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Die Aus- und Weiterbildung1 von Fachpersonen im Bereich der Evaluation erfolgt in der Schweiz primär über die folgenden drei Strategien:
- Vermittlung von Evaluationskompetenzen in Grundausbildungen verschiedenster Disziplinen (Evaluationsmodule in Bachelor- und Masterstudiengängen sowie in PhD-Programmen)
- Umfassende Weiterbildungen (CAS, DAS, MAS) in Evaluation (horizontaler Ansatz)
- Weiterbildungsangebote zu spezifischen Evaluationsthemen (vertikaler Ansatz).
In der Schweiz gibt es auf allen drei Ebenen vielfältige Angebote. Während aktuelle Daten zu Evaluationsinhalten in grundständigen Ausbildungen fehlen2, ist das spezifische Weiterbildungsangebot zu Evaluation in der Schweiz gut fassbar. Es gibt nur wenige Organisationen, die regelmässig Weiterbildungen in Evaluation anbieten:
- Der Bereich Evaluation am Zentrum für Universitäre Weiterbildung der Universität Bern (ZUW) führt seit 18 Jahren weiterbildende Studiengänge in Evaluation durch. Seit 2016 besteht das Studienprogramm aus CAS, DAS und MAS in Evaluation. Seit 2018 ergänzt das internationale Weiterbildungsprogramm IPDET (International Program for Development Evaluation Training3) das Angebot am ZUW. Das IPDET wird gemeinsam mit dem Centrum für Evaluation (CEval) in Saarbrücken und in Kooperation mit der Independent Evaluation Group der Weltbank durchgeführt. Es besteht aus englischsprachigen Onsite-Kursen (summerschool) und Online-Kursen für verschiedene Zielgruppen aus der ganzen Welt, sowie aus «Evaluation Community Building» Massnahmen.
- Das Center for Development and Cooperation (NADEL) an der ETH Zürich bietet seit 50 Jahren im Rahmen seiner CAS- und MAS-Weiterbildungsprogramme verschiedene Evaluationskurse an. Diese werden zusammen mit externen Referierenden in online-, onsite-, und blended-Formaten für eine breite Zielgruppe aus verschiedenen Sektoren (not-for-profit, public, corporate, academia, private foundations) regelmässig durchgeführt.
- Das Institut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) führt seit mehr als dreissig Jahren zahlreiche Weiterbildungskurse im Bereich der Evaluation durch. Neben dem CAS in Politikevaluation gibt es auch kleinere Kurse im Rahmen des Master of Public Administration, die sich an Personen aus dem öffentlichen und privaten Sektor richten.
Neben diesen genannten gibt es punktuell wenige weitere Kurse von anderen Anbietenden. Eine gute Übersicht über das Weiterbildungsangebot liefert die Plattform www.eval-training.org, welche den Grossteil der Weiterbildungen in der Schweiz abbildet und regelmässig aktualisiert wird.
Das Weiterbildungsangebot richtet sich an Evaluierende, aber auch an Evaluationsmanagerinnen und -manager (inkl. Auftraggebende von Evaluationen)4 sowie an Fachpersonen, die in beratender, forschender oder anderer Rolle (potenziell) mit Evaluationen zu tun haben. Einzelne Angebote sind rollenspezifisch ausgerichtet, zum Beispiel Angebote zu anwendungsorientierten forschungsmethodischen Kompetenzen für die Durchführung von Evaluationen, andere Angebote vermitteln rollenunspezifische Grundkompetenzen in Evaluation.
Entwicklungen in Theorie und Praxis der Evaluation sowie veränderte Bedarfe von Seiten Politik, Organisationen und potenziellen Weiterbildungsteilnehmenden erfordern eine regelmässige Bewertung und Neuorientierung des Weiterbildungsangebots. Die Entwicklung der Teilnehmendenzahlen an Evaluationsweiterbildungen des ZUW zeigt folgende Trends: In allen Studienprogrammen ist die Teilnehmendenzahl abnehmend. Der CAS wird noch am meisten gebucht, ebenso werden bestimmte Kurse (aus dem CAS-, DAS- und MAS-Angebot) einzeln gut nachgefragt. Demgegenüber hat sich die Erwartung nicht erfüllt, dass CAS-Absolventinnen und Absolventen den DAS und MAS anschliessen. Dies ist nur in einigen wenigen Fällen erfolgt. Die Entwicklung der Teilnehmendenzahlen an Weiterbildungen des NADEL und des IDHEAP gehen in eine andere Richtung: In allen Studienprogrammen ist die Teilnehmendenzahl gleichbleibend bis zunehmend. Dies gilt vor allem auch für methodenfokussierte Kurse. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Evaluationsweiterbildungskurse in übergeordnete thematische Curricula eingebettet sind (NADEL: MAS und CAS in Development and Cooperation; IDHEAP: MAS in Public Administration).
Um den veränderten Bedarf besser verstehen und das Weiterbildungsangebot bedarfsgerecht planen und umsetzen zu können, hat der Bereich Evaluation des ZUW eine standardisierte Online-Befragung in der Schweizer Evaluationscommunity in Auftrag gegeben.5 Gleichzeitig hat sich die SEVAL-Arbeitsgruppe «Kompetenzen» mit den wichtigsten Anbietenden von Weiterbildung in Evaluation in der Schweiz und in Deutschland ausgetauscht, um die jeweiligen Trends zu eruieren und mögliche Synergien zu identifizieren. Auf Basis dieser Erkenntnisse hat die Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit dem Bereich Evaluation des ZUW am 20. April 2022 eine Abendveranstaltung unter dem Titel «Aus- und Weiterbildung in Evaluation – Quo vadis» durchgeführt. Ziel dieser Veranstaltung war es, Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Weiterbildung in Evaluation in der Schweiz zu erarbeiten. 32 Teilnehmende haben engagiert zu zentralen Spannungsfeldern der Weiterbildung in Evaluation diskutiert, darunter Evaluatorinnen und Evaluatoren, Evaluationsmanagerinnen und -manager in unterschiedlichen Rollen und Anbietende von Weiterbildungen in Evaluation.
Nachfolgend werden die Ergebnisse der obgenannten Abendveranstaltung und der Befragung des ZUW dargestellt, geordnet nach «Zielgruppen/Markt», «Inhalte», «Abschlüsse» und «Formate und Didaktik».
Leitfragen: Wie gross ist der Bedarf an Weiterbildung in Evaluation in der Schweiz insgesamt? Auf welche Zielgruppen soll künftig stärker fokussiert werden?
Es gibt keine umfassende Übersicht über den Evaluations-Markt bzw. Zahlen dazu, wie viele Evaluationsfachpersonen mit welchem Profil und in welcher Rolle in der Schweiz tätig sind; die SEVAL Datenbank ermöglicht nur einen beschränkten Einblick in das Feld.6 Um den Bedarf an Weiterbildung besser abschätzen zu können, wäre es wichtig, den gesamten Umfang der Evaluationscommunity zu kennen, die Rollen der verschiedenen Akteure und ihre Bedürfnisse bezüglich Weiterbildung. Gleichzeitig dürfen sich die Überlegungen zum Bedarf in Weiterbildung nicht auf den Status Quo der aktiven Evaluierungscommunity beschränken, sondern der Markt muss breiter betrachtet und die Evaluation in neue thematische Felder eingebracht werden.
Die Diskussionen an der Abendveranstaltung haben gezeigt, dass in der Weiterbildung klarer zwischen verschiedenen Zielgruppen unterschieden werden soll und dass die Fachleute in unterschiedlichen Rollen mit entsprechenden Angeboten vermehrt gezielt adressiert werden sollen. Es wurden dabei insbesondere die folgenden Gruppen angesprochen:
- Evaluatorinnen und Evaluatoren mit Unterscheidung zwischen langjährig Erfahrenen versus Neueinsteigenden sowie zwischen sozialwissenschaftlich Ausgebildeten versus Quereinsteigenden
- Evaluationsmanagerinnen und -manager in auftraggebenden Organisationen
- Punktuell Auftraggebende von Evaluationen
- Entscheidungsträgerinnen und -träger in Politik, Verwaltung und NGO’s, die nur am Rande direkt mit Evaluationen betraut sind
- Medienschaffende
Ein besonderer Bedarf an spezifischen Angeboten wird für Auftraggebende und für Entscheidungsträgerinnen und -träger gesehen. Dieser Befund gründet primär auf einer Aussensicht, nämlich auf Erfahrungen von Evaluierenden mit diesen Gruppen. Diese bemängeln, dass es auf der Gegenseite oft an Evaluationsverständnis fehlt, Potenzial und Grenzen von Evaluationen falsch eingeschätzt und infolgedessen unrealistische Erwartungen an Evaluationen formuliert werden. Hier könnten spezifische Weiterbildungen für Auftraggebende, Austauschgefässe für Evaluierende und Auftraggebende sowie Kurzveranstaltungen mit ausgewiesenen Fachpersonen für Entscheidungsträgerinnen und -träger ansetzen.
Ein Blick auf das Profil derjenigen, die an der Online-Befragung teilgenommen haben, zeigt allerdings, dass deren Rollen in Bezug auf Evaluation fliessend sind, was entsprechende Herausforderungen für ein zielgruppenspezifisches Angebot an Weiterbildungen impliziert. Die Mehrheit derjenigen, die Evaluationen nutzen, gibt auch Evaluationen in Auftrag, und fast die Hälfte ist auch für Evaluationen in der Organisation verantwortlich.
Leitfragen: Besteht ein Bedarf, kurzfristig auf aktuelle thematische Trends in der Evaluation zu reagieren und diese auch kurzfristig in Weiterbildungsangebote aufzunehmen? Welche Themen sind zurzeit relevant bzw. welche werden zunehmend wichtig?
Während es möglich sei, Grundkompetenzen in Evaluation an Fachpersonen in unterschiedlichen Rollen gemeinsam zu vermitteln, seien für weiterführende Kompetenzen unterschiedliche Weiterbildungsinhalte relevant. Selbst für Evaluierende gebe es den einheitlich bestückten Evaluationskoffer nicht. Wie in anderen Bereichen sei auch in der Evaluation eine Spezialisierung erforderlich, die unterschiedlicher Qualifizierung bedarf. In der Abendveranstaltung wurden folgende Weiterbildungsthemen für Evaluierende und Auftraggebende gesammelt (Tabelle 1). Einige der genannten Themen sind bereits heute fest in verschiedenen Weiterbildungsgängen verankert, andere könnten neu oder verstärkt integriert werden:
Evaluierende | Auftraggebende |
- Systematisierung von Evaluationsprozessen | - Grundverständnis zu Evaluation und zur Nutzung von Evaluationen |
Tabelle 1: An der Abendveranstaltung vorgeschlagene Weiterbildungsthemen
Es wurde darauf hingewiesen, dass es für umfassende Weiterbildungskurse mittlerweile gute Lehrbücher, u.a. im Bereich Politikevaluation (Sager et al. 2021) und der Bildungsevaluation (Balzer/Beywl 2018) gibt.
Die Ergebnisse der Online-Befragung untermauern in weiten Teilen die identifizierten Weiterbildungsthemen. Die Befragten beurteilten v.a. Grundlagenkenntnisse wie «Grundlagen der Evaluation», «Planung und Management von Evaluation» oder «Berichten, Empfehlen, Kommunizieren» als besonders relevant. Personen, die selbst Evaluationen durchführen, schätzten Kenntnisse zu «Planung und Management der Evaluation» und «Berichten, Empfehlen, Kommunizieren» am relevantesten ein. «Programmevaluation» wurde von Personen, welche Evaluationen nutzen, relevanter eingeschätzt als von Personen, die selbst Evaluationen durchführen.
Hinsichtlich Methodenkompetenzen wurden insbesondere klassische Methoden wie quantitative und qualitative Methoden sowie Mixed Methods als relevant bewertet, gefolgt von Evaluationsdesigns. Mehrere Umfrageteilnehmende wünschten sich einen starken methodischen Fokus für eine Weiterbildung zum Thema Evaluation. Als besonders relevanter Anwendungsbereich von Evaluationen wurde deren «Nutzung/Nützlichkeit für evidenzbasierte Entscheidungen» gesehen. Als weitere Themen wurden punktuell genannt: Ex-post-Evaluationen, Impact Evaluation, digitale Evaluation, Digitalität und Evaluation, Transformatives Lernen, Kommunikation im Rahmen einer Evaluation, Formulierung von Evaluationsfragestellungen, Abgrenzung der Evaluation zu anderen Studien oder methodischen Vorgehen (z.B. Leistungsbilanz, Dokumentation), Ausschreibung und Vergabe von Evaluationsaufträgen, Offerieren von Evaluationen.
Leitfragen: Wie wichtig sind zertifizierte Abschlüsse im Verhältnis zu erworbenem Wissen? Wann, für wen und wozu braucht es weiterhin akademische/zertifizierte Abschlüsse in Evaluation und wann, für wen und wozu eher bedarfsgerechte Einzelkurse zu spezifischen Themen und Methoden?
In Bezug auf Abschlüsse in Evaluation scheint der Markt vor allem in der Deutschschweiz zunehmend gesättigt, es gelingt kaum, neue Personen für längere Weiterbildungen zu gewinnen. Als mögliche Gründe dafür wurden in der Abendveranstaltung die lange Dauer von DAS- und MAS-Studiengängen genannt sowie die hohen Ausbildungskosten, insbesondere für Berufseinsteigende. Neue Abschlüsse seien vor allem für Personen wichtig, die neu in das Evaluationsfeld einsteigen und sich entsprechend um eine neue Stelle bewerben wollen. Fachpersonen, die schon lange in der Evaluation tätig sind, könnten mit langjähriger Erfahrung fehlende Abschlüsse wettmachen. In der Schweiz bestehe die Tendenz, eher lange an einer Arbeitsstelle zu bleiben – Einzelkurse würden oft als ausreichende Qualifizierung gesehen.
Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen klar, dass das Weiterbildungszertifikat in Evaluation einen Nutzen für die Absolventinnen und Absolventen hatte, insbesondere für den Einstieg ins oder für die Vertiefung im Themenfeld der Evaluation, aber auch um Zugang zu einem neuen Aufgabenbereich zu finden. Demgegenüber steht, dass die Befragten grosses Interesse an einzelnen Kursen zeigten, aber weniger an einem CAS und erheblich weniger an einem DAS und MAS. Als wichtige Faktoren bei der Entscheidung für oder gegen eine Weiterbildung zum Thema Evaluation wurden vor allem die thematischen und methodischen Inhalte sowie die Praxisrelevanz des Weiterbildungsangebots genannt.
Um auf die Tendenz sinkender Nachfrage nach Evaluationsabschlüssen zu reagieren und gleichzeitig die Professionalisierung in der Evaluation zu fördern, wurden an der Abendveranstaltung verschiedene Ansätze thematisiert, so zum Beispiel: Identifikation neuer Märkte resp. Berufsfelder für die Nutzung von Evaluationen, Verankerung von Evaluationsthemen in etablierten Weiterbildungen für unterschiedliche Professionen, Förderung der Verankerung von Evaluation in Grundausbildungen, Etablierung eines Kompetenznachweises, (finanzielle) Unterstützung von Neueinsteigenden in die Evaluation (Einführung eines entsprechenden Stipendiums) und Förderung von Dissertationen zu Evaluation als Treiber einer Professionalisierung.
Leitfragen: Welche Formate braucht es künftig, um die verschiedenen Zielgruppen zu erreichen? Sollten mehr niederschwellige, kürzere, günstigere, modulare, virtuelle oder «blended» Formate angeboten werden? Wieviel Flexibilität braucht es von standardisierten Studiengängen? Inwiefern sind innovative Formen wie Peer Mentoring, Hospitationen, Erfahrungsaustausch oder begleitetes «learning by doing» zukunftsweisend?
Die Diskussionen an der Abendveranstaltung legen nahe, dass klassische Wissensvermittlung mehr und mehr ausgedient hat und von anwendungsorientierten Formaten abgelöst wird. Gute Weiterbildungen arbeiten mit Umsetzungsübungen, Werkstattunterricht, Coaching, «flipped classroom» etc. In Weiterbildungen soll für die Arbeit konkret Brauchbares entwickelt werden, zum Beispiel ein Konzept für eine anstehende Evaluation. Eigene Anwendungen fördern praktische Kompetenzen und machen bestehende Lücken sichtbar. Es gibt heute bereits didaktisch gut aufgebaute Weiterbildungskurse für den Einstieg in die Evaluation (CAS des ZUW und des IDHEAP, Evaluationskurse des NADEL), für aufbauende Weiterbildungen fehlen hingegen teilweise anwendungsorientierte Konzepte. Für die Absolvierenden einer Weiterbildung scheint es wichtig, in einer ersten Ausbildungsphase an eigenen Evaluationskonzepten zu arbeiten; Hospitationen, Praktika bei Evaluationsbüros und ähnliche Formate scheinen erst dann angemessen, wenn sie über ein Grundverständnis von Evaluation verfügen.
Auch die Teilnehmenden an der Online-Befragung hoben die Wichtigkeit eines starken Praxisbezugs hervor und beurteilten v.a. Workshop, Werkstatt und Webinar als attraktive Lernformate, wobei sich die Altersgruppen in ihren Präferenzen z.T. unterscheiden.7
Neue Lehrformen bringen aber auch neue Herausforderungen mit sich. Dozierende werden in oben beschriebenen Lernformaten mehr und mehr zu Lernprozessbegleitenden resp. Coaches – eine Rolle, die für viele noch neu sei. Mehrere Umfrageteilnehmende antworteten, dass ihnen eine pädagogisch und didaktisch hochstehende Lehre wichtig sei. Ergänzend schrieben mehrere Personen, dass ihnen kompetente Dozierende mit viel Praxiserfahrung und Praxisbezug wichtig seien.
Eine weitere Herausforderung sei, dass MAS/DAS/CAS-Strukturen für neuartige Formate zum Teil (noch) zu starr sind. Eine grundsätzliche Herausforderung liege in der Heterogenität der Zielgruppen: Weiterbildung in Evaluation hat unterschiedliche Zielgruppen und Bedürfnisse zu bedienen. Je nach Tätigkeitsfeld verfügen potenzielle Weiterbildungs-Teilnehmende über unterschiedliche Grundausbildungen (Gesundheitswissenschaften, Sozialwissenschaften, Entwicklungszusammenarbeit, Finanzwesen etc.) und entsprechend über unterschiedliche methodische Kompetenzen. Evaluation kann nicht auf einem einheitlichen Forschungsverständnis und einem einheitlichen methodischen Korpus aufbauen.
Fachpersonen wünschen sich neben klassischen Formaten vermehrt auch kurze, flexibel buchbare Einzelkurse. Dies wird auch durch die Online-Befragung bestätigt. Eine Vielzahl der Befragten wünschte sich modulare und flexible Angebote, bei denen Vorkenntnisse berücksichtigt würden, Kurse aufbauend besucht und die Zusammenstellung des Weiterbildungsprogramms flexibel mitgestaltet werden könnten. Idealerweise würde für einige dabei trotzdem die Möglichkeit eines offiziellen Abschlusses und Zertifikats bestehen.
Während für Evaluationsmanagerinnen und -manager, Auftraggebende und Entscheidungsträgerinnen und -träger Formate zur gezielten Auseinandersetzung mit aktuellen Themen durchaus sinnvoll erscheinen (Evaluation als Zusatzkompetenz), braucht es aus Sicht der Veranstaltungsteilnehmenden für Evaluierende weiterhin längere und aufbauende Grundlagenkurse, um die geforderten umfassenden Evaluationskompetenzen in guter Qualität erwerben zu können (Evaluation als Hauptkompetenz). Es wurde angeregt, dass Weiterbildungsinstitutionen vermehrt kollaborieren sollen, um mit gut koordinierten Angeboten der zunehmenden Komplexität an Bedürfnissen und den gestiegenen Qualitätsanforderungen an Evaluation (u.a. methodische Anforderungen) gerecht werden zu können.
Einige Umfrageteilnehmende betonten zudem die Wichtigkeit der Vernetzungsmöglichkeiten, die sich mit dem Besuch eines Weiterbildungsangebots eröffneten: «Das, was ich nur dort bekomme, ist Vernetzung – und zwar mit der gesamten Breite von Staat und Zivilgesellschaft. Die heterogene Zusammensetzung ist entscheidend. Eine Spezialisierung oder Betonung bestimmter Sektoren, etwa des Entwicklungssektors, oder der Wünsche der staatlichen Seite, lässt genau diese Vielfalt kippen und macht es für alle weniger interessant.»
Die SEVAL-Arbeitsgruppe Kompetenzen hat im Bereich der Förderung von Weiterbildung in Evaluation eine zentrale Rolle (vgl. SEVAL-Strategie 2022–2025). Sie hat die Abendveranstaltung «Aus- und Weiterbildung in Evaluation – Quo vadis?» zusammen mit dem ZUW organisiert und baut auf deren Ergebnissen ihre weiteren Aktivitäten auf. In einem ersten Schritt hat sie zuhanden des SEVAL-Vorstands eine konzeptionelle Grundlage für ein Stipendium für Neueinsteigende in die Evaluation entworfen. Das Stipendium ist als Antwort darauf gedacht, dass es für junge Fachleute oft schwierig ist, ohne finanzielle Unterstützung und ohne Beziehungen zur Evaluationscommunity den Einstieg in das Feld der Evaluation zu schaffen. Entsprechend sieht das Stipendium eine finanzielle Unterstützung, bei Bedarf gepaart mit der Vermittlung einer Praktikumsstelle, sowie ein Mentoring vor.
Als Schwerpunkt für die nächsten 1–2 Jahre will die Arbeitsgruppe die Förderung evaluationsspezifischer Kompetenzen von Auftraggebenden in den Fokus rücken. Dabei kann es beispielsweise um die Entwicklung spezifischer Weiterbildungen, um die Initiierung von Erfahrungsaustauschtreffen oder um das Einrichten von Austauschgefässen zwischen Auftraggebenden und Evaluierenden gehen. Ziel ist es, das Verständnis von Auftraggebenden für das Potenzial und die Grenzen von Evaluation zu fördern sowie einen Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Auftraggebenden und Evaluierenden zu leisten. Eine wichtige Grundlage für diese Arbeiten ist der Kompetenzrahmen für Evaluationsmanagerinnen und Evaluationsmanager (SEVAL 2014), welcher spezifische Aufgaben, Herausforderungen und Kompetenzen von Evaluationsverantwortlichen in Organisationen, u.a. in auftraggebender Rolle, beschreibt.
Ein weiteres Thema, welches die SEVAL im Rahmen von zwei Arbeitsgruppen (JEE8 und AG Kompetenzen) aktuell verfolgt, ist der Kompetenznachweis. In einem ersten Schritt will die SEVAL in ihrer Datenbank für Evaluationsfachleute Möglichkeiten für eine bessere Sichtbarkeit von erworbenen Evaluationskompetenzen schaffen. Dies kann die Attraktivität von Weiterbildung fördern, die Diskussion um weiteren Kompetenzbedarf anregen und letztlich zu neuen Weiterbildungen führen.
Die Ergebnisse der Abendveranstaltung und die Bedarfserhebung des ZUW liefern auch den Anbietenden von Weiterbildungen Anregungen. Die teilweise abnehmende Nachfrage nach Studiengängen in Evaluation in der Schweiz als Resultat einer Marktsättigung und veränderten Bedarfen in der Weiterbildung erfordert eine Neuausrichtung von gewissen Angeboten. Das ZUW hat drei zentrale Fragen in den Blick genommen: 1) Wie soll das Studienprogramm Evaluation in Zukunft aufgebaut sein? 2) Kann der Markt erweitert werden? 3) Gibt es Synergiepotenziale mit anderen Anbietenden von Weiterbildung in Evaluation?
Ad 1) Das ZUW wird 2023 den CAS und IPDET weiterführen, aber den DAS und den MAS zunächst aussetzen. Was der Austausch im Rahmen der Abendveranstaltung, die Ergebnisse der Online-Befragung, die weiterhin bestehende Nachfrage nach dem CAS in Evaluation, sowie die sehr hohe Nachfrage nach dem IPDET «Core Course on Fundamentals in Evaluation» zeigen ist, dass es ein qualitativ hochwertiges Zertifizierungsangebot zu Grundlagen in Evaluation braucht. Darüber hinaus wird das ZUW kontinuierlich die aktuellen themenspezifischen Bedarfe eruieren, die über Einzelkurse bedient werden können.
Ad 2) Eine Markterweiterung innerhalb der Schweiz kann nur über die übliche Community hinaus erreicht werden. Dazu müssen die Bedarfe von potenziellen Kunden und Kundinnen in verschiedenen Sektoren (v.a. Privatwirtschaft) genauer eruiert, Kontakte geschlossen, entsprechende Angebote mit unterschiedlichen Formaten entwickelt und dort bekannt gemacht werden. Auch die englischsprachigen Online- und Onsite-Kurse von IPDET können hierbei eine grössere Rolle spielen. Eine Markterweiterung der Studiengänge CAS, DAS und MAS nach Deutschland und Österreich scheitert an den hohen Kosten. Zudem werden an der Universität des Saarlandes bereits zwei grundständige Masterstudiengänge in Evaluation angeboten, davon ein englischsprachiger «blended learning» Master. Demgegenüber können Einzelkurse zu bestimmten Themen für Personen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum noch besser vermarket werden.
Ad 3) Im Rahmen von mehreren Austauschen zwischen den Hauptanbietenden von Weiterbildung in Evaluation in der Schweiz und in Deutschland wurden Möglichkeiten der Zusammenarbeit bzw. Arbeitsteilung diskutiert und die Umsetzung in den jeweiligen Institutionen eruiert. Das grösste Synergiepotenzial wird bei der Methodenlehre beim Master in Evaluation an der Universität des Saarlandes und am ZUW gesehen. Universitäre Vorgaben und unterschiedliche Preise haben noch zu keiner konkreten Massnahme geführt. Alle Anbietenden sind offen für Zusammenarbeit wo immer sinnvoll, sie bleiben im Austausch.
Der Bedarf nach Weiterbildung und die Aus- und Weiterbildungslandschaft haben sich in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie bedingt, verändert. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Coronakrise nachhaltig auf das Weiterbildungsangebot und die Bedürfnisse potenzieller Weiterbildungsteilnehmenden auswirken. Nur ein ständiger Dialog zwischen Anbietenden von Weiterbildungen in Evaluation, Evaluatorinnen und Evaluatoren, Evaluationsmanagerinnen und -managern, Auftraggebenden und weiteren in der Evaluation tätigen Fachpersonen kann gewährleisten, dass das Weiterbildungsangebot dem Weiterbildungsbedarf und den Bedürfnissen potenzieller Weiterbildungsteilnehmenden entspricht. Die SEVAL und ihre Arbeitsgruppen bieten für diesen Dialog geeignete Gefässe.
Dr. Stefanie Krapp, Leiterin Bereich Evaluation und Head of Program IPDET, Zentrum für universitäre Weiterbildung ZUW, Universität Bern.
Dr. Günter Ackermann, selbständiger Berater, Qualität & Evaluation sowie Dozent am Institut für Public Health, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, Winterthur.
Prof. Dr. Pirmin Bundi, Assistenzprofessor für öffentliche Politik und Evaluation am Institut für öffentliche Verwaltung IDHEAP, Universität Lausanne.
Kimon Schneider, Professur für Entwicklungsökonomie am NADEL – Center for Development and Cooperation, ETH Zürich.
- Balzer, Lars / Beywl, Wolfgang (2018): Evaluiert. Erweitertes Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich. 2. Überarbeitete Auflage. Bern: hep Verlag.
- IZFG (2022): Bedarfserhebung für Weiterbildungen zum Thema Evaluation. Bericht zuhanden des Zentrums für Universitäre Weiterbildung. Universität Bern.
- Laesslé, Melaine (2010): Offre des universités et des HES de Suisse en enseignements portant sur l’évaluation. Document de travail à l’intention de la SEVAL.
- Sager, Fritz / Hadorn, Susanne / Balthasar, Andreas / Mavrot, Céline (2021): Politikevaluation. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.
- SEVAL (2014): Kompetenzrahmen für Evaluationsmanagerinnen und Evaluationsmanager: Aufgaben, Herausforderungen, Kompetenzen. Bern: SEVAL.
- 1 Der Begriff Aus- und Weiterbildung umfasst alle Bildungsangebote zu Evaluation. Teilweise werden Zertifikatslehrgänge als Ausbildung bezeichnet, in der Schweiz in der Regel aber als Weiterbildung. In diesem Artikel fokussieren wir auf Weiterbildungsangebote und benutzen im weiteren Text diesen Begriff.
- 2 Die letzte systematische Erhebung dazu liegt über 10 Jahre zurück (Laesslé 2010).
- 3 Siehe www.ipdet.org.
- 4 Der Begriff Evaluationsmanagerinnen bzw. -manager umfasst Verantwortliche für Evaluationsfragen in Organisationen als auch Auftraggebende von Evaluationen, welche Evaluationen systematisch planen, begleiten und deren Ergebnisse valorisieren. Er grenzt sich ab von Evaluatorinnen und Evaluatoren sowie von Auftraggebenden, die nur punktuell und nicht systematisch mit Evaluation betraut sind (vgl. SEVAL 2014).
- 5 Die Online-Umfrage wurde vom Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) der Uni Bern vom 4.11.2021 bis 1.12.2021 durchgeführt. Das Ziel war, die Umfrage so breit wie möglich an Personen aus den Bereichen Bildung, Verwaltung, Zivilgesellschaft, gemeinnützige Stiftungen und Privatwirtschaft zu streuen. Die Umfrageeinladung wurde über den Adressverteiler des ZUW (N=577), über den SEVAL-Flash (N=500) und über LinkedIn verschickt. 223 Personen haben an der Befragung teilgenommen. Der Bericht kann hier heruntergeladen werden: Ergebnisbericht_Bedarfserhebung_IZFG_2022 (unibe.ch).
- 6 Die SEVAL-Datenbank für Evaluationsfachleute führt nur Mitglieder, die sich selber registriert haben. Ein Blick in die Datenbank zeigt, dass es sich beim Grossteil der registrierten Fachleute um Evaluierende handelt, ein weitaus kleinerer Teil ist in auftraggebender, forschender oder anderer Rolle in Evaluation tätig (https://www.seval.ch/evaluatorinnen/verzeichnis/).
- 7 25- bis 34-Jährige und Personen ab 45 Jahren fanden den Workshop als Format im Schnitt am attraktivsten, die Altersklasse dazwischen bewertete dagegen das Webinar im Durchschnitt mit der höchsten Attraktivität. Gewisse Differenzen gab es auch bei der In-House-Schulung, welche bei der jüngsten Alterskategorie (25- bis 34-Jährige) am beliebtesten ist. Interessant ist, dass entgegen der Diskussion in der Abendveranstaltung Personen ab 55 Jahren das Mentoringprogramm deutlich attraktiver beurteilten als die jüngeren Befragten.
- 8 JEE: Jeunes Évaluateurs.trices Émergent.e.s / junge angehende Evaluatorinnen und Evaluatoren.