnahmen signalisiert wird, dass die gesetzlichen Mindestvorgaben eingehalten werden, können Leitlinien und Kodizes auch Dritte (beispielsweise Personen, deren Daten bearbeitet werden, oder die Konsumenten bestimmter Lebensmittel) tangieren. Ist die Zulässigkeit von Datenbearbeitungen durch Dritte strittig, stehen den Betroffenen die Klagen zum Schutz der Persönlichkeit nach den Artikeln 28, 28a sowie 28g–28l ZGB17 offen. Im Lebensmittelrecht geniessen Drittbetroffene demgegenüber kaum Rechtsschutz. Haben die Behörden Leitlinien genehmigt, die das gesetzlich gebotene Sicherheitsniveau nicht erreichen, ist mangels Verfügung die Möglichkeit einer Rechtsverweigerungsbeschwerde zu prüfen. In Anbetracht der strengen bundesgerichtlichen Voraussetzungen der Konsumentenbeschwerde – legitimiert sind nur Konsumentinnen und Konsumenten, die «sowohl in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts wie in Bezug auf die mögliche Schwere der Beeinträchtigung einem nicht unwesentlich höheren Risiko ausgesetzt sind als die Allgemeinheit» (BGE 123 II 376, 379 f. E. 4b/aa) – dürften die Legitimationsanforderungen nur in seltenen Fällen erfüllt sein. Dementsprechend mangelt es auch an der Befugnis zur Anfechtung des behördlichen Genehmigungsakts.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass Soft Law in diversen Kontexten ein Rechtsschutzbedürfnis wecken kann. Dies ist zunächst bei behördlichen Warnungen und Empfehlungen, die Dritte in ihren Grundrechten tangieren, der Fall (s. vorne Ziff. 4.3.). Verschiedene behördlich (mit-)getragene Verhaltenskodizes und Leitlinien bedingen zudem Rechtsschutzmöglichkeiten der Adressatinnen und Adressaten. Dabei ergehen in gewissen Konstellationen zu einem späteren Zeitpunkt Verfügungen, bei deren Anfechtung geltend gemacht werden kann, die Berücksichtigung des betreffenden Soft Law lasse die Entscheidung als rechtswidrig erscheinen.
Existiert im Kontext von Soft Law ein Rechtsschutzbedürfnis, dem nicht über die Anfechtung von später ergehenden Rechtsanwendungsakten Genüge getan werden kann, bestehen grundsätzlich zwei alternative Rechtsschutzmöglichkeiten: einerseits die Anfechtung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle und anderseits die Überprüfung als Realakt.
Wenngleich der Rechtsschutz gegen Realakte gemeinhin mit Blick auf tatsächliches Handeln mit konkretem Sachverhaltsbezug thematisiert wird, ist er auch im vorliegenden Kontext keineswegs systemfremd. Wie das Bundesgericht jüngst ausgeführt hat, umfasst der Realaktbegriff von Artikel 25a VwVG auch Realakte mit generell-abstrakter Struktur (BGE 144 II 233, 237 E. 4.4; s. auch vorne Ziff. 2.). Nach bundesgerichtlicher Ansicht nach liesse sich auch argumentieren, dass «bei generell-abstrakten Warnungen und Empfehlungen die für den Rechtsschutz erforderliche Sonderbeziehung zwischen Staat und Bürger bereits durch den formlosen, jederzeit möglichen und vom Staat fortwährend intendierten Realakt entstehe» (a.a.O. mit Hinweis auf Tschannen 1999, Rz. 151; dieser Umstand begründet im Übrigen auch die für den Rechtsschutz erforderliche Beziehungsnähe, s. vorne Ziff. 4.3.). Das Bundesgericht signalisiert damit, dass zumindest gewisse generell-abstrakte Realakte – anders als Rechtsnormen – über einen Individualbezug verfügen. Dass eine genaue Zuordnung von Realakten im bipolaren System von generell-abstraktem und individuell-konkretem Staatshandeln an Grenzen stösst, zeigte sich übrigens bereits im mehrfach zitierten Entscheid, der wegleitend war für die Etablierung von Rechtsschutz gegen Realakte (s. vorne Ziff. 3.2.1.). Das Bundesgericht liess die Frage, ob der polizeiliche Einsatzbefehl eine Verwaltungsverordnung darstelle, letztlich offen. Unklar war dabei nicht zuletzt die generell-abstrakte Natur der Weisung (s. BGE 128 I 167, 170 E. 4.1 mit Hinweis auf «unterschiedliche Zwischenformen»).
Einen zentralen Unterschied zwischen der abstrakten Anfechtung von Soft Law als Erlass einerseits und der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit von Soft Law als Realakt anderseits bilden die Legitimationsanforderungen: Während in der erstgenannten Konstellation lediglich virtuelles besonderes Berührtsein vorausgesetzt wird (statt vieler BGE 136 I 49, 53 f. E. 2.1), bedingt der Rechtsschutz gegen Realakte Betroffenheit in individuellen, schützenswerten Rechtspositionen (s. auch vorne Ziff. 4.3.2.). Zu beachten ist sodann, dass die abstrakte Anfechtung nur möglich ist, wenn das einschlägige Prozessrecht Erlasse als Anfechtungsobjekt anerkennt (s. auch vorne Ziff. 3.2.1.). Der Rechtsschutz gegen Realakte setzt demgegenüber keine explizite gesetzliche Grundlage voraus; vielmehr vermittelt Artikel 29a BV unter bestimmten Voraussetzungen direkt einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchen Konstellationen welcher Weg eingeschlagen werden soll. Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten, dem Rechtsschutzbedürfnis im Kontext von Soft Law Rechnung zu tragen: (1) die abstrakte Anfechtung von Soft Law, (2) dessen Anfechtung als Realakt sowie (3) eine unter Rechtsschutzgesichtspunkten differenzierte Behandlung unterschiedlicher Typen von Soft Law. Im vorliegenden Kontext können nicht sämtliche Formen von Soft Law untersucht werden. Die oben erwähnten beiden Erscheinungsformen legen es allerdings nahe, den Rechtsschutz je nach Art des zur Diskussion stehenden Soft Law unterschiedlich auszugestalten.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch das Bundesgericht eine differenzierte Ausgestaltung des Rechtsschutzes favorisiert: Während Verwaltungsverordnungen unter Umständen abstrakt angefochten werden können, werden generell-abstrakte Warnungen und Empfehlungen gemeinhin als Realakte behandelt. Die Gründe dafür werden vom Bundesgericht zwar nicht erläutert. Ausschlaggebend zu sein scheint, dass Verwaltungsverordnungen einen engen Konnex zu den zu konkretisierenden generell-abstrakten Erlassen aufweisen, während Warnungen und Empfehlungen primär in einer nach aussen wahrnehmbaren Informationshandlung bestehen. In Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu den Verwaltungsverordnungen liesse sich die abstrakte Normenkontrolle auch auf Soft Law als Aliud zu generell-abstrakten Normen ausdehnen.
Gesondert zu betrachten sind von Privaten erarbeitete Kodizes oder Leitlinien, die einer behördlichen Genehmigung unterliegen bzw. zu denen eine Behörde eine Stellungnahme abgibt (s. dazu vorne Ziff. 4.5.). Mit der behördlichen Genehmigung resp. Stellungnahme besteht dabei ein Rechts- bzw. Realakt, der als Anfechtungsobjekt dienen könnte (s. zur Bedeutung des Genehmigungsakts auch Marti 2002, 1156). Teilweise bestehen, wie ausgeführt, Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn gestützt auf die Leitlinien widerrechtliche Handlungen erfolgen. Der Datenschutzbereich ist diesbezüglich allerdings insofern singulär, als im Falle von zu tiefen Schutzstandards zivilrechtliche Rechtsmittel zur Anwendung gelangen. Im Übrigen ist letztlich massgebend, welche Anforderungen im betreffenden Bereich an die Legitimation Drittbetroffener statuiert werden. Wie erwähnt, sind Konsumenten kaum je beschwerdeberechtigt (s. vorne Ziff. 4.5.). Dies verunmöglicht nicht nur die Anfechtung des Genehmigungsakts und die Geltendmachung einer Rechtsverweigerung; auch ein virtuelles besonderes Berührtsein lässt sich vor diesem Hintergrund kaum begründen.18 Handelt es sich bei den von Leitlinien betroffenen Dritten hingegen um Nachbarn, ist deren Legitimation unter Umständen zu bejahen (zur Beschwerdeberechtigung von Nachbarn s. statt vieler Waldmann 2011, Basler Kommentar BGG, Art. 89 Rz. 21 ff.). Dabei bestehen mit dem behördlichen Genehmigungsakt und der Rechtsverweigerungsbeschwerde zwei Anknüpfungspunkte für den Rechtsschutz.
Warnungen und Empfehlungen sowie Nudging verfügen demgegenüber, sieht man von der generell-abstrakten Struktur ab, in der Regel nicht über Ähnlichkeiten mit Erlassen (s. zu den teilweise bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten aber vorne Ziff. 4.2.). Vielmehr handelt es sich dabei um prototypische Tathandlungen. Für diese drängt sich daher die Anwendung des Rechtsschutzes gegen Realakte auf. Je nach Ausgestaltung des diesbezüglichen Rechtsschutzes im betreffenden Gemeinwesen kann – dies ist der Regelfall – eine anfechtbare Verfügung über den Realakt verlangt werden, die sich über die behauptete Widerrechtlichkeit des Soft Law ausspricht,19 oder – seltener – der Realakt direkt angefochten werden (dazu sowie zu den Legitimationsanforderungen vorne Ziff. 4.3.).
Wenngleich den Grauzonen der Rechtsetzung keine Rechtsnormqualität zukommt, wecken verschiedene der darin zu lokalisierenden Formen von Soft Law Rechtsschutzbedürfnisse. Die Analyse der Wirkungen von Soft Law, ihre In-Bezug-Setzung zu den Anforderungen an die Rechtsweggarantie und die abstrakte Normenkontrolle sowie zu alternativen und ergänzenden Rechtsschutzmöglichkeiten erlaubt es, die unter Rechtsschutzgesichtspunkten heiklen Fälle zu identifizieren und nach prozeduralen Anknüpfungspunkten zu fragen. Besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, das nicht über die Anfechtung eines Rechtsanwendungsakts befriedigt werden kann, ist – abhängig von der konkreten Konstellation und der Ausgestaltung des Prozessrechts im jeweiligen Gemeinwesen – der Weg der abstrakten Normenkontrolle von Soft Law oder dessen Anfechtung als Realakt zu beschreiten. Spezifische Fragen wirft der Rechtsschutz im Kontext der regulierten Selbstregulierung auf: Dabei ist primär nach der Art der behördlichen Involvierung (Genehmigung oder Stellungnahme) sowie der Qualität und Intensität der Betroffenheit (Urheber bzw. Adressaten und Dritter) zu unterscheiden.
Prof. Dr. Daniela Thurnherr, Professorin für Öffentliches Verfahrensrecht, Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Basel.
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- 1 In der Literatur finden sich teilweise Begriffsbestimmungen, die in einzelnen oder mehreren Punkten von der vorliegenden Definition abweichen. Müller/Uhlmann 2013, Rz. 13, beispielsweise definieren Soft Law als «Normen […], denen keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit zukommt, die also nicht mit Rechtsmitteln durchsetzbar sind, aber trotzdem tatsächliche und rechtliche Auswirkungen haben». Während die mangelnde Rechtsverbindlichkeit und die dennoch bestehenden Wirkungen gemeinhin im Zentrum stehen, sind die weiteren Elemente teilweise kontextabhängig.
- 2 Mit der Zuordnung von generell-konkreten Realakten zu denjenigen einzelfallweiser Art (und nicht zum Soft Law) wird an den Umstand angeknüpft, dass generell-konkrete Rechtsakte auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten grundsätzlich wie Verfügungen und nicht wie Erlasse behandelt werden (statt vieler Häfelin/Müller/Uhlmann 2016, Rz. 944). Wie weiter hinten auszuführen sein wird, erfolgt die Abgrenzung zwischen «abstrakt» und «konkret» bei den Realakten indes nicht gleichermassen apodiktisch wie bei den Rechtsakten (s. Ziff. 5.).
- 3 Bundesgesetz vom 13. Dez. 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10).
- 4 Zu weiteren Arten von Verwaltungsverordnungen s. Pfisterer 2007, 72 ff.
- 5 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110).
- 6 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz; SR 173.32).
- 7 Bundesverfassung vom 18. April 1999 der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101).
- 8 Ursprünglicher Auslöser für die Gewährung von Rechtsschutz gegen Realakte durch das Bundesgericht bildete Art. 13 Europäische Menschenrechts Kommission (EMRK) (s. BGE 128 I 167, 174 E. 4.5). Da Art. 29a BV bei sämtlichen Rechtsstreitigkeiten einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung vermittelt (s. zum Begriff der Rechtsstreitigkeiten Ziff. 4.3.2.), kommt Art. 13 EMRK heute primär Bedeutung als Schranke für Ausnahmen von der Rechtsweggarantie zu.
- 9 Bundesgesetz vom 20. Dez. 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz; SR 172.021).
- 10 Der Begriff des Nudging ist massgeblich geprägt worden von Richard Thaler und Cass Sunstein. In ihrem Buch «Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness» (New Haven, 2008, 6) definieren sie den «nudge» wie folgt: «A nudge, as we will use the term, is any aspect of the choice architecture that alters people’s behavior in a predictable way without forbidding any options or significantly changing their economic incentives. To count as a mere nudge, the intervention must be easy and cheap to avoid».
- 11 Während diese Erscheinungsformen vorliegend zum Soft Law gezählt werden, weisen sie nach Ansicht von Müller/Uhlmann 2013, Rz. 13, lediglich «[ä]hnliche Merkmale wie das ‹soft law›» auf.
- 12 Exemplarisch hinzuweisen ist auf den Verhaltenskodex vom 15. August 2012 für die Bundesverwaltung, der über weite Teile bundespersonalrechtliche Pflichten wiedergibt, sowie auf den Code of Conduct der Bundesanwaltschaft vom 1. Juli 2017.
- 13 Beispielhaft zu nennen ist der Leitfaden betreffend «Forschung mit Menschen» der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), 2. Aufl. 2015. Der Senat als oberstes Stiftungsorgan konstituiert sich unter anderem aus Angehörigen der medizinischen Fakultäten und der Vetsuisse-Fakultät (s. Art. 7 der SAMW-Statuten vom 31. Mai 1990).
- 14 Exemplarisch hinzuweisen ist auf das Dokument betreffend «Missbrauchspotenzial und Biosecurity in der biologischen Forschung. Eine Diskussionsgrundlage zur Frage des Umgangs mit dem Dual Use-Dilemma in der wissenschaftlichen Praxis» (Bern 2017).
- 15 S. z. B. die Empfehlungen der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften betreffend «Erhebung, Analyse und Veröffentlichung von Daten über die Behandlungsqualität» (genehmigt vom Senat der SAMW am 19. Mai 2009).
- 16 Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 16. Dez. 2016 (LGV; SR 817.02).
- 17 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dez. 1907 (ZGB; SR 210).
- 18 Errass (2010, Rz. 332) fordert vor diesem Hintergrund «eine Ausdehnung des Beschwerdeanfechtungsgegenstandes, eine Ausweitung der Beschwerdelegitimation oder eine Einführung eines Verbandsbeschwerderechts […], da ansonsten die von solchen Regelungen geschützten Drittinteressen kaum auf ihre materielle Gesetzeskonformität, d. h. objektive Rechtmässigkeit überprüft werden könnten.» S. zum Rechtsschutz im Bereich der regulierten Selbstregulierung auch Hettich (2014, Rz. 720 ff.).
- 19 Damit verbunden werden können Unterlassungs-, Einstellungs- oder Folgenbeseitigungsbegehren (s. Art. 25a Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz).