Werkstattberichte DOI: 10.38023/2d3d0c6a-5da6-4a99-9087-40465cf4c736

Die neuen Transparenzvorschriften des BPR

Wie hell wird die Dunkelkammer Politikfinanzierung?

Lisa Aeschimann
Lisa Aeschimann
Lukas Schaub
Lukas Schaub

Zitiervorschlag: Lisa Aeschimann / Lukas Schaub, Die neuen Transparenzvorschriften des BPR, LeGes 34 (2023) 1

Die anstehenden eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 bringen eine Premiere. Zum ersten Mal gelangen die neuen Transparenzvorschriften des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR) auf die National- und Ständeratswahlen zur Anwendung. Eidgenössische Abstimmungen und die Finanzen der politischen Parteien sollen ab 2024 transparenter werden. Der Beitrag zeigt auf, wie es zu dieser Neuerung kam, wer seine Finanzen offenlegen muss und welche Pflichten konkret gelten. Weiter erläutert er die Kontrollmechanismen der neuen Offenlegungsvorschriften und würdigt mehrere Aspekte der Gesetz gewordenen Kompromisslösung kritisch.


Inhaltsverzeichnis

1. Entstehungsgeschichte: Von der Abwehrhaltung zum indirekten Gegenvorschlag

[1]

Seit Herbst 2022 gelten in der Schweiz neu Regelungen über die Transparenz bei der Politikfinanzierung. Zuvor sind politische Vorstösse auf Bundesebene, die Transparenz bei der Politikfinanzierung herstellen wollten, lange Zeit chancenlos geblieben. Sie waren in der Bundesversammlung nicht mehrheitsfähig und auch der Bundesrat sprach sich gegen Transparenz-Regelungen aus (siehe Botschaft BR Transparenzinitiative, S. 5634 ff.). Was brachte die politische Wende?

[2]

Am 10. Oktober 2017 wurde die eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» eingereicht (BBl 2017 6893). Bis dahin hatten bereits mehrere Kantone (Neuenburg, Genf und Tessin) Transparenzvorschriften eingeführt (Tessin: Art. 90–92 LEDP-TI; Genf: Art. 29A–29F LEDP-GE und Neuenburg: Art. 133a–133p LDP-NE). Am 4. März 2018 nahm die Stimmbevölkerung sodann entsprechende Volksinitiativen im Kanton Freiburg mit fast 70% Ja-Stimmen sowie überraschenderweise sogar im stark bürgerlich geprägten Kanton Schwyz mit 50.28% Ja-Stimmen an.1 Spätestens von da an war klar: Die Transparenz-Initiative hätte reelle Chancen, von der schweizerischen Stimmbevölkerung angenommen zu werden. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S), einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative auszuarbeiten. In der Sommersession 2021 rangen die Räte um die letzten offenen Punkte (insb. Ausgestaltung der Kontrolle und Offenlegungspflichten von Ständeratsmitgliedern) und verabschiedeten am 18. Juni 2021 schliesslich die neuen Transparenzvorschriften (BBl 2019 7901). Das Parlament integrierte diese als Artikel 76b ff. unter dem neuen Gliederungstitel 5b «Transparenz bei der Politikfinanzierung» in das Bundesgesetz über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (BPR; SR 161.1). Am 8. Oktober 2021 zog das Initiativkomitee die Volksinitiative zurück, da es seine Forderungen als erfüllt erachtete (BBl 2021 2309; offener Brief Trägerverein Transparenzinitiative). In der Folge konkretisierte der Bundesrat die Gesetzesbestimmungen auf Verordnungsstufe (Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung; VPofi; SR 161.18). Gesetz und Verordnung (d.h. Art. 76b ff. BPR und VPofi; nachfolgend Transparenzvorschriften) sind am 23. Oktober 2022 in Kraft getreten. Zur Klarstellung praxisrelevanter Fragen haben das Bundesamt für Justiz (BJ), die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) sowie die Bundeskanzlei (BK) verschiedene Hilfsdokumente und Erläuterungen publiziert.2

2. Ziel und Grundzüge der neuen Transparenzvorschriften

[3]

Mit den neuen Vorschriften im BPR soll Transparenz darüber hergestellt werden, wer politische Parteien und Kampagnen finanziert (siehe Bericht SPK-S, S. 7877, 7894). Die Öffentlichkeit soll finanzielle Zuflüsse an politische Akteurinnen und Akteure kennen, wenn sich die Zuflüsse eignen, das Politgeschehen zu beeinflussen (vgl. Bericht BR VPofi, S. 9). Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sollen die entsprechenden Informationen bei ihrem Entscheid über Wahlen und Abstimmungen miteinbeziehen und sich ein ganzheitliches Bild über die politische Lage verschaffen können. Für die Meinungsbildung der Stimmbürgerschaft ist es bedeutsam, welche Interessengruppen welche politischen Parteien finanziell in welcher Höhe alimentieren oder welche Interessengruppen mit welchen Mitteln hinter Wahl- oder Abstimmungskampagnen stehen (siehe etwa Braun Binder/Heusser/Schiller, 2014, S. 54 f.). Insofern leisten die neuen Transparenzvorschriften einen Beitrag zur unverfälschten Willensbildung der Stimmbürgerschaft, die Artikel 34 Absatz 2 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV; SR 101) garantiert (Bericht SPK-S, S. 7900; zur Bedeutung von Transparenz im Kontext des Art. 34 Abs. 2 BV weiter etwa Ammann, 2021).

[4]

Die neuen Transparenzvorschriften orientieren sich grundsätzlich am Wortlaut sowie am Inhalt der Transparenz-Initiative (siehe Bericht BR VPofi, S. 3; Bericht SPK-S, S. 7883). Sie sehen sowohl Pflichten für politische Parteien als auch für Kampagnenführende bei Wahlen und Abstimmungen vor. Die gesetzlichen Offenlegungspflichten gehen aber mehrheitlich weniger weit als die ursprünglichen Forderungen der Volksinitiative. Insbesondere enthalten die neuen Bestimmungen nun höhere Schwellenwerte für die Offenlegung von Zuwendungen (15’000 Franken statt 10’000 Franken), eine Reduktion auf die Offenlegung von Einnahmen bzw. den Verzicht auf die Offenlegung von Bilanz und Erfolgsrechnung sowie eine besondere Regelung für Ständerätinnen und Ständeräte (Art. 76b Abs. 2 lit. a und b sowie Art. 76c Abs. 2 lit. a, b und Abs. 3 BPR; vgl. auch Ziff. 3.2.1.1. und 3.2.1.2.). Vereinzelt statuieren die Bestimmungen allerdings auch Pflichten, welche die Volksinitiative nicht beinhaltete3 bzw. dort weniger streng ausgestaltet waren. Insbesondere senkte der Gesetzgeber den Schwellenwert für die Begründung der Offenlegungspflicht bei Wahlen und Abstimmungen: Nun ist offenlegungspflichtig, wer für die Kampagne mehr als 50’000 Franken aufwendet (Art. 76c Abs. 1 und 3 BPR). In der Volksinitiative war ein Schwellenwert von mehr als 100’000 Franken vorgesehen; der Entwurf der SPK-S vom 24. Oktober 20194 setzte sogar Aufwendungen von über 250’000 Franken voraus.

[5]

Die neuen Vorschriften im BPR regeln die Offenlegung der Finanzierung von Politakteuren, nicht aber die Frage, wie sich eine solche Akteurin oder ein solcher Akteur finanzieren darf.5 Auch führen die neuen Bestimmungen keine Obergrenzen für Spenden oder Ausgaben bei Wahlen und Abstimmungen ein (siehe auch Bericht SPK-S, S. 7883).

3. Wer welche Finanzen offenlegen muss

3.1. Subjekte der Offenlegungspflichten

[6]

Die Subjekte der Offenlegungspflichten lassen sich in vier Gruppen unterteilen:

  • Die erste Gruppe besteht aus den politischen Parteien, die in der Bundesversammlung vertreten sind (Art. 76b Abs. 1 BPR). Es sind dies derzeit die SVP, die SP, die FDP, die Grünen Schweiz, Die Mitte, die GLP, die EVP, die EDU, die PDA, die Lega dei Ticinesi sowie das EAG (und deren Jungparteien). Die Parlamentsdienste führen eine Website, welche die im Parlament vertretenen Parteien auflistet.6
  • Die zweite Gruppe bilden Parteilose, die im Parlament Einsitz nehmen (Art. 76b Abs. 3 BPR).7 Zurzeit ist Thomas Minder (SVP-Fraktion) das einzige parteilose Mitglied der Bundesversammlung.
  • Als dritte Gruppe verpflichten die neuen Transparenzvorschriften diejenigen Personen und Gruppierungen, die eine Kampagne für eine Wahl in den National- oder Ständerat führen (Art. 76c Abs. 1 und 3 BPR).
  • Die vierte Gruppe besteht aus denjenigen Personen und Gruppierungen, die eine Kampagne für eine eidgenössische Abstimmung führen (Art. 76c Abs. 1 BPR).
[7]

Die Kampagnenführenden (sei dies für eine Wahl oder Abstimmung) sind nicht in jedem Fall zur Offenlegung verpflichtet, sondern nur dann, wenn sie für ihre Kampagne mehr als 50’000 Franken aufwenden (Art. 76c Abs. 1 und 3 BPR). Ein solcher Schwellenwert gilt nicht für die jährliche Offenlegungspflicht der politischen Parteien und Parteilosen (Art. 76b Abs. 1 und 3 BPR). Für die Parteien und Parteilosen gilt diese Grenze allerdings dann, wenn sie selbst eine Kampagne führen und daher (zusätzlich zu ihrer jährlichen Meldung; Ziff. 3.2.1.1.) auch in diesem Rahmen offenlegungspflichtig sind (vgl. Bericht SPK-S, S. 7886).

3.2. Gegenstand der Offenlegungspflichten

3.2.1. Nicht alle haben die gleichen Pflichten

3.2.1.1. Jährliche Meldung der politischen Parteien und Parteilosen
[8]

Die politischen Parteien haben jährlich offenzulegen, aus welchen Einnahmen sie ihre Tätigkeit finanzieren (Art. 76b und 76d Abs. 1 lit. a BPR). Hierzu müssen sie ihre Einnahmen in verschiedene Einnahmequellen aufschlüsseln, die sodann je im Gesamtbetrag anzugeben sind: die Einnahmen durch monetäre Zuwendungen (z.B. Geldüberweisungen), der Wert der Einnahmen durch nichtmonetäre Zuwendungen (z.B. Sachleistungen),8 die Einnahmen durch Veranstaltungen, die Einnahmen durch den Verkauf von Gütern und Dienstleistungen, die Einnahmen durch Mitgliederbeiträge sowie die Einnahmen durch Mandatsbeiträge (Art. 9 VPofi). Zusätzlich müssen die Parteien auch den Gesamtbetrag ihrer Einnahmen melden (Art. 9 lit. b VPofi; für den Einnahmebegriff Art. 2 lit. a VPofi).

[9]

Bei denjenigen Zuwendungen, die den Wert von 15000 Franken pro Person und Jahr übersteigen, sind neben Wert und Datum der Zuwendung alle zur Identifikation des Spenders notwendigen Angaben zu machen: Name, Vorname und Wohnsitzgemeinde oder Firma und Sitz der Urheberin oder des Urhebers der Zuwendung (Art. 76d Abs. 4 BPR). Als Urheberin oder Urheber der Zuwendung gilt die natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, welche die Zuwendung ursprünglich erbrachte, um die politische Akteurin oder den politischen Akteur zu unterstützen (Art. 10 Abs. 2 VPofi). Mit dieser Definition soll die Umgehung durch das Zwischenschalten einer Drittperson erschwert werden (Bericht BR VPofi, S. 17). Bei nichtmonetären Zuwendungen sind neben den Identifikationsangaben der Sachwert und die Art der Dienstleistung sowie die marktübliche Berechnung des gemeldeten Wertes anzugeben (Art. 10 Abs. 4 VPofi). Die Angaben sind zu belegen (Art. 76d Abs. 5 BPR; Art. 10 Abs. 1 VPofi). Die entsprechenden Belege können die Verpflichteten direkt ins elektronische Register der EFK hochladen, werden von der EFK aber nicht veröffentlicht (Art. 14 Abs. 2 VPofi; siehe auch Fragen und Antworten EFK, S. 47; Leitfaden BK, S. 8).

[10]

Einzeln auszuweisen sind weiter diejenigen Beträge, welche die Parteien von ihren Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern (z.B. von Bundesratsmitgliedern oder Richterinnen und Richtern der eidgenössischen Gerichte) erhalten (Art. 76b Abs. 2 lit. c BPR; Bericht BR VPofi, S. 3 f. und 16). Nicht zu nennen haben die Parteien allerdings, welcher Betrag von welcher Mandatsträgerin bzw. welchem Mandatsträger stammt. Die Bürgerinnen und Bürger erfahren daher lediglich, wie viele Mandatsbeiträge die Parteien in welcher Höhe einnehmen. Welcher Mandatsträgerin bzw. welchem Mandatsträger die einzelnen Unterstützungsleistungen aber individuell zuzuordnen sind, bleibt im Dunkeln, selbst dann, wenn der Betrag den Wert von 15’000 Franken übersteigt. Diese Lösung ist insoweit nachvollziehbar, als dass die Mandatsbeiträge – anders als Zuwendungen – nicht freiwillig bezahlt werden und die mögliche Einflussnahme auf die Partei daher geringer ausfallen dürfte. Dennoch sind viele Parteien finanziell stark abhängig von diesen Beiträgen. Sollen die neuen Transparenzvorschriften die finanziellen Abhängigkeiten der Parteien tatsächlich ans Licht bringen, wäre daher eine Publikation der persönlichen Angaben der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sachgerecht.

[11]

Das Parlament hat bewusst auf eine Pflicht zur Offenlegung der Ausgaben und der Vermögenslage verzichtet: Es sei für die Bürgerinnen und Bürger kaum von Interesse, wofür die Parteien ihr Geld ausgeben (siehe Bericht SPK-S, S. 7886, 7890). Nachvollziehbar ist unserer Ansicht nach, dass die Parteien keine Bilanz und Erfolgsrechnung vorzulegen haben. Eine solche Pflicht hätte für die Parteien, die in aller Regel als Vereine (Art. 60 ff. ZGB9) organisiert sind, einen Zusatzaufwand zur Folge, der im Licht des Zwecks der Transparenzvorschriften nicht notwendig ist. Parteien sind grundsätzlich von der Pflicht zur Rechnungslegung nach den Artikeln 958 ff. OR10 befreit und lediglich – aber immerhin – dazu verpflichtet, über ihre Einnahmen und Ausgaben sowie die Vermögenslage Buch zu führen (sog. einfache Buchführung oder «Milchbüchleinrechnung»; Art. 957 Abs. 2 lit. b OR). Die Publikation dieser Angaben würde der Bevölkerung hinreichend Transparenz verschaffen. Der gesetzgeberische Entscheid aber, auch die Ausgaben und Vermögenslage von der Offenlegungspflicht auszunehmen, ist unseres Erachtens nicht sachgerecht, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wäre eine entsprechende Meldung für die Parteien mit wenig Aufwand verbunden, da diese Angaben ohnehin in der einfachen Buchführung enthalten sind. Zweitens sind diese Angaben (entgegen den Erläuterungen im Bericht SPK-S) sehr wohl von Interesse, wenn sich die Bürgerin oder der Bürger ein Bild über die Finanzen der Partei verschaffen und mögliche Abhängigkeiten beurteilen will. Insbesondere könnten die EFK sowie die Öffentlichkeit die Angaben auch leichter und effektiver kontrollieren, wenn auch Ausgaben und Vermögenslage bekannt wären (in diesem Sinne auch die Minderheit Stöckli, Janiak und dazu Bericht SPK-S, S. 7887). Die EFK kann sich als Kontrollbehörde gestützt auf die Mitwirkungspflicht (Art. 13 VPofi) zwar unter Umständen Zugang zu diesen Angaben verschaffen (Bericht BR VPofi, S. 11 und 15; siehe auch Ziff. 5). Bei fehlender Mitwirkung hat sie allerdings keine Kompetenz, die Dokumente zwangsweise einzusehen (vgl. Ziff. 5). Medienschaffende oder andere Personen haben überdies keine Möglichkeit, an die entsprechenden Daten zu gelangen. Damit werden die Angaben der Kontrolle der breiten Öffentlichkeit entzogen. Die Reduktion der Transparenzpflicht auf die Einnahmen gehört zur Kompromisslösung des Parlaments und ist zu bedauern. Eine Minderheit der Kommission hatte sich noch dafür ausgesprochen, auch Ausgaben und Vermögenslage offenzulegen (Bericht SPK-S, S. 7887).

[12]

Parteilose Mitglieder der Bundesversammlung haben lediglich die grossen Zuwendungen (im Wert von über 15’000 Franken) offenzulegen, nicht aber ihre Einnahmen (Art. 76b Abs. 3 BPR; Art. 4 Abs. 1 VPofi). Anzugeben sind die Angaben über die Identität der Urheberin bzw. des Urhebers sowie Datum, Art, Wert und Berechnung der Zuwendung (Art. 76d Abs. 4 BPR; Art. 10 Abs. 4 VPofi). Tritt ein Parlamentsmitglied während des Kalenderjahres aus der Partei aus, muss es lediglich diejenigen Zuwendungen melden, die es während der parteilosen Phase erhalten hat (Art. 4 Abs. 3 VPofi).

3.2.1.2. Meldung der Kampagnenführenden
[13]

Bei Wahlkampagnen muss unterschieden werden, ob es sich um eine Nationalrats- oder eine Ständeratswahl handelt.

[14]

Wer eine Kampagne für die Wahl in den Nationalrat führt, hat seine Einnahmen unter Umständen zweimal offenzulegen: Zunächst sind die geplanten (bzw. budgetierten) Einnahmen zu melden, sofern die oder der Kampagnenführende nach Treu und Glauben annehmen muss, dass sie bzw. er für die Kampagne mehr als 50’000 Franken aufwenden wird. Nach der Wahl gilt es sodann, eine Schlussrechnung zu erstellen und die definitiven Einnahmen anzugeben, sofern diese den Schwellenwert tatsächlich erreichen (Art. 76c Abs. 2 lit. a BPR; Art. 5 Abs. 1 und 2 sowie Art. 6 Abs. 1 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 12 und 14). Wie die politischen Parteien haben auch die Kampagnenführenden die Einnahmen in verschiedene Einnahmequellen aufzuschlüsseln und separat aufzulisten (Art. 9 VPofi; vgl. dazu Ziff. 3.2.1.1.). Die grossen Zuwendungen über 15’000 Franken sind einzeln mit den erforderlichen Angaben zu melden und zu belegen (Art. 76d Abs. 4 und 5 BPR; Art. 10 Abs. 1 und 4 VPofi), wenn diese in den letzten 12 Monaten vor der Wahl erfolgt sind (Art. 76c Abs. 2 lit. b BPR). Zusätzlich ist bei Kampagnen offenzulegen, wie hoch die investierten bzw. die zur Investition geplanten monetären Eigenmittel sind sowie welche Kandidierenden unterstützt werden sollen (Art. 9 lit. h und i VPofi).

[15]

Wer eine Kampagne für die Wahl in den Ständerat führt, hat vor dem Wahltermin keine Offenlegungspflichten, ausser das kantonale Recht sehe solche vor. Auch bei einer erfolglosen Kampagne bzw. einer Nichtwahl bleibt die Finanzierung im Dunkeln. Nur dann, wenn die unterstützte Kandidatin oder der Kandidat tatsächlich in den Ständerat gewählt worden ist, muss die Kampagnenführende mit einer Schlussrechnung offenlegen, mit welchen Einnahmen (bzw. Einnahmequellen) sie die Kampagne finanzierte, sofern sie für die Kampagne mehr als 50’000 Franken aufgewendet hat (Art. 76c Abs. 3 BPR). Auch für die Zuwendungen über 15’000 Franken hat die Kampagnenführende nur bei erfolgreicher Wahl anzugeben und zu belegen, von wem diese stammen. Mit dieser unterschiedlichen Behandlung von Nationalrats- und Ständeratswahlen wollte die Bundesversammlung die verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf neue Pflichten für die kleine Kammer entkräften, da nach Artikel 150 Absatz 3 BV die Kantone die Ständeratswahlen regeln (vgl. Bericht BR VPofi, S. 3). Gänzlich von der Offenlegungspflicht befreien wollten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Ständeräte schliesslich aber doch nicht (im Entwurf der SPK-S waren die Ständeratswahlen noch gänzlich vom Anwendungsbereich der Regelungen ausgeschlossen; dazu Bericht SPK-S, S. 7890). Die nun verabschiedete Lösung war in der parlamentarischen Diskussion unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten bis zuletzt umstritten.11 Die Bedenken sind nachvollziehbar, begründet die neue Transparenzvorschrift doch – auch wenn sie quasi rückwirkend nur bei einer tatsächlich erfolgten Wahl greift – materiell neue Pflichten im Zusammenhang mit einem Wahlverfahren, dessen Regelung alleine den Kantonen zusteht.12

[16]

Bei Kampagnen für Abstimmungen gelten die gleichen Pflichten wie bei Wahlkampagnen für Kandidierende des Nationalrates. Offenzulegen sind die budgetierten Einnahmen, die Schlussrechnung über die Einnahmen und insbesondere die Identitätsangaben von Zuwendenden, die innerhalb der letzten zwölf Monate vor der Abstimmung mehr als 15’000 Franken spenden bzw. gespendet haben (Art. 76c und 76d Abs. 4 BPR; Art. 10 Abs. 4 VPofi). Hinzu kommen die monetären Eigenmittel, welche die Kampagnenführenden in die Kampagne investieren (wollen) sowie die Information, welches Abstimmungsergebnis mit den Aufwendungen erzielt werden soll (Art. 9 lit. h und i VPofi).

3.2.2. Verbot der Annahme von anonymen Zuwendungen und Zuwendungen aus dem Ausland

[17]

Anonyme Zuwendungen und Zuwendungen aus dem Ausland dürfen grundsätzlich von keinem der verpflichteten Politakteure angenommen werden (Art. 76h Abs. 1 BPR). Dies gilt unabhängig davon, welchen Wert die Zuwendung hat. Gehen anonyme Zuwendungen ein, müssen die politischen Parteien und die Kampagnenführenden die Urheberin bzw. den Urheber der Zuwendung ermitteln oder die Zuwendung innert 30 Tagen zurückerstatten, wenn dies möglich und zumutbar ist. Ansonsten besteht eine Pflicht, die anonyme Zuwendung der EFK innert fünf Tagen nach Ablauf der Rückerstattungsfrist zu melden und dem Bund abzuliefern (Art. 76h Abs. 3 BPR; Art. 18 VPofi).

[18]

Wer eine Zuwendung aus dem Ausland erhält, darf diese auch dann nicht behalten, wenn die Urheberin bzw. der Urheber identifiziert ist. Die Zuwendung muss – wie die anonyme Spende – zurückerstattet oder (wenn nicht möglich oder nicht zumutbar) der EFK gemeldet und dem Bund innert Frist abgeliefert werden (Art. 76h Abs. 4 BPR; Art. 18 VPofi). Dies soll verhindern, dass ausländische Unternehmungen oder Einzelpersonen auf Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz Einfluss nehmen (Bericht SPK-S, S. 7877, 7884, 7895). Ausgenommen sind Zuwendungen von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern (Art. 76h Abs. 2 BPR).

[19]

Eine Sonderregelung besteht wiederum (vgl. Ziff. 3.2.1.2) bei Ständeratswahlen. Bei erfolgreicher Wahl in den Ständerat dürfen die Kandidatinnen und Kandidaten die anonymen Zuwendungen und die Zuwendungen aus dem Ausland behalten. Sie haben die Zuwendungen lediglich mit der Schlussrechnung offenzulegen (Art. 76h Abs. 5 BPR), es sei denn, im massgebenden Kanton gelten strengere Vorschriften.

3.2.3. Wenn auch die Kantone Offenlegungspflichten vorsehen

[20]

Einige Kantone kennen bereits Offenlegungsvorschriften für Politakteure (z.B. Genf, Tessin, Neuenburg und Schwyz). Die neuen Bundesregelungen, welche grundsätzlich auf eidgenössische Wahlen und Abstimmungen Anwendung finden, tangieren diese kantonalen Vorschriften nicht, wenn diese kantonale Urnengänge regeln. Soweit es um eidgenössische Abstimmungen und Wahlen geht, sieht das Gesetz vor, dass die Kantone für die «Finanzierung von kantonalen politischen Akteurinnen oder Akteuren» (z.B. Kantonalparteien) weitergehende, nicht aber weniger weitgehende Offenlegungspflichten vorsehen können (Art. 76k BPR). Für die nationalen Akteurinnen und Akteure sind die Vorschriften im BPR abschliessend.

[21]

Der Begriff des kantonalen Akteurs nach Artikel 76k BPR umfasst «jede politische Akteurin und jeden politischen Akteur, die oder der auf dem Gebiet des Kantons aktiv ist» (Bericht SPK-S, S. 7899). Das kann auch auf eine politische Akteurin oder einen politischen Akteur zutreffen, die bzw. der eine Kampagne für eine eidgenössische Abstimmung führt (Bericht SPK-S, S. 7899). Solche Kampagnen machen aber oft nicht an Kantonsgrenzen halt bzw. werden in deren Rahmen häufig Mittel eingesetzt, die kantonsübergreifende Wirkungen entfalten. Zu denken ist dabei etwa an Inserate in nationalen Tageszeitungen oder an bezahlte Kampagnen in Social Media. Die Anwendung von strengeren Offenlegungspflichten in einem Kanton auf solche kantonsübergreifende Abstimmungskampagnen würde es einem einzelnen Kanton erlauben, die weniger strenge Bundeslösung zu untergraben, was nicht im Sinne des Gesetzgebers sein dürfte. Artikel 76k BPR ist wohl vielmehr auf jene Fälle zugeschnitten, in welchen politische Akteurinnen und Akteure für eidgenössische Urnengänge kantonale Kampagnen führen. Das trifft namentlich auf die Nationalratswahlen zu, bei welchen die Kantone Wahlkreise bilden und die kantonalen Parteien entsprechend kantonsspezifische Kampagnen führen, deren Ausgaben jeweils einem Kantonsgebiet zugeordnet werden können. Auch hier stellt sich allerdings das Problem, dass Nationalratswahlen mehr und mehr auch national geführt werden (Bühlmann/Zumbach/Gerber, 2016, S. 15 ff.). Ob und wie die Praxis solchen Schwierigkeiten begegnen wird, bleibt abzuwarten.

[22]

Klar ist: Wenn auch die Kantone anwendbare Offenlegungspflichten bei der Politikfinanzierung statuieren, müssen die verpflichteten Akteurinnen und Akteure ihre finanziellen Angaben sowohl auf nationaler Ebene als auch auf kantonaler Ebene offenlegen. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass sich die zu meldenden Angaben – und auch die einzeln auszuweisenden Einnahmequellen – unterscheiden (Bericht BR VPofi, S. 16). Der Bundesrat bittet die Kantone im Kreisschreiben über die Nationalratswahlen 2023, die kandidierenden Gruppierungen rechtzeitig über allfällige weitergehende kantonale Offenlegungsvorschriften für die Nationalratswahlen zu informieren (Kreisschreiben BR Nationalratswahlen, Ziff. 4).

3.2.4. Wenn Politakteure gemeinsam Kampagne führen

[23]

Die Bestimmung über die gemeinsame Kampagnenführung ist zentral, um Gesetzesumgehungen zu minimieren: Führen mehrere Akteurinnen und Akteure zusammen eine Kampagne, so müssen sie die Einnahmen gemeinsam einreichen. Die ihnen gewährten Zuwendungen und ihre Aufwendungen sind zusammenzurechnen (Art. 76c Abs. 4 BPR).

[24]

Die Akteurinnen und Akteure müssen sich also zunächst überlegen, ob und mit wem sie gemeinsame Kampagnen führen. Das tun sie mit jenen Personen oder Personengesellschaften, mit welchen sie die Kampagne gemeinsam planen und in der Öffentlichkeit gemeinsam auftreten (Art. 5 Abs. 1 VPofi). Sodann haben sie bereits zu Beginn der Kampagne bzw. spätestens innert der Meldefrist (Ziff. 4) eine gemeinsame Finanzplanung zu erstellen, ansonsten unklar bleibt, ob ihre Aufwendungen für die Kampagne zusammen mehr als 50’000 Franken betragen und sie demnach offenlegungspflichtig sind. Zugleich müssen sie gemeinsam feststellen, ob sie die Identitätsangaben von Zuwendenden melden müssen, weil gewisse Spenden des gleichen Urhebers insgesamt mehr als 15’000 Franken betragen (siehe Bericht BR VPofi, S. 13; Bericht SPK-S, S. 7889, 7891). In einer publizierten Notiz hat das Bundesamt für Justiz die Kriterien der gemeinsamen Kampagnenführung weiter präzisiert und praktische Beispiele aufgeführt (Notiz BJ Gemeinsame Kampagne).

4. Angaben gesammelt – was nun?

[25]

Haben die Parteien, die Parteilosen oder die Kampagnenführenden die erforderlichen Angaben zusammengestellt, stellt sich die Frage, wem, wie und wann die Informationen zu übermitteln sind.

[26]

Zuständig für die Entgegennahme, Kontrolle und Veröffentlichung der Meldungen ist die EFK (Art. 76g BPR und Art. 7 VPofi).13 Sie stellt für die Entgegennahme der Angaben und Dokumente ein elektronisches Register sowie auch Formulare zur Verfügung (Art. 8 Abs. 2 und 3 VPofi). Die politischen Akteurinnen und Akteure müssen die Informationen grundsätzlich elektronisch melden, können die Angaben in Ausnahmefällen aber auch in Papierform per Post deklarieren. Für die Benutzung des elektronischen Registers bietet die EFK Schulungen an.14

[27]

Die politischen Parteien und die parteilosen Mitglieder der Bundesversammlung haben ihre Angaben jährlich zu melden (Art. 76d Abs. 1 lit. a BPR). Dabei haben sie diejenigen Einnahmen bzw. Zuwendungen zu deklarieren, die sie während des vergangenen Kalenderjahres erhalten haben (Art. 3 Abs. 1 VPofi). Die Frist für die Meldung endet jeweils am 30. Juni des Folgejahres, erstmals am 30. Juni 2024 (Art. 3 Abs. 2 und 19 Abs. 1 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 25). Dieser Zeitpunkt mag etwas spät wirken, ist aber sachgerecht: So verfügen die Parteien über genügend Zeit, um ihre Buchhaltung zu erstellen. Zugleich erlaubt dieser Termin der EFK aber auch, die Angaben in Wahljahren hinreichend früh vor der Wahl zu publizieren, damit die Stimmbürgerschaft die Informationen in ihren Wahlentscheid einbeziehen kann (siehe Bericht BR VPofi, S. 11).

[28]

Diejenigen, die eine Nationalrats- oder Abstimmungskampagne führen, haben die budgetierten Einnahmen 45 Tage vor der Wahl oder Abstimmung einzureichen (Art. 76d Abs. 1 lit. b BPR) – für die Nationalratswahlen im Oktober also erstmals am 7. September 2023 (Art. 19 Abs. 2 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 25). Anders als die Parteien und Parteilosen können die Kampagnenführenden ihre Pflicht – mit Ausnahme der Registrierung der persönlichen Daten (Art. 9 lit. a VPofi) – nicht früher erfüllen. Sie können die finanziellen Angaben zwar bereits früher erfassen, müssen diese aber auf den festgelegten Termin hin aktualisieren und definitiv übermitteln (siehe Leitfaden BK, S. 7; Fragen und Antworten EFK, S. 40). So sollen möglichst alle geplanten Einnahmen ersichtlich sein, um weitestmögliche Transparenz zu schaffen. Je früher die Meldung erfolgt, desto weniger genau werden diese Angaben sein. Zugleich darf die Frist aber nicht zu nahe am Wahl- oder Abstimmungstermin liegen, da die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Information über die Finanzierung für ihre Willensbildung und -ausübung genügend früh bzw. vor der Stimmabgabe benötigen. Die EFK kontrolliert und publiziert die Angaben innert 15 Tagen nach deren Eingang (Art. 76f Abs. 2 lit. b BPR). Damit erfolgt die Publikation in aller Regel knapp vor dem Versand des Wahl- und Abstimmungsmaterials, womit die gesetzlich festgelegten Fristen dem Anliegen gerecht werden (siehe Bericht SPK-S, S. 7892). Nehmen Kampagnenführende nach Ablauf der Einreichefrist noch Zuwendungen über 15’000 Franken entgegen, müssen sie diese der EFK unverzüglich, das heisst, innert fünf Arbeitstagen melden (Art. 76d Abs. 2 BPR; Art. 5 Abs. 3 VPofi). Bemerken die Kampagnenführenden erst nach Ablauf der Meldefrist, dass sie für eine Kampagne mehr als 50’000 Franken aufgewendet haben, so müssen sie die budgetierten Einnahmen sowie Zuwendungen von mehr als 15’000 Franken innert zehn Arbeitstagen nachmelden (Art. 5 Abs. 2 VPofi).

[29]

Die definitiv erlangten Einnahmen und weiteren Angaben bei Zuwendungen über 15’000 Franken haben die Kampagnenführenden im Rahmen einer Schlussrechnung 60 Tage nach der Wahl oder Abstimmung einzureichen, das heisst, für die Nationalratswahlen erstmals am 21. Dezember 2023 (Art. 76d Abs. 1 lit. b BPR; Art. 19 Abs. 2 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 25). Auch bei diesem Zeitpunkt handelt es sich um einen festen Termin für die Meldung der definitiven Zahlen. Tragen die Kampagnenführenden die Angaben vorher ein, müssen sie die Daten per Termin aktualisieren, denn möglichst alle Einnahmen (auch jene, die nach der Wahl oder Abstimmung noch eingehen) sollen in der Schlussrechnung ersichtlich sein (vgl. Bericht SPK-S, S. 7893).

[30]

Bei Wahlen in den Ständerat haben die Kampagnenführenden die Schlussrechnung über die Einnahmen sowie Zuwendungen über 15’000 Franken 30 Tage nach Amtsantritt (d.h. bei einer Vereidigung am 4. Dezember 2023 erstmals am 3. Januar 2024) zu melden (Art. 76d Abs. 1 lit. c BPR; Art. 19 Abs. 2 VPofi; Leitfaden BK, S. 10).

5. Kontrolle und Publikation

[31]

Die EFK kontrolliert bei allen politischen Akteurinnen und Akteuren, ob deren Angaben rechtzeitig erfasst und vollständig sind (formelle Kontrolle). Nur stichprobenweise – insbesondere in Verdachtsfällen – untersucht sie auch die Richtigkeit der Angaben (Art. 76e Abs. 1 BPR; Art. 11 und 12 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 19). In diesem Rahmen prüft die EFK auch, ob gewisse Akteurinnen oder Akteure es pflichtwidrig unterlassen haben, ihre Finanzen anzugeben (Art. 12 Abs. 2 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 19). Wie häufig solche materiellen Kontrollen stattfinden, liegt im Ermessen der EFK. Das gilt auch für die Wahl der Politakteure, deren Angaben die EFK überprüft, wobei hier (sofern kein Verdacht vorliegt) das Zufallsprinzip massgebend sein muss (Bericht BR VPofi, S. 19). In jedem Fall hat die EFK dem Gleichheitsgebot Rechnung zu tragen und nach Treu und Glauben zu handeln.

[32]

Von den verpflichteten Parteien, Parteilosen und Kampagnenführenden kann die EFK verlangen, bei den Abklärungen mitzuwirken und die notwendigen Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen (Art. 13 VPofi). Verweigern die politischen Akteurinnen und Akteure die Mitwirkung, würdigt dies die EFK zu deren Lasten. Bei hinreichendem Verdacht auf Gesetzesverstösse muss sie wegen nicht korrekt eingereichter Angaben Strafanzeige erstatten, sofern auch innert Nachfrist die richtigen Angaben nicht gemeldet werden (Bericht BR VPofi, S. 20; Art. 76e Abs. 2 und 3 BPR).

[33]

Nach Abschluss der Kontrollen (oder in Ausnahmefällen auch vorher, Bericht BR VPofi, S. 22) veröffentlicht die EFK die gemeldeten Angaben und Dokumente der politischen Parteien jährlich, spätestens Ende August des Folgejahres, erstmals am 31. August 2024 (Art. 76f Abs. 1 BPR; Art. 16 VPofi). Die Angaben und Dokumente der Kampagnenführenden publiziert die EFK jeweils spätestens 15 Tage nachdem sie eingetroffen sind (d.h. die budgetierten Einnahmen spätestens 30 Tage vor der Wahl oder Abstimmung, für die Nationalratswahlen erstmals am 22. September 2023; die Schlussrechnung spätestens 75 Tage nach der Wahl oder Abstimmung, für die Nationalratswahlen erstmals am 5. Januar 2024; Art. 76f Abs. 2 BPR). Einzig die Zuwendungen über 15’000 Franken, die nach der Frist zur Einreichung eingehen und gemeldet werden (Art. 76d Abs. 2 BPR), veröffentlicht die EFK fortlaufend (Art. 76f Abs. 3 BPR). Die Publikation der Angaben nimmt die EFK auf ihrer Internetseite vor (Art. 76f Abs. 1 BPR). Sie publiziert die Angaben so, wie sie die politischen Akteurinnen und Akteure melden. Die EFK hat keine Kompetenz, Angaben zu korrigieren oder mit dem Hinweis zu ergänzen, diese seien möglicherweise unvollständig oder falsch. Sie kann bzw. muss bei Verstössen einzig Strafanzeige erstatten und das weitere Verfahren den Strafbehörden überlassen (siehe insb. Art. 76e BPR; Art. 15 Abs. 2 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 20 ff.). Immerhin weist die EFK bei der Veröffentlichung darauf hin, dass sie die Richtigkeit der veröffentlichten Angaben und Dokumente nicht gewährleistet (Art. 15 Abs. 1 VPofi).

[34]

Stellt die EFK anlässlich ihrer Kontrollen Verstösse gegen die Offenlegungspflichten fest, hat sie den verpflichteten Akteurinnen und Akteuren eine Nachfrist anzusetzen, um die Fehler zu bereinigen. Liefern die politischen Akteurinnen und Akteure die entsprechenden Angaben und Dokumente nicht korrekt nach, muss die EFK Strafanzeige erstatten (Art. 76e Abs. 2 und 3 BPR). Die Strafbehörden eröffnen sodann eine Untersuchung, wenn sie zum Schluss kommen, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht (Art. 309 StPO). Es droht den Politakteuren eine Busse bis zu 40’000 Franken (Art. 76j BPR). Die Öffentlichkeit wird weder über die Anzeige noch über das laufende Strafverfahren informiert. Die EFK darf bei ihrer Publikation keine entsprechenden Hinweise anbringen. Erst wenn ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt, darf bzw. muss sie – und zwar nur kommentarlos – darauf verweisen (Art. 15 Abs. 3 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 21).

6. Fazit: Transparenz ja – aber ohne wirksame Kontrolle

[35]

Das Parlament hat sich für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung ausgesprochen und entsprechende Vorschriften verabschiedet. Die neuen Regelungen finden erstmals auf die Nationalratswahlen 2023 Anwendung. Politische Kommentatoren sprechen von einer «Revolution», sei doch das «politische Finanzgeheimnis in der Schweiz so heilig (gewesen) wie früher das Bankgeheimnis» (Häfliger 2023, S. 3). Diese «Revolution» hat aber klare Grenzen. Auf eine griffige Kontrolle oder Aufsicht, die zur Durchsetzung der Regelungen erforderlich wäre, wurde bewusst verzichtet.

[36]

Die EFK prüft zwar bei allen politischen Akteurinnen und Akteuren, ob diese die Angaben fristgerecht und vollständig eingereicht haben. Ob die Angaben aber richtig sind, oder ob es gewisse Akteurinnen und Akteure geradezu unterlassen haben, überhaupt Meldung zu erstatten, kontrolliert die EFK nur stichprobenweise (Art. 76e Abs. 1 BPR; Art. 12 Abs. 1 und 2 VPofi; Bericht BR VPofi, S. 19).15 Hinzu kommt, dass sie selbst dann, wenn sie Verstösse feststellt, die gemeldeten Angaben weder korrigieren noch auf die Fehler hinweisen darf. Sie muss alle Angaben und Dokumente genau so veröffentlichen, wie die politischen Akteurinnen und Akteure ihr sie zustellen, und zwar auch dann, wenn die Angaben falsch sind. Auch auf die Strafanzeige, welche die EFK erstatten muss, wenn sie Verstösse feststellt, darf die Kontrollbehörde nicht hinweisen. Dasselbe gilt, wenn die politischen Parteien ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen und die für die Kontrolle erforderlichen Dokumente nicht einreichen. Erst dann, wenn ein rechtskräftiges Urteil der Strafbehörden vorliegt, publiziert die EFK einen kommentarlosen Hinweis auf dieses Urteil (Ziff. 5).

[37]

Bis zu diesem Zeitpunkt können (vor allem bei einem Weiterzug an höhere Instanzen) allerdings Jahre vergehen, in denen die Verstösse unerkannt bleiben. Insbesondere bei Abstimmungen, die dann schon seit längerer Zeit vorbei sind, bleibt fraglich, welchen Zweck die entsprechende Information noch hat. Vor allem dann, wenn es sich um Komitees handelt, die für eine spezifische Abstimmung gebildet wurden, bleiben die Folgen gering. Allenfalls haben die Personen dahinter (neben der Busse) eine Rufschädigung zu befürchten, aber der Zweck der Transparenzvorschriften, den Bürgerinnen und Bürgern eine Entscheidfindung in Kenntnis der finanziellen Einflussnahmen zu ermöglichen, wird nicht erreicht. Bei Wahlen kann sich eine entsprechende Information immerhin auf die Wiederwahl einer Kandidatin oder eines Kandidaten auswirken. Hier wirkt die Gefahr eines auch erst später publizierten Strafurteils entsprechend stärker disziplinierend.

[38]

Diese insgesamt doch eher zahnlosen Kontrollmöglichkeiten sind vom Gesetzgeber gewollt. Er hat primär auf die Eigenverantwortung der politischen Akteure gesetzt. Das Parlament hat sich bewusst dagegen entschieden, dass die EFK wirksame Untersuchungskompetenzen erhält, wie sie etwa einer Finma oder WEKO zukommen (vgl. Bericht BR VPofi, S. 20 m.w.H.). Für die Richtigkeit der Angaben sollen die politischen Akteurinnen und Akteure verantwortlich bleiben (Bericht BR VPofi, S. 21 f.). Eine Mehrheit des Parlamentes wollte bis zum Schluss sogar verhindern, dass überhaupt materielle Kontrollen möglich sind. Solche wurden erst im Differenzbereinigungsverfahren in die Vorlage integriert,16 und zwar wohl vor allem deshalb, weil das Initiativkomitee in dieser Frage hartnäckig blieb und den Rückzug der Initiative an die Bedingung materieller Kontrollen knüpfte (offener Brief Trägerverein Transparenzinitiative, S. 2). Auch für die Öffentlichkeit dürfte es schwierig sein, Verstösse aufzudecken. Insbesondere bleibt ihr der Zugang zu Informationen über die Ausgaben und Vermögenslage der politischen Akteurinnen und Akteure verwehrt (dazu Ziff. 3.2.1.1.). Es bleibt im Ergebnis abzuwarten, ob sich das Vertrauen der Bundesversammlung in die Eigenverantwortung der Offenlegungspflichtigen als gerechtfertigt erweisen wird und ob die neuen Regelungen tatsächlich einer «Revolution» gleichkommen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird dem Bundesrat Mitte 2024 erstmals über die Anwendung der neuen Vorschriften Bericht erstatten.17


Dr. iur. Lisa Aeschimann, Rechtsanwältin, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Justiz, E-Mail: lisa.aeschimann@hotmail.com. Lisa Aeschimann war an der Ausarbeitung der neuen Transparenzvorschriften beteiligt, gibt aber vorliegend ausschliesslich ihre persönliche Meinung wieder.

Dr. iur. Lukas Schaub, LL.M., Advokat, Dozent für Staats- und Verwaltungsrecht ZHAW (Winterthur) und Lehrbeauftragter für öffentliches Recht an der juristischen Fakultät Basel, E-Mail: lukas.schaub@zhaw.ch.

Wir danken Dr. iur. Karl-Marc Wyss, Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Justiz, herzlich für seine kritische Lektüre und die wertvollen Hinweise.


Literatur- und Materialienverzeichnis

  • Ammann, Odile (2021): Transparente Politikfinanzierung in der direkten Demokratie: Überflüssig oder überfällig? Zur Bedeutung von Art. 34 Abs. 2 BV in der Transparenzdebatte, in: Braun Binder/Poier/Wittreck/Huber/Feld (Hrsg.), Jahrbuch für direkte Demokratie 2020, Baden-Baden, S. 88 ff.
  • Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 24. Oktober 2019 zur Parlamentarischen Initiative 19.400 Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung, BBl 2019 7875 (zit. Bericht SPK-S).
  • Botschaft des Bundesrates vom 29. August 2018 zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)», BBl 2018 5623 ff. (zit. Botschaft BR Transparenzinitiative).
  • Braun Binder, Nadja / Heusser, Hermann / Schiller, Theo (2014): Offenlegungsbestimmungen, Spenden- und Ausgabenbegrenzungen in der direkten Demokratie, Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin.
  • Bühlmann, Marcel / Zumbach, David / Gerber, Marlène (2016): Campaign Strategies in the 2015 Swiss National Elections: Nationalization, Coordination, and Personalization, in: Swiss Political Science Review 22 (1) 2016.
  • Bundesamt für Justiz (BJ), FAQ Transparenz bei der Politikfinanzierung, https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/archiv/transparenz-politikfinanzierung.html [12.03.2023] (zit.: FAQ BJ).
  • Bundesamt für Justiz, Gemeinsame Kampagne gemäss Art. 76c Abs. 4 BPR, https://www.efk.admin.ch/de/transparenz-de.html [20.04.2023] (zit. BJ, Gemeinsame Kampagne).
  • Bundeskanzlei, Sektion Politische Rechte, Nationalratswahlen vom 22. Oktober 2023, Leitfaden für kandidierende Gruppierungen (zit.: Leitfaden BK).
  • Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), Transparenz in der Politikfinanzierung, Fragen und Antworten vom 30. November 2022, www.efk.admin.ch/de/transparenz-de.html [31.03.2023] (zit.: Fragen und Antworten EFK).
  • Erläuternder Bericht des Bundesrates vom 24. August 2022 zur Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung (zit.: Bericht BR VPofi).
  • Häfliger, Markus (2023): Ab jetzt werden die Geldgeber geoutet, in: Tages-Anzeiger vom 13.01.2023.
  • Kreisschreiben des Bundesrates vom 19. Oktober 2022 an die Kantonsregierungen über die Gesamterneuerungswahl des Nationalrates vom 22. Oktober 2023 (zit. Kreisschreiben BR Nationalratswahlen).
  • Trägerverein Transparenz-Initiative vom 17. März 2021, offener Brief an die Mitglieder der Staatspolitischen Kommission des Ständerates (SPK-S), Sitzung der SPK-S vom 29. März 2021: 19.400 Pa.Iv. SPK-SR. Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (indirekter Gegenvorschlag Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» – Differenzen), https://www.sp-ps.ch/artikel/bringen-sie-licht-ins-dunkel-der-politikfinanzierung/ [12.03.2023] (zit. offener Brief Trägerverein Transparenzinitiative).


  1. 1 Auch in anderen Kantonen laufen mittlerweile Bestrebungen für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung oder sind bereits Transparenz-Regelungen eingeführt worden; so wurde etwa in Schaffhausen am 9. Februar 2020 eine entsprechende Volksinitiative angenommen. Deren (Nicht)Umsetzung beschäftigt gegenwärtig das Bundesgericht (siehe dazu https://bit.ly/3JbxlVS).
  2. 2 So insb. die Dokumente FAQ BJ; Notiz BJ Gemeinsame Kampagne; Fragen und Antworten EFK; Leitfaden BK und Kreisschreiben BR Nationalratswahlen.
  3. 3 So verbieten die neuen Transparenzvorschriften (anders als die Volksinitiative) insbesondere die Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland (Art. 76h Abs. 1 lit. b BPR) und sehen die Offenlegung von Mandatsbeiträgen vor (Art. 76b Abs. 2 lit. c BPR).
  4. 4 BBl 2019 7901 ff.
  5. 5 Eine Ausnahme gilt mit Blick auf das Verbot der Annahme von anonymen Zuwendungen und Zuwendungen aus dem Ausland (Art. 76h BPR).
  6. 6 https://www.parlament.ch/de/organe/fraktionen/im-parlament-vertretene-parteien.
  7. 7 https://www.parlament.ch/de/organe/fraktionen.
  8. 8 Nichtmonetäre Zuwendungen enthalten sowohl Sachleistungen als auch Dienstleistungen (z.B. Einrichtung einer Webseite), die unentgeltlich oder unter dem marktüblichen Preis erbracht werden und bei denen für die Empfängerin oder den Empfänger aus den Umständen erkennbar ist, dass die Zuwendung erfolgt, um eine politische Partei, ein parteiloses Mitglied der Bundesversammlung oder eine Kampagne zu unterstützen. Bei Dienstleistungen ist zusätzlich vorausgesetzt, dass diese von den Dienstleistungserbringenden üblicherweise kommerziell angeboten werden (Art. 2 lit. c VPofi; siehe dazu auch Bericht BR VPofi, S. 8 f.).
  9. 9 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907; ZGB; SR 210.
  10. 10 Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911; SR 220.
  11. 11 Siehe nur AB 2021 S 569 f.
  12. 12 Ständerat Jakob Stark hat die Transparenzvorschrift für Ständeratswahlen im Differenzbereinigungsverfahren zwischen den beiden Räten nicht ganz zu Unrecht als «Kunstgriff» bezeichnet (AB 2021 S 570).
  13. 13 Die Zuständigkeit der EFK soll auch auf Gesetzesstufe verankert werden; das EJPD wird dem Bundesrat bis Ende 2024 eine entsprechende Vorlage für eine Revision des BPR unterbreiten; https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/aktuell/mm.msg-id-90040.html.
  14. 14 https://www.efk.admin.ch/de/transparenz-de.html.
  15. 15 Missverständlich ist daher der Hinweis der EFK auf ihrer Homepage: «Die EFK prüft für sämtliche Kampagnen bei National- oder Ständeratswahlen sowie bei sämtlichen eidgenössischen Abstimmungen, ob alle Kandidaten und Kampagnenführende der Offenlegungspflicht nachgekommen sind.» (https://www.efk.admin.ch/de/transparenz-de.html).
  16. 16 Für die Abstimmung im Nationalrat siehe AB 2021 N 91; für jene im Ständerat AB 2021 S 350.
  17. 17 https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/aktuell/mm.msg-id-90040.html.
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